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43. Leverkusener JazztageJazz-Diva Melody Gardot beschenkt reichlich und zauberhaft

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„C'est magnifique“: Melody Gardot bescherte den Jazztagen eine beeindruckende Rückkehr ins Forum.

Leverkusen – Ja, dieser eine Zuschauer im Terrassensaal hat durchaus recht, als er nach ein paar Sekunden dieses famosen Konzertes zum Nachbarn raunt: „Das klingt wie Tom Waits.“ Denn die das große Drama und die tiefe Melancholie anbahnenden, warmen Arrangements des Kontrabasses dort vorne gemahnen durchaus zumindest an die ruhigeren Momente in der Musik des kalifornischen Tausendsassas. Aber ansonsten ist das, was in den darauf folgenden gut zwei Stunden im Forum vor sich geht, alles andere als dem Waits'schen Universum entlehnt.

Melody Gardot: Die Diva lässt die Band warten

Dazu genügt es schon, dass Melody Gardot ihre Stimme erhebt. Wo Tom Waits beim Singen raukehlig kratzt und krawallt, ist sie das exakte Gegenteil. „Wayfaring Stranger“ streicht sie dem Publikum im ausverkauften Saal derart zart, warm und geschmeidig um die Ohren, dass man sich am liebsten einen Sessel schnappen, sich in ihm zurücklehnen und dabei ein schweres Glas langsam hin- und herschwappenden Likörs zum Takt der Musik in der Hand kreisen lassen möchte.

Melody Gardot selbst hatte so eines ja in der Hand gehalten, als sie auf die Bühne gekommen war. Und wie es einer Diva geziemt, hatte sie ihre Band zuvor ein paar Minuten im Aufgang zum Terrassensaal warten lassen. Jemand wie sie geht nunmal nicht einfach rauf auf die Bretter.

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Sarah McCoy eröffnete das Konzert für Melody Gardot - und tat das mit einem zutiefst ehrlichen, bewegenden Auftritt.

Nein. Jemand wie sie zelebriert jede Bewegung. Jeden Move. Jeden Augenblick. Und jemand wie sie darf das auch. Weil jemand wie Melody Gardot diejenigen, die ihr zuhören, denn auch mit Außergewöhnlichem beschenkt. Nichts an ihrem Auftritt hinter den obligatorischen Sonnenbrillengläsern ist normal, egal oder durchschnittlich. Selbst das mehr als bemerkenswerte Konzert der jungen Sarah McCoy zuvor, das in seiner tiefen Ehrlichkeit einer oftmals schon verletzten und darüber kathartisch singenden Frau berührte und in Momenten gar bestürzte, sticht sie dadurch aus. Was angesichts der sagenhaften Qualität Sarah McCoys alles andere als selbstverständlich ist.

Hommage an Ella Fitzgerald

„C'est magnifique“ haucht sie kurz darauf ins Mikrofon. Nicht nur ein banales Cover von, sondern bei ihr eine mit einer tiefen imaginären Verbeugung versehene Hommage an die Unerreichte ihrer Zunft: Ella Fitzgerald. Zugleich ein Songtitel, der so einiges über Melody Gardot aussagt: Denn sie ist ja selbst tatsächlich zauberhaft inmitten dieses Mixes aus Pop, Soul und Jazz, der manchmal – etwa beim Duett mit ihrem Pianisten Philippe Powell – zart in lateinamerikanische Gefilde abgleitet, ehe es mit „Morning Sun“ weitergeht. Einer kleinen und doch irgendwie epischen Hymne der Hoffnung und des Aufrichtens nach Zeiten wie zuletzt und angesichts von Zeiten wie den aktuellen: eine Pandemie, ein Krieg mehr, Leid überall.

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Ein famoses Duett: Melody Gardot und ihr Pianist Philippe Powell.

Und doch weiß Melody Gardot: „Hey, little baby. Don't you cry. We got that sunny morning waiting on us now.“ Die Sonne, sie kommt immer wieder durch, selbst wenn die Gewitterwolken noch so dicht sind. Ja: Bei Melody Gardot klingt sogar eine Zeile wie „There’s a light at the end of the tunnel“ nicht wie das abgedroschenste Klischee seit der Erfindung des Klischees überhaupt, sondern wie ein lyrischer, poetischer Schubser in die richtige Richtung: nach vorne. Lächeln. Haltung bewahren. Alles wird gut.

Am Ende auch ein Mensch

Und wenn die 37-Jährige dann auch noch von Erlebnissen im Studio oder Pariser Hotels berichtet – einige davon drehen sich um eine völlig neben sich stehende Sängerin in maximalen Jetlag-Nöten –, dann wissen die gebannt lauschenden 2000 im Saal zudem: Melody Gardot ist aller Zauberhaftigkeit zum Trotz auch ein Mensch wie wir. Gut zu wissen. Und gut, wenn ein Festival wie dieses nach drei Jahren der Unwägbarkeiten und Auflagen und Absagen und Verschiebungen und Ungewissheiten wieder ins vollkommen zu Recht ausverkaufte Forum zurückkehrt.