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Auftritt in OpladenWladimir Kaminers Mama kapiert gar nichts mehr

Lesezeit 2 Minuten
Wladimir Kaminer mit Zettel in der Hand an einem Tisch, auf dem ein Glas steht und ein Buch liegt.

Das „r“ rollt, der Autor schmunzelt, das Publikum lacht: Wladimir Kaminer gastierte im Scala-Club. 

Autor Wladimir Kaminer präsentiert im Opladener Scala sein aktuelles Buch und Programm „Wie sage ich es meiner Mutter“.

Er ist Autor. Er ist Kabarettist. Und jetzt ist er auch noch der Typ, der mit rollendem „r“ das Unmögliche schafft: dass die Menschen über die vermeintlich bösen Russen lachen. Und zwar ausschließlich im Guten. Wladimir Kaminers Mutter, von ihren Sohn beim Auftritt im Scala-Club sowie in seinem aktuellen Buch stets liebevoll „Mama“ genannt, sei Dank. Denn es ist ihre Sicht auf die Dinge, die im Mittelpunkt steht.

Weil Mama nicht mehr klarkommt mit der Geschwindigkeit, in der sich die Welt dort draußen vor ihrer Haustüre fortbewegt und dreht. Plötzlich hagelt es Kritik von den Enkelkindern, wenn sie die Fliegen in der Bude mit der elektrischen Fliegenklatsche grillen will. Sind doch Tiere. Lebende Wesen. Sind doch bio. Geht doch nicht. Und raus auf den Balkon, um eine zu rauchen, darf sie auch nicht: Da haben nämlich ein paar Amseln im Aschenbecher ihr Nest aufgeschlagen.

Abstrus und irre und ein Heidenspaß

Und dann ist da noch die Sache mit dem Gendern. Völlig abstrus. Klimaschutz und Flugreiseverbot und pipapo. Irre. Beziehungsweise irre zu viel für Mama, die doch eigentlich nur in Ruhe ihren Sonntagsbraten unter die Familie bringen und ein bisschen in diesem komischen Internet rumklicken, auf russischen Nachrichtenseiten surfen will – zugemüllt mit von zwielichtigen Algorithmen auf sie losgelassenen Gurkensalat-Koriander-Rezepten. Für Mama ist das alles zum Verzweifeln. Für alle anderen ist es ein Heidenspaß. 

Auch weil Wladimir Kaminer beim Erzählen und Lesen eben auf seine bewährte Stärke setzt: Er hat diesen trockenen Humor, mit dem er alles und jeden und am besten sich selbst und die Eigenarten seiner Landsleute aus Russland auf den liebevollen Klischee-Arm nimmt. Der Akzent, den der gebürtige Moskauer und jahrzehntelange Wahl-Berliner beim Sprechen an den Tag legt, tut sein Übriges. Wladimir Kaminer, einst mit der „Russendisko“ bekannt und Bestseller-Autor geworden, ist ein Meister des dezenten, kleinen und doch völlig abstrusen Alltagshumors.

Es wird zutiefst menschlich

Egal ob Mama und ihre Anpassungsprobleme an die Moderne, das komplizierte, weil hassliebende Verhältnis zwischen Russinnen und Russen auf der einen sowie Kasachinnen und Kasachen oder Amerikanerinnen und Amerikanern auf der anderen Seite, oder die – wie eben alle Vorurteile absolut lächerlichen – Vorurteile Moskaus gegenüber dem Rest der Welt: Bei Wladimir Kaminer wird alles auf eine zutiefst menschliche Ebene heruntergebrochen, die allem Witz zum Trotz vor allem eines schafft: Sie reißt Grenzen im Kopf ein. Vor Lachen. Danke, Mama.