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DiskussionDas halten Experten aus Leverkusen von einer möglichen Cannabis-Legalisierung

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann zündet einen Joint mit Medizinalcannabis an.

Deutschland diskutiert über eine Legalisierung von Cannabis.

Deutschland diskutiert über eine Legalisierung von Cannabis, wir haben uns bei Leverkusener Expertinnen und Experten dazu umgehört.

Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP in Berlin will in diesem Jahr noch Cannabis teilweise legalisieren. 25 Gramm sollen für den Eigenbedarf nach den Plänen der Bundesregierung straffrei bleiben. Bis zu drei Pflanzen soll jeder und jede zu Hause anbauen dürfen, zudem möchte der Staat die Abgabe über Vereine kontrollieren. In Modellregionen sollen dann Fachgeschäfte mit Lizenz Cannabis verkaufen dürfen. Unter anderem die Stadt Köln hatte Interesse daran signalisiert, eine solche Modellstadt zu werden.

Das NRW-Gesundheitsministerium hat sich jetzt grundsätzlich gegen ein solches Modellvorhaben ausgesprochen. Einmal wegen möglicher Hirnschäden bei Menschen bis 25 Jahren, außerdem kam bereits vom bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) der Einwand, dass diese Modellregionen nicht mit Völker- und Europarecht vereinbar seien.

Leverkusen: Apotheker ist skeptisch

Einer, der seit 2017 Cannabisarzneimittel ausgeben darf, ist Dr. Klaus Schaefer. Er betreibt eine Apotheke an der Pützdelle in Leverkusen und ist Pressesprecher des Apothekerverbandes Nordrhein. „Cannabis ist eine Einstiegsdroge, die man nicht verharmlosen sollte“, mahnt der Apotheker. Deshalb sei den Plänen der Bundesregierung über eher skeptisch.

„Ich bin gegen jede Art von Drogen“, sagt er. Er hält es für schwer nachzuhalten, wie eine Cannabisabgabe geregelt ablaufen solle. Er und anderen Apothekenkräfte geben Cannabismedikamente meist bei starken Schmerzen aus. Allerdings komme das gar nicht so häufig vor, zumindest nicht in seiner Apotheke: „Es sind weniger als gedacht und hält sich in Grenzen“, berichtet er aus seinem Alltag.

Deutlicher Widerspruch gegen eine Legalisierung von Cannabis kommt auch von der Ärztekammer Nordrhein, zu der auch Leverkusen gehört. Deren Präsident Rudolf Henke, CDU-Mitglied, sagt: „Bisherige Erkenntnisse, beispielsweise aus Kanada, weisen darauf hin, dass die mit der Legalisierung verbundenen Hoffnungen, den Jugendschutz zu verbessern und eine Reduktion von cannabisbezogenen Gesundheitseinschränkungen zu bewirken, nicht erreicht werden konnten.“

Wir lehnen die mit den Legalisierungsplänen verbundene steigende Verfügbarkeit von Cannabis ab, weil sie aus unserer Sicht eine relevante Gefährdung der psychischen Gesundheit der jungen Generation bedeutet.
Rüdiger Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein

Auch werde der Schwarzmarkt nicht eingedämmt, zitiert der Arzt den Internationalen Suchtstoffkontrollrat der Vereinten Nationen. Der Deutsche Ärztetag in Essen habe die Bundesregierung bereits aufgefordert, von den Legalisierungsplänen Abstand zu nehmen.

Es gebe bereits genug Probleme mit legalen Drogen wie Alkohol oder Zigaretten. Wie man dann „auf die Idee kommen kann, nun noch eine weitere Droge durch die Cannabislegalisierung hinzuzufügen und diese mit besserem Kinder- und Jugendschutz zu begründen, ist nicht nachvollziehbar“, wird Henke deutlich. Befürworter der Legalisierung argumentieren unter anderem damit, dass Prävention und Jugendschutz bei einer legalen Droge leichter zu meistern seien.

Rüdiger Henke argumentiert ähnlich wie das NRW-Gesundheitsministerium: „Wir lehnen die mit den Legalisierungsplänen verbundene steigende Verfügbarkeit von Cannabis ab, weil sie aus unserer Sicht eine relevante Gefährdung der psychischen Gesundheit der jungen Generation bedeutet.“

Leverkusen: Suchtberaterin ist anderer Meinung

Anders sieht das Nadja Robertson, Leiterin der Fachstelle für Suchtvorbeugung in Leverkusen: „Die Erfahrungen im Rahmen unserer Arbeit in Bezug auf den Konsum von Cannabis sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen zeigen, dass die derzeitige Gesetzeslage Menschen nicht davon abhält, Cannabis zu konsumieren.“ Vielmehr habe die Kriminalisierung für die psychosoziale Entwicklung der Konsumenten oft gravierende Folgen. Der Zugang zu professionellen Hilfen werde durch eine strafrechtliche Relevanz des Konsums erschwert und verzögert.

Und weiter: „Die geplante Entkriminalisierung bedeutet keine komplette Freigabe, ermöglicht jedoch einen geregelten und staatlich kontrollierten Umgang mit Cannabis.“ Wichtig bei einer möglichen Legalisierung sei, den Jugendschutz einzuhalten, wie es sich im Eckpunktepapier der Bundesregierung wiederfinde.

Außerdem könne die Aufklärung und Betreuung mit Jugendlichen, Eltern und anderen „realitätsnäher gestaltet werden“. Jugendliche seien nach ihrer Einschätzung leichter für die tatsächlichen Risiken des Cannabiskonsums zu sensibilisieren. Auch andere Partner in der Suchtvorbeugung, zum Beispiel Lehrkräfte, könnten sich dem Thema vorurteilsfreier widmen.

Die Fachstelle bietet jungen Menschen zwischen 13 und 23 Jahren, die riskant Cannabis konsumieren, Beratungen an, wie sie dazu eine verantwortungsvolle Haltung entwickeln können. 2022 haben 43 Menschen das Angebot angenommen. Menschen, die bereits abhängig sind, können ebenfalls beraten oder in Therapien vermittelt werden. 70 Männer und 20 Frauen ab 18 Jahren haben 2022 eine solche Einzelberatung in Anspruch genommen.


Zahlen für Leverkusen

Den Landesstatistikern von IT NRW nach sind im Jahr 2021 37 Menschen mit der Hauptdiagnose „Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide“ in die Leverkusener Krankenhäuser gekommen. Das sind 22,6 auf 100.000 Einwohner gerechnet. Der größte Teil, 25, waren zwischen 21 und 40 Jahren alt, neun unter 21 und drei 40 Jahre oder älter. Auffällig: 78,4 Prozent, in absoluten Zahlen 29 der 37, waren Männer.

Zum Vergleich: 2011 waren 28 Menschen mit dieser Hauptdiagnose in den Leverkusener Krankenhäusern, 23 waren zwischen 21 und 40 Jahren alt, keiner älter und fünf unter 21 Jahren. Der Männeranteil lag bei 82,1 Prozent.

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