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ErholungshausBomsori Kim und die Academy of St. Martin in the Fields bringen Weltklasse nach Leverkusen

Lesezeit 3 Minuten
Eine Geigerin auf der Bühne mit einem Orchester.

Klangvolle Begegnung auf höchstem Niveau: Die Geigerin Bomsori Kim und die Academy of St. Martin in the Fields beim „Start“-Festival im Erholungshaus Leverkusen.

Bomsori Kim und die Academy of St. Martin in the Fields verwandeln das Erholungshaus in Leverkusen in einen Klangraum voller Emotionen. 

Mozart, Mendelssohn, Wieniawski und Tschaikowsky ziehen am Donnerstagabend in die Seele. Auf der Bühne: ein Weltorchester. Und in der Mitte – eine Frau mit Geige, die keinen Ton dem Zufall überlässt. Kein Dirigentenpult, keine Podesterie, nur Musiker, die einander ansehen, atmen und spielen. Musik als Gespräch, nicht als Deklamation. Dabei ist sie der kurzfristige Ersatz für den krank gewordenen Augustin Hadelich mit anderem Programm. Harvey de Souza führt mit der Geige und mit Blicken – minimalistisch, präzise, partnerschaftlich. Das ist typisch für dieses Orchester: Seit seiner Gründung 1958 durch Neville Marriner agiert es meist ohne Dirigenten, dafür mit einem hohen Maß an Kommunikation.

Leverkusen: Die Bühne im Erholungshaus als Konversationsraum

Die erste Salzburger Symphonie eröffnet den Abend. Mozart jongliert hier mit Motiven, Gegensätzen, Stimmungen und die Academy of St. Martin in the Fields greift diese Raffinessen auf, spielt transparent, mit federnder Energie, mit Eleganz und Geist. Dann tritt Bomsori Kim in den Vordergrund. Mendelssohns Violinkonzert ist ein Werk, das mit dreizehn Jahren geschrieben wurde – ein Frühwerk, aber kein unreifes. Die Streicher umhüllen Kim wie ein atmendes Geflecht, ihr Ton ist klar, warm, sehr fokussiert.

Kim phrasiert mit Bedacht, lässt Raum, wo andere drängen würden. Ihre Technik ist perfekt, aber nie vordergründig – vielmehr spürt man eine interpretatorische Reife, die über das bloße Ausführen hinausgeht. Und gerade das berührt: Diese Musik will nichts beweisen. Sie will teilen.

Bomsori Kim beim „Start“-Festival

Die „Faust-Fantasie“ von Henri Wieniawski ist eine Art musikalisches Feuerwerk: eine Fantasie über Themen aus Gounods Oper „Faust“, komponiert vom polnischen Geiger Wieniawski. Kim verwandelt das Spektakel in Kunst. Flirrende Passagen. Blitzschnelle Tonfolgen. Sie spielt mit innerer Spannung, kontrollierter Kraft, und vor allem: mit erzählerischem Bewusstsein. Wo andere vielleicht nur zeigen würden, dass sie es können, zeigt sie, warum sie es spielt. Gerade in diesen Momenten wird klar, was große Kunst ausmacht. Sie ist nicht laut, sie ist durchdacht. Und das Publikum spürt das.

Tschaikowskys Serenade für Streichorchester schließt sich an – ein Klassiker der Spätromantik. Tschaikowsky, selbst ein Verehrer der Wiener Klassik, verbindet in diesem Werk Formstrenge mit emotionaler Tiefe. Die Academy of St. Martin in the Fields bringt diesen Balanceakt meisterhaft auf die Bühne. Der erste Satz klingt wie ein festliches Gebet, getragen und feierlich.

Der berühmte Walzer – leicht, aber nie belanglos. Besonders eindrucksvoll gelingt der dritte Satz „Élégie“: eine melancholische Meditation, gespielt wie ein stilles Lied über das Vergehen. Und dann noch die Zugabe, der dritte Satz von „Suite for Strings“ von Leoš Janáček. Der Abend berührt jene innere Schicht, die Menschen im Alltag oft überhören: das Bedürfnis nach Echtheit, nach Schönheit, die nicht laut ist, sondern wahr. Weltklasse hat nichts mit Abstand zu tun, sondern mit Nähe.