Bayer-Kolonie in LeverkusenStadt zahlt nicht, Mieter fristlos gekündigt

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Weil zwei Mieten für die Wohnung in der Bayer-Kolonie nicht bezahlt waren, hat Vivawest diesem Paar in der Friedlieb-Ferdinand-Runge-Straße fristlos gekündigt. Inzwischen ist der Fehler behoben.

Leverkusen – Der Brief ist unmissverständlich und die Empfänger verzweifeln: Weil zwei Mal hintereinander die Miete nicht bezahlt wurde, hat die Wohnungsgesellschaft Vivawest Isolde R. (Name geändert) fristlos gekündigt. Sie und ihr Partner wohnen in der Bayer-Kolonie direkt hinter dem Bahnhof, beziehen Grundsicherung. Das bedeutet: Ihre Miete wird von der Stadt Leverkusen bezahlt, normalerweise. Dieses Geld sehen sie nicht, und daher hat sich das Paar auch darauf verlassen, dass alles so abläuft wie immer. Doch so war es nicht.

Am 11. Januar, zehn Tage, nachdem die Miete spätestens bei dem Wohnungskonzern hätte eingehen müssen, ging der Brief mit der fristlosen Kündigung an die Mieter in der Friedlieb-Ferdinand-Runge-Straße raus. Begründung: zwei Monate Mietrückstand. Gleichzeitig drohte Vivawest mit einer Räumungsklage vor Gericht. Entgehen könnten die Mieter dem sofortigen Rausschmiss nur noch durch sofortige Bezahlung der Mietschuld, die sich auf 841,96 Euro summiert. Dafür hätten Isolde R. und ihr Partner ab dem Zugang der Kündigung gerade 14 Tage Zeit gehabt: bis gestern.

Keine Vorwarnung

Die Kündigung, berichten die Mieter, sei ganz normal mit der Post gekommen, nicht einmal als Einschreiben. Eine Mahnung, dass die Miete nicht gezahlt wurde, habe es nicht gegeben. „Nicht mal diese Mühe hat man sich gemacht“, sagt die Mieterin. Versuche, mit dem Sozialamt der Stadt Kontakt aufzunehmen und die bedrohliche Situation zu klären, seien bisher im Sande verlaufen: „Telefonisch kommt man an die Leute überhaupt nicht ran, das muss am Home-Office liegen“, sagt ihr Partner am Montag. „Alles nur schriftlich“, und eine Antwort gebe es noch nicht aus dem Rathaus.

Dabei sollte es eigentlich kein Problem geben mit der Miete: Vom Sozialamt in der Miselohestraße hat das Paar schriftlich, dass sie vorerst bis zum Herbst 2021 von der Stadt bezahlt wird, und zwar direkt. Warum das nicht läuft, können sich die Mieter nicht erklären.

Panne im Sozialamt

Da geht es dem Vermieter nicht anders. Nach einer Anfrage des „Leverkusener Anzeiger“ fragt Vivawest beim Sozialamt nach. Mit dem Ergebnis, dass die beiden Monatsmieten von der Stadt übernommen sind. Noch am Montag habe man nach einem Telefonat mit der Fachstelle Wohnen im Sozialamt die Kündigung der Wohnung zurückgezogen, heißt es am Nachmittag. Sie sei „durch die Zahlung unwirksam geworden und damit für uns erledigt“, so Gregor Boldt, Sprecher bei Vivawest. Warum das Sozialamt die Miete für Dezember und Januar nicht überwiesen hat, „entzieht sich unserer Kenntnis“, sagt Boldt.

Tatsächlich habe es bei der Zahlung eine Panne gegeben, so Ariane Czerwon, Sprecherin im Rathaus. Die Mieten seien zunächst nicht gezahlt worden. Das habe das Sozialamt am 12. Januar nachgeholt, für beide Monate. Da hatte Vivawest die Kündigung schon abgeschickt. Nachgefragt habe der Vermieter bei der Stadt vorher nicht. Das hält man bei Vivawest auch nicht für nötig. „Grundsätzlich“ habe der Mieter dafür zu sorgen, dass gezahlt wird – auch, wenn die Miete gar nicht über sein Konto laufe, heißt es.

Von Bayer zu Vivawest

Am 1. März 2002 überschrieb Bayer den größten Teil seines Wohnungsbestandes an die Essener Treuhandstelle. 9600 Wohnungen sowie 4000 Garagen und Stellplätze gingen für eine halbe Milliarde Euro an die damalige THS, die vom Verein für die bergbaulichen Interessen und die Vermögensverwaltung der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie getragen wurde. Inzwischen ist die Ruhrkohle AG Mehrheitsgesellschafter des Unternehmens, das 2011 in Vivawest umfirmiert wurde und inzwischen nach eigenen Angaben rund 120 000 Wohnungen in NRW bewirtschaftet. Die Geschäftspolitik sei „geprägt von einer hohen sozialen Verantwortung“, hieß es damals bei Bayer. Denselben Anspruch formuliert Vivawest auch heute. Das Unternehmen beschäftigt rund 2000 Menschen, die Zentrale ist in der Zeche Nordstern in Gelsenkirchen. (tk)

Außen vor bleiben in diesem Fall die Betroffenen. Sie wissen nicht, was im Hintergrund zwischen Vermieter und Sozialamt besprochen wird, gehen bis zuletzt davon aus, dass sie bald auf der Straße stehen. In ihrer Not bringt Isolde R. am Montag einen schriftlichen Widerspruch gegen die fristlose Kündigung auf den Weg. „Der Brief ist heute raus“, sagt ihr Lebensgefährte.

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Für das überaus strikte Gebaren von Vivawest haben sie keine Erklärung. Isolde R. wohnt seit knapp zehn Jahren in der Friedlieb-Ferdinand-Runge-Straße, die Miete beträgt 420,98 Euro.

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