Grill-Meister Leichlingen2021 kam der schwere Schlag – dann noch einer und noch einer

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Grill-Meister-Chefin Andrea Wüstefeld, ihr engster Mitarbeiter Ananthy und ihr Team haben dafür gesorgt, dass das Schnellrestaurant in der Leichlinger Brückenstraße nach vollständiger Überflutung binnen weniger Tage wieder öffnen konnte.

Leichlingen – In ihrem Schnell-Restaurant trifft sich ganz Leichlingen. Hier essen mittags Schülerinnen und Schüler genauso wie ihre Lehrkräfte, werden die Banker der benachbarten Sparkasse satt, versorgt sich die Stadtverwaltung zur Mittagspause, stärken sich Handwerker verschiedener Gewerke und haben Rentner ihren Stammplatz beim Lieblingsessen. So 300 bis 400 Gäste hat sie geschätzt am Tag – und sieben Tage die Woche von 11 bis 22 Uhr geöffnet. Der „Grill-Meister“ von Andrea Wüstefeld an der Marly-Brücke in der Brückenstraße ist eine Institution in der Blütenstadt, ist so etwas wie Leichlingens großes Esszimmer. Doch das Lokal der Leverkusenerin hat es in diesem Jahr extrem schwer getroffen.

Als Andrea Wüstefeld den von ihrem Vater gegründeten Betrieb Anfang 1990 übernahm, wollte sie das nur vorübergehend machen. „Maximal fünf Jahre. Ich wusste ja, was das für ein Job ist“, erzählt sie heute im Rückblick. Sie wusste es von ihren Eltern.

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Das Schnellrestaurant an der Leichlinger Marly-Brücke gilt als das Leichlinger Esszimmer.

Ihr Vater hatte in Alkenrath das „Futterstübchen“ sowie zwischenzeitlich die „Pfeffermühle“ und später den ersten „Grill-Meister“ betrieben, dem ein weiterer an der Otto-Grimm-Straße in Wiesdorf (heute Pfarrer-Schmitz-Straße) folgte und schließlich der Leichlinger Ableger. Gehobene Küche auf die Schnelle, mit Selbstbedienung oder zum Mitnehmen, ein möglichst breites Angebot von der Currywurst bis zum Hüftsteak, von der Pizza bis zum Flammkuchen, Salatvielfalt und saisonale Angebote wie Schweinshaxen, Muscheln oder zur Winterzeit gern Gänsekeulen.

Der Laden brummte und tut es noch heute. „Wir haben an 362 Tagen im Jahr geöffnet“, versichert Wüstefeld, die es als ausgebildete Anwaltsgehilfin dann ganz ungeplant doch in die Gastronomie verschlagen hat. Dass da nicht mit viel Freizeit zu rechnen ist, hat sie immer gewusst. Dennoch ist sie dabeigeblieben, weil es sie gepackt hatte, weil sie die Herausforderungen stemmen wollte.

Doch 2021 kam ein schwerer Schlag. Und dann noch einer. Und noch einer.

Erst einmal die Corona-Pandemie, die die ganze Branche hart getroffen hat. Zunächst ging die Besucherfrequenz zurück und die Umsätze brachen ein. Als dann im Mai eine Ansteckung in ihrem Team hinzukam und die Mitarbeitenden in Quarantäne mussten, führte an einer Betriebsschließung kein Weg mehr vorbei.

Vorsichtig ging es danach zurück ins Geschäft, zunächst nur mit Außer-Haus-Verkauf für Abholer. Allmählich wurde es wieder mehr, im Sommer waren die Tische draußen wieder belebt. Es ging aufwärts. Dann kam der 14. Juli. Dann kam der Regen, kam die Wupper.

„Wir haben erst gar nichts mitgekriegt“, erinnert sich Andrea Wüstefeld. „Wir waren voll in der Arbeit und bekamen nur irgendwann beim Blick aus dem Fenster mit, dass der Pegel der Wupper immer weiter stieg. Das hörte nicht mehr auf.“ Da wurde es ihr doch mulmig. Irgendwann schwappte das Wasser über die Fahrbahn der Marly-Brücke und in ihren Keller. Nun war klar: Es würde übel enden. Die Hauptflutwelle in der Nacht besorgte den Rest.

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Alles musste raus an Einrichtung, nachdem des Schnellrestaurant am Wupperufer Mitte Juli überflutet worden war. 

Ihr Schnellrestaurant war am nächsten Tag nicht wiederzuerkennen. Der Keller war überflutet worden, einen Meter hoch stand das schlammige Wasser darüber im Gastraum. „Wir konnten zunächst nichts tun. Es war schrecklich, das zu sehen.“

Erst als das Wasser zurückging, wurde der wahre Schaden sichtbar: Alle Kühleinrichtungen zerstört, dazu ein Großteil der Küche, die Heizanlage, die Einrichtung im Gastraum. „Überall stand der Schlamm, der Dreck hing in den Polstern, das Holz moderte, Gas und Elektrik waren ausgefallen. Und es roch immer schlimmer.“

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Malermeister Ralf Marczinski. Lebensgefährte von Inhaberin Andrea Wüstefeld, legte selbst Hand an zur Wiederherstellung des Restaurants und holte viele Handwerkerkollegen zu Hilfe. 

Doch Aufgeben gibt es bei Andrea Wüstefeld nicht. „Da muss man anpacken, nicht lange jammern oder planen, sondern einfach anfangen!“ Ihr Lebensgefährte, der Malermeister Ralf Marczinski, „mein Held“, fackelte ebenfalls nicht lange, sondern langte selbst beim Aufräumen zu und alarmierte dann zügig seine Handwerkerkollegen aller möglichen Gewerke. „Wir haben ganz, ganz früh bestellt und bekamen sehr früh Hilfe“, berichtet Wüstefeld.

Zuvor aber musste leergeräumt werden, der Schlamm musste raus, die defekten Geräte, die zerstörte Einrichtung. „Mein ganzes Team hat mit angepackt, rund um die Uhr, bis zur totalen Erschöpfung, immer weiter.“ Nicht nur die Beschäftigten ihres internationalen 18-köpfigen Mitarbeiterteams, auch deren Freunde und Angehörige packten mit an. „Wir sind wie eine Familie. Dieses Multi-Kulti-Team ist dermaßen zusammengewachsen! So ein Team muss man sich erst einmal erarbeiten“, sagt Wüstefeld etwas gerührt vor Dankbarkeit.

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Stärkungspause der Helfenden bei der Aufräumaktion nach der Flut im Juli.

Und während drinnen gearbeitet wurde, kamen draußen auf der Brückenstraße schon wieder Würstchen auf den Grill, wurden die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk und viele andere Helfer nach der Flut mit den Vorräten verköstigt, die sonst nach Ausfall der Kühlschränke in kurzer Zeit verrottet wären.

Danach konnten zum Glück einige Handwerker schnell helfen, andere ließen – angesichts des Ausmaßes der Katastrophe, aber auch wegen Materialmangels – auf sich warten. Wüstefelds Partner und ihr Vater legten selbst Hand an. „Alle langen Bänke, die sie hier rundum im Lokal sehen, haben die Beiden in zwei Tagen selbst gezimmert.“

Und auch das Küchenteam legte wieder los. „Gleich nach dem zweiten Tag haben wir wieder angefangen. Da es kein Gas in der Küche gab, mussten wir improvisieren. Dann kam das Hähnchen eben in die Pfanne statt in den Grill. Nach und nach ging dann immer mehr.“

In Rekordtempo war der „Grill-Meister“ wieder in Betrieb – und versorgte viele Nachbarn, die sich nach der Flut erst einmal nicht mehr selber versorgen konnten. Inzwischen wird wieder die komplette Speisekarte abgeliefert, mit den saisonalen Extras obendrauf. „Nur dass es in diesem Jahr extrem schwierig ist, an Gänsefleisch zu kommen“, erklärt Wüstefeld. „Unsere gewohnten Lieferanten konnten nicht leisten. Also bin ich einem Mitarbeiter losgefahren und wir haben bei Vollsortimentern und Discountern gekauft, was wir nur kriegen konnten.“ Schließlich wollte sie ihre Stammkunden auch in diesem Winter nicht enttäuschen. Gänsekeule muss.

Dann kam der Sonntagabend Ende November. Wüstefeld selbst stand hinter der Theke, alle sechs Beschäftigten in der Schicht rotierten und bekamen nicht mehr, dass sich unbekannte Täter unbemerkt ins Büro im ersten Stock geschlichen hatten, dort alles durchwühlten und schließlich einen Tresor mit einem fünfstelligen Betrag an Bargeld mitgehen ließen. Die Polizei konnte nur noch Spuren sichern und einen Zeugenaufruf starten.

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Ein weiterer Schlag für Andrea Wüstefeld in diesem Hammer-Jahr. „Die Weihnachtsfeier haben wir jetzt erst mal abgesagt. Holen wir Anfang des Jahres nach.“ In jedem Fall, denn ihr tatkräftiges Team hat schließlich allen Anteil daran, dass der Betrieb so schnell wieder auf die Beine gekommen ist, auch wenn keine Elementar-Versicherung die Kosten trug.

Und sie sucht weitere Leute, die in ihrem bunt gemischten Team mit Leuten aus allen Teilen der Welt mitmischen wollen. Damit Leichlingens Esszimmer weiter belebt bleibt. Egal was kommt.

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