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DrogenprozessRiesige Cannabis-Plantage auf Burscheider Bauernhof

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Saal im Behelfsbau des Kölner Landgerichts

Im Behelfsbau des Kölner Landgerichts hat am Mittwoch der Drogenprozess gegen vier Personen aus Burscheid begonnen.

Die Staatsanwaltschaft sieht zwei Pärchen als Drogendealer an. Vor Gericht entsteht eher der Eindruck einer Kiffer-WG.

Die Gegend zwischen Kämersheide und Repinghofen ist idyllisch und abgelegen. Das machten sich zwei Paare irgendwann zu Nutze: Am ererbten Bauernhof legten sie eine große Cannabis-Plantage an. Die Ermittler glauben, dass sie mindestens zweieinhalb Jahre in Betrieb war und erhebliche Erträge abwarf: rund 65 Kilogramm im Jahr.

Als Polizisten Mitte September 2023 das abgelegene Gehöft durchsuchten, fanden sie unter anderem 76 Cannabis-Pflanzen in voller Blüte, außerdem 88 Setzlinge. Die frühzeitige Ernte durch die Ordnungshüter war die Grundlage für eine Hochrechnung: 2023 hätte die Plantage rund 32 Kilogramm abgeworfen. Die beiden Jahre davor sollen doppelt so ertragreich gewesen sein. Das ergibt auch in Geld ein hübsches Sümmchen. Den Verkaufspreis taxierten die Ermittler auf 4350 Euro pro Kilo.

Bargeld, Waffen, Dealerbedarf

Dass sie bei einem der Männer knapp 20.000 Euro Bargeld fanden, stützt die These vom einträglichen Geschäft und bildet auch die Grundlage für eine Geldforderung an die vier Angeklagten: 283.000 Euro. Mit Blick auf die vier Betreiber ist vom bandenmäßigen Drogenhandel die Rede. Dass auf dem Hof neben kiloweise Marihuana, Dünger und sonstigem Dealerbedarf diverse Luftgewehre, Schreckschuss-Pistolen, Messer und ein Golfschläger gefunden wurden, macht es für die beiden Männer und die beiden Frauen nicht leichter im Prozess vor der 1. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts.

Den konnte der Vorsitzende Richter Achim Hengstenberg am Mittwoch erst mit gehöriger Verspätung eröffnen: Zwar war das Gericht mit seinen Schöffen vollzählig, auch die vier Angeklagten und ihre Verteidiger waren pünktlich da, außerdem eine Psychologin, die den mutmaßlichen Haupttäter noch begutachten soll. Es fehlte aber ein Vertreter der Staatsanwaltschaft. Es stellte sich heraus, dass die Anklagebehörde keine Kenntnis vom Prozessauftakt hatte. Eine gute Stunde später war aber auch dieses Problem gelöst, die Anklage konnte verlesen werden. Sie lässt die vier Angeklagten, die zwischen 27 und 44 Jahre alt sind, nicht gut aussehen.

Alle hatten ziemliche Probleme

Aber der Eindruck, den die beiden Paare am Mittwoch vor Gericht machen, ist ein anderer: Da scheint eine Kiffer-WG auf der Anklagebank zu sitzen, die aus purer Not in den Anbau von Cannabis eingestiegen ist. Alle hatten mehr oder weniger große, zum Teil psychische Probleme – und mit dem Geld verdienen hat es sonst auch nicht recht geklappt.

Ziemlich schnell wird auch die Rollenverteilung klar: Der 44-jährige Erbe des Hofs soll derjenige gewesen sein, der alles angezettelt hat. Michael E. (alle Namen geändert) will allerdings auch erst 2022 Versuche gestartet haben, Cannabis anzubauen. Der Mann hatte offenkundig tatsächlich eine schwere Kindheit: Die Mutter trank und war bis zu ihrem Tod vor sechs Jahren pflegebedürftig, der Vater war ein Tyrann und starb noch früher: Michael war neun, als er ihn tot im Bett fand. Einen Knecht, der ihm als Kind zu nahe gekommen war, habe er eines Tages ebenfalls tot aufgefunden. Der Mann hatte sich an einem Zaun erhängt.

Bis zu zehn Gramm am Tag

Mit 16, sagt er, habe er das Kiffen angefangen. Einen Schulabschluss hat er nicht, ebenso wenig eine Ausbildung. Über die Jahre habe sich sein Drogenkonsum immer weiter gesteigert. Zum Schluss habe er „so zehn Gramm Cannabis am Tag“ konsumiert. Immerhin: Kokain, Amphetamine oder andere härtere Drogen habe er „nie“ angerührt. Der Polizeieinsatz und die Ermittlungen, so der Angeklagte, hätten sein Leben inzwischen verändert. Seit acht Monaten nehme er keine Drogen mehr; seit zwei Monaten habe er auch einen festen Job in Lützenkirchen.

Mit Cannabis fühl' ich mich besser
Einer der Angeklagten

Sein Halbbruder Sascha macht einen noch schlechteren Eindruck. Im Saal sitzt ein 31 Jahre alter, sehr bleicher Mann. Er leidet unter dem Asperger-Syndrom und weiteren psychischen Störungen. Auch er habe mit 15, 16 Jahren das Kiffern angefangen, der Konsum habe sich bis auf fünf Gramm am Tag gesteigert. Zuvor habe er Ritalin bekommen, „mit Cannabis fühl' ich mich besser.“

Sein leiblicher Vater – soweit bestätigt er seinen älteren Halbbruder – hatte ein Alkoholproblem. Nach der Grundschule in Burscheid wechselte Sascha auf zwei Förderschulen im Oberbergischen, musste ins Heim. Eine Ausbildung hat er nicht gemacht, gearbeitet hat er noch nie. Seit elf Jahren führt er eine Beziehung mit der dritten Angeklagten.

Nachschubprobleme gab es nie

Wilma U. verlor ihren Vater, als sie 14 war, wuchs weitgehend bei ihrer Oma auf. Einen Hauptschulabschluss hat sie gemacht, eine Ausbildung nicht. „Du musst nicht arbeiten“ – das habe sie von Mutter und Großmutter gehört. Erst in diesem Spätsommer sei das anders geworden: Das Jobcenter habe ihr einen Halbtagsjob in der Wäscherei eines Altenzentrums vermittelt. Daraus soll im kommenden März eine reguläre Beschäftigung werden.

Auch sie habe ziemlich heftig gekifft, sagt sie: bis zu fünf Gramm am Tag. Das sei auch kein Problem gewesen auf dem Burscheider Hof: „Es war ja immer genug da. Man konnte sich bedienen.“ Mit Drogenhandel, das sagt auch sie, habe sie nichts zu tun. Und sich auch keinen Kopf darüber gemacht, dass die enormen Mengen mehr waren, als man konsumieren kann.

Die Älteste im Bunde, Daniela H., hat einen ziemlich normalen Lebenslauf. Die 44-Jährige hat ein Realschulabschluss und als medizinische Fachangestellte gearbeitet. In den letzten zehn, zwölf Jahren ist es für sie allerdings nicht gut gelaufen, sagt sie. Sie sei depressiv gewesen, habe Tabletten genommen. Eine regelrechte Psychotherapie habe sie allerdings nicht gemacht. Aber irgendwann ebenfalls viel gekifft. Zuletzt sechs bis zehn Joints am Tag.

Vor acht Monaten habe sie mit ihrem Verlobten Michael E. eine Kehrtwende gemacht. Auch sie sei jetzt „komplett clean“. Nach dem Polizeieinsatz auf dem Hof habe sie eine Stelle im Altenheim angetreten. „Der Job hat mir wesentlich geholfen.“ Das sieht nach einer guten Sozialprognose aus und könnte im weiteren Verlauf des Prozesses noch wichtig werden. Er wird nächste Woche fortgesetzt.