Musikschule LeichlingenDozenten finden mit ihren Forderungen Gehör

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Dozentinnen und Dozenten der Leichlinger Musikschule bei ihrer Protestaktion am Samstag auf dem Marktplatz.

Dozentinnen und Dozenten der Leichlinger Musikschule bei ihrer Protestaktion am Samstag auf dem Marktplatz.

Leichlingen – Erst am vergangenen Samstag haben sie im Rahmen einer landesweiten Protest-Kampagne der Gewerkschaft Verdi auf dem Marktplatz demonstriert und auf ihre prekäre Lage aufmerksam gemacht. Drei Tage später scheint die seit Jahren bekannte Not der freiberuflichen Musikschul-Dozenten in Leichlingen bereits Gehör zu finden und können die Honorarkräfte ein bisschen Hoffnung auf bessere Beschäftigungsverhältnisse schöpfen.

Bei der Vorstellung des Jahresberichtes der städtischen Musikschule machte deren Leiter Andreas Genschel am Dienstagabend im Ausschuss für Bildung unmissverständlich deutlich, dass es mit der Unterbezahlung und fehlenden sozialen Absicherung seiner Kolleginnen und Kollegen so nicht länger weitergehen könne. Am Morgen danach legte die SPD-Fraktion den Antrag vor, dass die Verwaltung ein Konzept für Festanstellungen entwickeln soll.

Wer kann, kündigt

„Musiker sind genügsame Menschen, aber die Zeiten ändern sich“, erklärte sich Genschel solidarisch mit den Forderungen seiner Dozenten: „Leichlingen geht mit der Personalressource der Musikschule schlecht um, es besteht dringender Handlungsbedarf“, warnte er vor einem Ausbluten des Kollegiums und einem Verlust an Unterrichtsqualität, wenn erfahrene Lehrer kündigen und in besser bezahlte Tätigkeiten wechseln.

Die SPD möchte die Umwandlung der Dozentenstellen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge. „Die Corona-Krise hat die Situation der freiberuflichen Künstlerinnen und Künstler sehr verschlechtert“, argumentieren Ratsherr Wolfgang Legrand und die Vorsitzende des Bildungs-Ausschusses, Roswitha Süßelbeck. Für die Leichlinger Musikschule, die stets ausschließlich mit freiberuflichen Kräften gearbeitet habe, sei die Situation ernst. Aktuell gibt es 43 freie Mitarbeiter, festangestellt sind nur Genschel und seine Stellvertreterin.

Bilanz 2019

1678 Personen haben 2019 ein Angebot der Leichlinger Musikschule genutzt (Vorjahr: 1624). Pro Woche wurden von 46 Lehrkräften durchschnittlich 321 Unterrichtsstunden erteilt, insgesamt 12 502 (14 350).

Beliebteste Instrumente waren Gitarre (100 Schüler), Klavier (97), Saxophon und Blockflöte (jeweils 41), Schlagzeug (39) und Violine (35).

Die meisten Teilnehmer hatten aber die Eltern-Kind-Gruppen (194), die Tanzensembles (133) und die Musikalische Früherziehung (100). An der „Singenden Grundschule“ nahmen wöchentlich 480 Kinder teil. (hgb)

Festanstellungen würden die Stadt zwar Geld kosten und das Ziel eines 2024 ausgeglichenen Haushalts stören. Aber die Verwaltung wird in dem Antrag aufgefordert, ein Konzept für sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu erstellen, das finanzielle Auswirkungen und Synergieeffekte aufzeigt.

Wie viele Stellen nötig wären, ist offen. Genschel sagte, dass gar nicht alle Dozenten Festanstellungen wünschten, sondern manche auch Freiraum für andere Engagements haben wollten. Fünf Vollzeitstellen wären schon gut, elf würden rechnerisch den kompletten Unterricht abdecken, aber nicht alle Fächer.

2019 hat der Rat für 2020 eine Erhöhung der Honorare um fünf Prozent beschlossen. Ob es 2021 weitere fünf Prozent gibt, ist fraglich. Das würde 16 000 Euro kosten und könnte, wenn man den Zuschuss nicht erhöht, nur durch Gebührenerhöhungen oder Kürzungen bei Schul- und Kitaprojekten ausgeglichen werden, was niemand wünscht.

Umzug in den Sinneswald

Immerhin gibt es jetzt mehr Geld vom Land: Auf zehn Millionen Euro wurden die jährlichen Zuschüsse aufgestockt; nach Berechnungen von Verdi bräuchte es jedoch knapp 24, um alle prekären Beschäftigungsverhältnisse in feste Stellen umzuwandeln. Die seit 20 Jahren in der Musikschule tätige Gesangslehrerin Irmelin Sloman beschreibt eindrücklich die Verheerungen in der Corona-Krise. Dass sie in den Sinneswald ausweichen konnte, sei aus Eigeninitiative geschehen. Das Aerosol-Problem beim Gesangsunterricht ist immer noch ein Hemmnis, bis heute kommt die Lehrerin nicht auf die eigentlich verabredeten Stunden. Die Folge: deutlich weniger Einkommen.

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Weithin unbekannt sei auch, dass freie Musikschullehrer kein Geld bekommen, wenn sie krank werden. Und so etwas wie Mutterschaftsurlaub auch nicht. Die Gebührenerhöhungen in der Leichlinger Musikschule seien ebenfalls nicht bei den Honorarkräften angekommen. Dabei sei ihre Arbeit so wichtig: Eine Schülerin jenseits der 80 habe sich nicht mehr nach draußen getraut und sei immer trübsinniger geworden, berichtet Sloman: „Ihr habe ich gesagt, sie soll jeden Tag eine Viertelstunde singen, das macht glücklich.“ So sei es gekommen.

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