„Untragbarer Zustand“Viele Funklöcher im Rheinland – kann eine App Abhilfe schaffen?

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Funkloch Symbolbild

Die Bundesregierung will die Funklöcher in Deutschland schließen.

Köln/Düsseldorf – Nicht jeder ist so resolut wie Georg Fritzsche (65). Der ehrenamtliche Ortsbürgermeister der kleinen Eifelgemeinde Eisenschmitt im Kreis Bernkastel-Wittlich mit 320 Einwohnern hat im Kampf gegen den miesen Handyempfang schon vor drei Jahren alle Register gezogen und bundesweite Schlagzeilen produziert.

Nach dem Motto: Unser Dorf wird bald nicht mehr existieren, wenn uns die Mobilfunkanbieter weiter links liegen lassen. Mit Erfolg. Das totale Funkloch ist inzwischen Geschichte.

Desaströse Internetverbindungen und „kein Netz“ – Eisenschmitt ist kein Einzelfall. Funklöcher gibt es überall. Je nach Netzanbieter auch im Rheinland, beispielsweise im Hürther Bogen, auf der Luxemburger Straße zwischen Hürth und Brühl, auf der Bachemer Straße am Decksteiner Weiher.

Im Kreis Euskirchen an der Steinbachtalsperre und in Rinnen bei Kall. Gleiches gilt für den Kermeter im Nationalpark Eifel und für das Naafbachtal, das zu Lohmar gehört. Dort müssen die Einwohner aus Ingersaul am Talgrund ein Stück den Berg hinaufgehen, um telefonieren zu können. Kein Handyempfang heißt es auch in der Wahner Heide und im Hennefer Ortsteil Dahlhausen, so die Recherchen der Lokal-Redaktionen des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Funkloch-App soll Problemorte aufdecken

Problem erkannt, Problem gebannt? Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will es jetzt mit einem nationalen Mobilfunkgipfel lösen. Der Zustand des Netzes sei „für eine Wirtschaftsnation untragbar“. Seine Idee: Zusammen mit der Bundesnetzagentur will er eine Funkloch-App entwickeln, die nach dem Staumelder-Prinzip funktionieren soll.

Das sind nur wenige der Funklöcher in der Region.

Das sind nur wenige der Funklöcher in der Region.

Über die App sollen die Bürger melden, wenn sie in ein Funkloch geraten. So könne „die Jagd auf die weißen Flecken im Mobilfunknetz“ eröffnet werden. Auf dieser Grundlage könne die Regierung mit den Mobilfunkanbietern darüber sprechen, wo weitere Sendemasten aufgestellt werden müssten.

Scheuer steht unter Druck. Er muss einlösen, was sein Amtsvorgänger Alexander Dobrindt (CSU) schon vor drei Jahren bei der Versteigerung von Mobilfunk-Lizenzen an die Branchenriesen Telekom, Vodafone und Telefónica versprochen hatte. „Klar ist: 2018 sind dann auch alle lästigen Funklöcher in Deutschland geschlossen“, sagte Dobrindt damals. Passiert ist bisher zu wenig.

Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Mobilfunk-Ausbau.

Wann werden die nächsten Frequenzen angeboten?

Die UMTS-Frequenzen sind noch bis zum 31. Dezember 2020 vergeben. Dann werden sie neu ausgeschrieben. Deshalb ist es laut Bundesnetzagentur für die Netzbetreiber wegen der kurzen Restlaufzeit bei den UMTS-Frequenzen uninteressant, deutschlandweit Mobilfunk anzubieten. An welche Bedingungen die neue Vergabe geknüpft wird, steht noch nicht fest.

Im Januar 2015 wurden weitere Frequenzen ausgeschrieben, oder?

Das stimmt. Sie wurden Anfang Januar 2017 an die Telekom, Vodafone und die Gesellschaft Telefónica zugeteilt.

Mit welchen Auflagen?

Die Anbieter sind verpflichtet, bis zum 1. Januar 2020 rund 98 Prozent aller Haushalte im Bundesgebiet zu versorgen. Entlang der Hauptverkehrswege muss es eine Vollversorgung geben. Das gilt für jeden Mobilfunkbetreiber und das jeweilige Netz.

Wie war das vorher geregelt?

Die Vergabe der UMTS-Lizenzen erfolgte ohne Auflage. Eine weitere Vergabe von Lizenzen im Jahr 2010 war an die Bedingung geknüpft, dass die Betreiber sogenannte „weiße Flecken“, also Gebiete mit Funklöchern, zuerst versorgen mussten und erst danach in die Ballungsräume gehen durften. Die damalige NRW-Landesregierung hat im Vergleich zu anderen Bundesländern weniger „weiße Flecken“ auf der Mobilfunk-Landkarte gemeldet. Deshalb hinkte NRW damals im bundesweiten Vergleich hinterher. Inzwischen schätzt man die Mobilfunkversorgung im Vergleich zu anderen Ländern als „sehr leistungsfähig“ ein.

Welche technischen Standards müssen die Mobilfunkanbieter erfüllen?

Bei der Vergabe der Frequenzen macht die Bundesnetzagentur keine Vorgaben.

Was sagt die NRW-Landesregierung?

„Um die Funklöcher in Nordrhein-Westfalen, besonders in den peripheren Lagen um die Ballungszentren herum sowie an Autobahnen und an Bahnlinien zu schließen, sind wir mit den drei großen Mobilfunkanbietern in intensiven Gesprächen“, sagt NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart.

„Wir arbeiten an konkreten Lösungen auf die wir uns mit den Netzbetreibern noch im Frühjahr verständigen werden.“ Das NRW-Digitalministerium werde in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur „verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, damit die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen eine bessere Mobilfunkqualität erhalten“.

Kann die Bundesnetzagentur die Funklöcher in Deutschland und in NRW benennen?

Nein. Sie geht anders vor. Wenn die vorgegebene Versorgungsdichte an einer Messstelle in einem Postleitzahlen-Bezirk erreicht ist, wird von der Bundesnetzagentur nicht weiter gemessen. Funklöcher können auch in generell gut versorgten Gebieten bestehen. Zum Beispiel im Schatten von Hochhäusern.

Was können Telefonkunden tun?

Auf dem Internetportal breitbandversorgung.de können sie die konkrete Leistungsfähigkeit ihres Netzes am jeweiligen Tag überprüfen und mit den vertraglich vereinbarten Geschwindigkeiten des Anbieters vergleichen. Die Bundesnetzagentur veröffentlicht diese Daten, wenn für einen Bereich vier Messergebnisse von vier Anschlüssen vorliegen. Diese Datenbasis könnte zur Grundlage eines Funkloch-Katasters werden.

Was hält die Bundesnetzagentur von der Funkloch-App?

Sie hält es für möglich, dass man die Datenbasis als Grundlage nimmt und durch die Ergebnisse aus der Funkloch-App ergänzt. Auf dieser Basis könnte man dann mit den Mobilfunkanbietern über den Netzausbau reden.

Hotels ohne WLAN machen die Internetlosigkeit zum Geschäftskonzept

Wer sein Smartphone nicht einfach beiseite legen kann, wird in WLAN-losen Hotels dazu gezwungen. Manche dieser Anbieter machen aus ihrer Not eine Tugend – sie liegen komplett im Funkloch. Oder haben keinen entsprechenden Breitband-Anschluss. Seit 2012 gibt es den Begriff des „Digital Detox“ der (wörtlich übersetzt) digitalen Entgiftung, schlicht: des Handy-Fastens. Einige Hotels in Funklöchern werben auch damit, dass sie „elektrosmog-frei“ sind – und verzichten bewusst auf ergänzendes WLAN.

In der Steiermark in Österreich werben mehr als ein Dutzend Hotels mit ihrer Netzlosigkeit. Sie wollen den gestressten Gästen den ewigen Blick auf das Smartphone technisch unmöglich machen – auf deren Wunsch. Diese Hotels stellen die Funklöcher für ihre Gäste allerdings absichtlich her.

In Berghütten oder Pensionen im Hunsrück, auf der Schwäbischen Alb oder in beispielsweise Brandenburg bei Templin (dem Wohnort der Kanzlerin) müssen künstliche Funklöcher gar nicht erst geschaffen werden, dort sind sie noch echt.

Große WLAN-freie Zonen findet man in Havanna (Kuba), wo nur zwei Prozent der Hotels entsprechend technisch ausgerüstet sind. Selbst in Shanghai ist es nur jedes vierte Hotel. (bce)

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