Großbrand im ChemparkLeverkusener Politiker und Bürger fordern Konsequenzen

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Luftbild der Explosion im Tanklager der Sondermüllverbrennungsanlage in Leverkusen.

Leverkusen – Die seltsamen gelben Inseln im Rasen auf dem Spielplatz am Bendenweg kamen anscheinend auch den Mitarbeitern der Landesumweltbehörde (Lanuv) seltsam vor: Auf mehreren, je etwa einen Quadratmeter großen Rasenstücken haben sich die Grashalme deutlich und kräftig gelb verfärbt, anders als andere Pflanzensorten, die saftig grün geblieben sind.

Der Bendenweg ist quasi die Frontlinie Bürrigs zum Entsorgungszentrum, in dem am Donnerstag vergangene Woche die Tankanlage mit Lösungsmitteln explodiert war. Über die Häuser und Gärten, die der Sondermüllverbrennung am nächsten sind, ist die dicke schwarze Rauchwolke gezogen. Die Vermutung liegt nahe, dass sich dort chemische Niederschläge nachweisen lassen.

Lanuv-Mitarbeiter haben Proben genommen

Dienstagmorgen schnitten die Lanuv-Mitarbeiter an mehreren Stellen Stücke aus der Grasnarbe und schüppten Sand vom Spielplatz in ihre Probengefäße. Anschließend sollen sie sich Richtung Rheindorf aufgemacht haben, um dort weitere Proben zu nehmen. „Das ist doch seltsam, dass sie das jetzt erst machen, nachdem es mehrmals geregnet hat“, sagt die Anwohnerin, die jahrelange Ratsfrau Irmgard von Styp-Rekowski, „verarschen die uns?“

Die Explosion am Sondermüllofen vor einer Woche beschäftigt auch aktive Politiker. Am kommenden Montag wird sich im Landtag der Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz mit dem Thema befassen. Das Gremium kommt auf Antrag der SPD-Fraktion zusammen und erwartet einen Bericht der Landesregierung zu den bisher weitgehend ungeklärten Ereignissen. Auch auf der Tagesordnung: die Flutkatastrophe.

Demonstration auf dem Rathausvorplatz

Auf dem Rathausvorplatz in Wiesdorf gab es bereits am Montagabend eine Kundgebung. Organisiert hatte sie MLPD-Mann Reiner Dwortschak. Es wurde heftig diskutiert; am Ende verabschiedeten die rund 35 Teilnehmer der Veranstaltung einen Katalog mit Forderungen. Dazu zählen regelmäßige und längerfristige Gesundheitschecks für die Rettungskräfte und die Anwohner sowie die Weiterbezahlung der Löhne im Chempark, falls es im Nachgang zur Katastrophe zu Stillständen in der Produktion kommt.

Dass Currenta und Co. die volle finanzielle Verantwortung für die Folgen der Havarie in Bürrig übernehmen müssen, verstehe sich. Überaus unzufrieden waren die Teilnehmer der Diskussion mit der bisherigen Aufklärungsarbeit durch das Unternehmen. Es müsse Schluss sein mit „Verharmlosen und Vertuschen“.

Unterdessen haben Bürgerliste und Linke im Stadtrat einen Fragenkatalog ins Rathaus geschickt; Die Linke mahnt zudem einen offeneren Umgang mit der Brandkatastrophe an. Mit Blick auf die Rußflocken, die an vielen Stellen der Stadt niedergegangen sind, fordert Keneth Dietrich eine zügige Reinigung, die Currenta auf Karten dokumentiert, die im Geoportal der Stadt zu finden sind. Seine Kollegin Gisela Kronenberg fordert, dass die Explosion und der folgende Großbrand ohne Ansehen von Personen und wirtschaftlichen Interessen „neutral, fair und unangreifbar von den Behörden aufgearbeitet werden“.

Künftig genauer informieren

Es reiche aber nicht, Ursachenforschung zu betreiben: „Bestehende Genehmigungen müssen – ebenso wie die Prioritäten die man bei der Abwägung getroffen hat, die dann zur Genehmigung führten – hinterfragt werden, um solche Katastrophen für die Zukunft zumindest minimieren zu können.“ Eine Starkstromleitung habe „sicherlich ebenso wenig etwas in der Nähe einer Verbrennungsanlage für hochgiftige Stoffe zu suchen wie ein unterirdischer 100 000-Liter-Tank mit chemischen Abfällen“.

Die Bevölkerung müsse in Entscheidungen, die ihre Existenz bedrohen könnten, einbezogen werden, „zumindest ist sie im Rahmen der Gefahrenabwehr genauer zu informieren“, so Die Linke. Das Ereignis vor einer Woche „macht Angst, man fühlt sich in seinem Wohnumfeld nicht mehr sicher und geborgen. Sie lässt auch nach der Überflutung ganzer Stadtteile gerade mal knapp zwei Wochen zuvor Zweifel an einer sicheren durchdachten und zuverlässigen Gefahrenabwehr aufkommen“, erklärt Kronenberg.

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Erhard Schoofs (Bürgerliste) möchte vom Oberbürgermeister mehr über die in der Stadt geltenden Regeln zur Gefahrenabwehr wissen. So scheine es, dass der Brandschutzbedarfsplan für die Stadt noch aus dem Jahr 2003 stammt. Außerdem interessieren ihn Details des externen Notfallplans der Sondermüll-Verbrennungsanlage und ob Katastrophen-Szenarien geprobt werden.

Zudem soll der OB darlegen, was am Dienstag in Bürrig explodiert und verbrannt ist, wo und wie es gelagert war, wer die Einsatzleitung hatte und was von den Feuerwehren und Landesumweltamt gemessen wurde. Mit der Antwort darauf kann die Behörde noch nicht fertig sein, siehe Bürrig, Bendenweg, am Dienstag.

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