GesundheitÄrzte machen gegen Neuregelung mobil

Drei der Leichlinger Ärzte, die gegen die Reform sind: (v. l.) Susanne Moschiri-Bischoff, Hartmut Jürgensen, Thomas Künzel.
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Leichlingen/Burscheid – Den meisten Patienten schwant wahrscheinlich noch gar nicht, was da ab 1. Oktober auf sie zukommt, wenn sie plötzlich krank werden. Sie werden sich erst dann wundern, wenn sie im Winter abends oder am Sonntag bis nach Wermelskirchen fahren müssen, wenn sie in Not sind. Aber unter den Ärzten sorgt die angekündigte Reform der Notdienste im Rheinisch-Bergischen Kreis schon mächtig für Ärger. Dass die Bereitschaftsdienste nachts und an Wochenenden künftig nicht mehr ortsnah geleistet, sondern unter allen 75 Praxen in Leichlingen, Burscheid und Wermelskirchen verteilt werden sollen, stößt bei vielen niedergelassenen Medizinern auf Verstimmung.
Sieben von 23 Kolleginnen und Kollegen aus Leichlingen haben die Initiative ergriffen und protestieren. Sie wollen vor allem den von Bürgermeister Ernst Müller erhobenen Vorwurf, sie würden ihre Patienten im Stich lassen und sich um Bereitschaftsdienste drücken, keinesfalls auf sich sitzen lassen. Denn sie seien von der Regelung genau so überrumpelt worden und nicht damit einverstanden. Wie berichtet, haben die Kassenärztliche Vereinigung und die Ärztekammer Nordrhein die drei Städte im Nordkreis zu einem größeren Notdienstbezirk zusammengefasst. Das führt dazu, dass der einzelne Arzt nicht mehr zwei Dutzend Dienste im Jahr leisten muss, sondern nur noch fünf bis sechs. Erkauft wird diese Entlastung dadurch, dass Patienten (zur Fahrt in die Praxis) und Ärzte (bei Hausbesuchen) lange Wege zurücklegen müssen.
Die Ärztekammer Rhein-Berg wehrt sich gegen die Kritik aus Leichlingen an der Neuordnung des ärztlichen Notdienstes im Nordkreis. In einem Schreiben an Bürgermeister Ernst Müller weist die Vorsitzende der Kreisstelle der Ärztekammer Rhein-Berg, die Burscheider Ärztin Barbara vom Stein, die Vorwürfe Müllers weit von sich. Wie berichtet, hat Müller kritisiert, dass es für die Leichlinger Bürger unzumutbar sei, die ärztlichen Notdienste für Leichlingen, Wermelskirchen und Burscheid zusammenzufassen.
Barbara vom Stein stört sich insbesondere an Müllers Vorwurf, dass „Patienten im Stich gelassen werden“. Das sei eine „populistische“ und „unverschämte“ Behauptung, die nicht zutreffe. In ihrem Antwortschreiben von gestern führt sie aus, es sei zwar unbestritten, dass die Wege für Bürger und Ärzte länger werden. Als Alternative stünden Patienten die Kassenärztlichen Notfallambulanzen im Rheinisch-Bergischen Kreis sowie in Leverkusen, Solingen und Remscheid zur Verfügung: „Der Vorteil liegt hier in der direkten Möglichkeit der Inanspruchnahme unter Umgehung der Arztrufzentrale in Duisburg, die über die häufig besetzte Telefonnummer 116 117 zu erreichen ist.“ Ebenso erteilte sie der Sorge des Bürgermeisters um nicht transportfähige Patienten eine Abfuhr: „Hierfür steht nach wie vor der ärztliche Fahrdienst zur Verfügung, der Hausbesuche durchführt.“
Die Entscheidung der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung zur Neuordnung gelte der dauerhaften Sicherung der ärztlichen Versorgung in den Kleinstädten und auf dem Lande: „Es ist dringend notwendig, den Arztberuf attraktiver zu machen – auch durch die Reduzierung der Bereitschaftsdienste“, wiederholt vom Stein ihre Argumente. Dass Ernst Müller die Anzahl der derzeit zu leistenden Bereitschaftsdienste für zumutbar halte, entspräche nicht der Realität: „Unter diesen Bedingungen verzichten jüngere Kollegen auf die Gründung oder Übernahme einer Praxis in ländlichen Regionen.“ (tim)
Die Burscheider Ärztin Barbara vom Stein hatte die Neuregelung in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende der Ärztekammer Rhein-Berg Anfang August verkündet. Und damit begründet, dass die Ärzte im ländlichen Raum so überlastet seien, dass Nachwuchsmangel drohe, weil sich junge Kollegen hier nicht mehr gerne niederlassen wollen. Leichlingens Bürgermeister hatte postwendend darauf reagiert und gegen die Service-Verschlechterung protestiert (siehe auch „Barbara vom Stein wirft Bürgermeister Müller Populismus vor“). Die Leichlinger Ärzte-Initiative schließt sich Müllers Kritik, was das neue System betrifft, prinzipiell an und wendet sich damit gegen den Kurs ihrer Stände-Organisation. Gestern traten Dr. Hartmut Jürgensen und seine Kollegen Susanne Moschiri-Bischoff, Stephan Krinke, Simone Bodenhausen, Thomas Künzel, Ulrike Botzen und Ursula Kühn mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit.
Auch sie befürchten, dass (vor allem ältere) Patienten die Leidtragenden sein werden, wenn sie demnächst in der Warteschleife der Notruf-Zentrale mit der Nummer 116 117 in Duisburg landen. Aber sie wehren sich gleichzeitig gegen Müllers „populistischen“ Vorwurf, die Ärzte seien zu bequem, sich um ihre Patienten zu kümmern. Sie wollen das seit 20 Jahren bewährte Leichlinger Konzept schließlich am liebsten beibehalten, obwohl es ihnen mehr Bereitschaftstage beschert. In Leichlingen führt die von den Ärzten selbst finanzierte Sammelnummer 0180 / 535 42 62 direkt zur diensthabenden Praxis. Gesundheitspolitiker seien dafür verantwortlich, dass diese gut funktionierende lokale Patientenversorgung ohne Not und ohne Rücksprache mit den beteiligten Ärzten zerschlagen werde: „Wie sollen wir zeitnah helfen können, wenn wir von Leichlingen nach Dabringhausen fahren müssen, gleichzeitig ein Anruf aus Nesselrath kommt und ein Altenheim in Burscheid anruft?“, schildert Jürgensen die Praxis. Die Folge werde sein, dass Patienten vermehrt zum Krankenhaus fahren oder den Notarzt alarmieren: „Das System wird so unsinnig, die Kosten werden steigen.“ Vom Steins Argument, die Ärzte selbst wollten eine Änderung, weil sie überlastet seien, treffe für Leichlingen nicht zu.