Wieder vor ZuschauernBayer-04-Fans freuen sich riesig über die Rückkehr ins Stadion

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Lara Stolle und Zoe Stolle mussten im Stadion auf getrennten Plätzen sitzen. Egal!

  • Maske? Getrennte Plätze? Nur ein Unentschieden? Egal! Die Fans haben sich riesig gefreut, wieder ihre Werkself im Stadion zu erleben.
  • Unser Autor Frank Weiffen war mit dabei.

Leverkusen – Eigentlich ist es nur eine Zahl. 6042. Aber an diesem Samstag in dieser Stadt steht sie – verkündet von Stadionsprecher Tobias Ufer um kurz vor fünf Uhr nachmittags – symbolisch für viel mehr als nur eine Aneinanderreihung von vier Ziffern. An diesem Tag steht die 6042 für die Anzahl jener Fans, die wieder ein Fußballbundesligaspiel der Werkself im Stadion verfolgen dürfen. Zum ersten Mal seit dem 7. März, einem 4:0 gegen Eintracht Frankfurt.

Zum ersten Mal seit 204 Tagen. Zum ersten Mal, seitdem das Coronavirus plötzlich alles veränderte und den Volkssport Nummer eins in eine Reihe von Trauerveranstaltungen vor Nullkulisse verwandelte. Auch in Leverkusen.

Insofern ist es kein Wunder, wenn sich zwei junge Bayer-04-Fans wie Lara (21) und Zoe Stolle (17) vor der BayArena stehend derart amüsieren, dass ihr Grinsen sogar unter ihren Gesichtsmasken zu erkennen ist: „Ich hätte niemals gedacht, dass mir der Fußball so sehr fehlen könnte. Jetzt freue ich mich so sehr“, sagt Lara und hakt Zoe unter. Die Augen glänzen. Könnten Freudentränchen sein.

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Natürlich: Weil die unter den Dauerkarteninhabern verlosten Sitzplätze ob der Sicherheitsauflagen begrenzt sind und im ganzen Stadion verteilt liegen und weil Lara und Zoe es zudem versäumt haben, sich gemeinsam als unmittelbare Verwandte gemeinsam zu registrieren, sitzen die Leverkusener Schwestern während des Spieles getrennt voneinander. Lara in Block F3. Zoe in F4. „Wir werden uns nur von Weitem zuwinken können“, sagt Zoe vor dem Anpfiff. Indes: Hinterher soll das sowas von schnurzpiepegal sein. Dann wird sich das 1:1 gegen den Champions-League-Halbfinalisten Leipzig für die beiden Stolles wie ein Sieg anfühlen. Dann wird Lara sagen: „Es war ein wunderbares Erlebnis und ich bin froh, dass wir dabei sein konnten.“

Freude über die ganze Woche hindurch

Und da gehen sie absolut d’accord mit zig anderen wie etwa dem zehnjährigen Ben Jakobs aus Leichlingen, der mit seinem Vater Björn gekommen ist. Ben ist – das sieht man vor dem Spiel sofort – ganz kribbelig und Papa, seit 1992 mit einer Dauerkarte ausgerüstet, bestätigt: „Wir freuen uns schon den ganzen Tag aufs Spiel.“ Ach was: Die ganze Woche. Und dass man erstmals im Leben mit Maske zum Stadion kommen müsse, sei halb so wild. „An die haben wir uns doch mittlerweile über Monate hinweg gewöhnt.“

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Überhaupt: Hauptsache endlich wieder Fußball live. Nur eine Sache solle der Club „bitte nochmal“ überdenken: „Der offizielle Bayer-04-Mundschutz für Erwachsenen ist viel zu eng und klein geraten“ , sagt Björn. Vielleicht könne man da in Zukunft noch Abhilfe schaffen.

Nico Brandt – „geschrieben wie Ex-Bayer-Kicker Julian Brandt, aber leider nicht verwandt mit ihm!“, betont er – verkauft genau diese in den Vereinsfarben Schwarz und Rot gehaltenen Masken vor der Nordkurve. Und er verkauft sie gleichwohl wie geschnitten Brot an die ankommenden Fans. Zum Sonderpreis von vier statt 4,90 Euro. Und mit Überzeugung: Er können die Dinger nämlich persönlich empfehlen. „Ich habe ja selber ein ziemlich großes Gesicht mit empfindlicher Haut – und habe mit diesem Mund- und Nasenschutz im Gegensatz zu anderen Masken gar kein Problem.“ Das sage er aus voller Überzeugung – und nicht, weil er für den Club in Corona-Zeiten Profit rausschlagen wolle.

Ralf Neuberger aus Königswinter kommt in diesem Moment vorbei, hört’s – und ist gleich Feuer und Flamme für das Stück Stoff: Er nimmt eine der Clubmasken – und tauscht sie gegen seine eigene, eigentlich für professionelle Arbeitseinsätze gedachte FFP3-Maske ein, die er bis hierher trug. Das ist ein Tausch von Masken-Ferrari gegen Masken-Fiat, aber: Die Zuschauer-Rückkehr muss eben standesgemäß gefeiert werden. „Und außerdem sieht’s mit dem Bayer-Logo trendiger aus“, sagt Neuberger – und geht in Richtung Stadioneingang.

Dort informieren viele Volunteers des Vereins die Fans darüber, was sie an diesem Tag der Rückkehr unter Corona-Maßgaben erwartet: Einlass bitte nacheinander und mit Abstand. Drinnen bitte auch Abstand halten. Unbedingt das tun, was die Ordner vor und in den Blocks sagen. Die Laufwege beachten. Kurzum: Die ganze Palette der mittlerweile überall bekannten Vorgaben. „Die Leute sprechen uns häufiger an als sonst“, sagt Olaf Schmidt, der einer der Ansprechpartner ist. Und auch während des Spiels flimmern neben Ergebnissen und Torschützen immer wieder Hinweise über die Leinwand: „Halte Abstand! Trage Mundschutz! Vermeide Berührungen!“

Was noch auffällt: Die Fangesänge im Stadion kommen plötzlich aus mehreren Ecken. Mal aus der Nord- als der traditionellen Bayer-Kurve. Mal aus Block G, in dem normalerweise die derzeit fehlenden Gästefans untergebracht sind. Und mal von der Gegengeraden, auf der die gesperrten Sitzreihen und voneinander getrennten Fan-Sprenkel besonders gut zu sehen sind. Das alles ist zwar zunächst irritierend. Aber letztlich führt es dazu, dass auch vor 6042 Fans eine ordentliche Stimmung herrscht. Eine, von der sich – ein Stück Realität gewordene Fußballromantik – die Werkself gegen einen auf dem Papier stärkeren Gegner spür- wie dankbar mitreißen und die sie diesem den Schneid abkaufen lässt.

Und die Euphorie setzt sich nach Abpfiff draußen auf den Straßen fort: Die Fans der Werkself sind zufrieden. Glücklich. Manche ziehen singend hin zu den bereitstehenden Pendelbussen, an denen es offenbar vorbildlich in Sachen Abstand und Rücksichtnahme zugeht. Gedrängel ist nirgends zu sehen. Das Sicherheitskonzept – es ist aufgegangen. Die Fans sind zurück. Und ein 1:1 kann sich manchmal wie ein Sieg anfühlen.

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