Zum Jahrestag läuft ein zweiteiliges Großprojekt an, für das sich Volkshochschule, Caritas und Bayer zusammengetan haben.
Doppelte AusstellungWie Leverkusen und Bayer des Kriegsendes vor 80 Jahren gedenkt

Rund 100 Fotos von Überlebenden des Holocaust, die Luigi Toscano gemacht hat, stehen auf dem Vorplatz des Forums. Eines wurde schon beschädigt: mit dem Spruch „free Gaza“
Copyright: Thomas Käding
„Free Gaza“ hat ein Unbekannter auf eines der 100 großen Fotos gesprüht, kaum dass es auf dem Vorplatz des Forums aufgestellt war. „Da ist manchmal viel Unwissenheit im Spiel“, kommentiert Luigi Toscano den Frevel. Schließlich zeigen seine Fotos nicht nur jüdische Opfer des Nationalsozialismus – „ich habe mit allen Gruppen Kontakt gehabt“, sagt der Künstler am Mittwoch. Und es sollen weitere dazu kommen. Menschen, die im Rahmen der Euthanasie Opfer der Nazis wurden.
80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind die Geschichten nicht zu Ende erzählt. Im Gegenteil: „Erinnerung ist kein Rückblick, sondern ein lebendiger Auftrag: nie wieder wegsehen, nie wieder schweigen.“ So beschreibt es Carsten Wellbrock, Direktor der Caritas. Seine Organisation gehört mit der Volkshochschule und der Bayer AG zu den Förderern eines großen Doppelprojekts, das am heutigen 8. Mai eröffnet wird und mit einem vielfältigen Begleitprogramm bis zum 30. Mai möglichst viele Menschen in Leverkusen für das interessieren soll, was Oberbürgermeister Uwe Richrath als „eines der größten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit“ bezeichnete: die Taten, die im Nationalsozialismus begangen wurden.
Bayer blickt auf die Schattenseiten der Unternehmensgeschichte
Sein Foto-Projekt hat der international bekannte Künstler Luigi Toscano mit der Überschrift „Gegen das Vergessen“ versehen. Je rund hundert Bilder von Menschen, die er im Lauf des vergangenen Jahrzehnts in ganz Europa, vor allem im Osten getroffen und porträtiert hat, sind am Forum und auf der Kaiser-Wilhelm-Allee zu sehen. Denn auch Bayer greift mit seiner Finkelstein-Stiftung das Thema auf. Das Projekt soll zeigen, „dass wir uns – vielleicht anders als sonst – den Schattenseiten unserer mehr als 160-jährigen Geschichte stellen“, erklärte Heike Prinz. Dass Bayers Personalvorständin öffentlich Stellung bezieht, mag genauso als Symbol gelten wie der Besuch von Bayers Vorstandschef Bill Anderson auf der Gedenkfeier zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar.
Bayer macht aber noch mehr. Die Ausstellung des Anne-Frank-Zentrums „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ macht im ersten Stock des Erholungshauses Station. Die ist ziemlich übersichtlich, aber das ist ihre Stärke: Im ersten Teil wird die Lebensgeschichte des jüdischen Mädchens erzählt, das sich mit seiner Familie mehr als zwei Jahre in Amsterdam versteckt hielt, bevor es im KZ Bergen-Belsen ermordet wurde. Das Tagebuch ist weltberühmt – aber in der Ausstellung geht es auch darum, was diese Geschichte von Verfolgung bis zum systematischen Mord mit der Situation heute zu tun hat.

Semih Kaya, Jakob Wesselmann und Tara Selmani vom Lise-Meitner-Gymnasium gehören zu den jugendlichen Führern durch die Ausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ im Erholungshaus.
Copyright: Thomas Käding
Bei diesem Transfer werden den Besuchern Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 15 und 23 Jahren helfen. Mittwoch war der zweite von zwei Schulungstagen, den neben vielen anderen Semih Kaya und Tara Selmani vom Lise-Meitner-Gymnasium absolvierten. Mitarbeiter des Berliner Anne-Frank-Zentrums gaben Tipps, wie man eine Gruppe Gleichaltriger dazu bringen kann, über Ausgrenzung und ähnliche Erscheinungen im eigenen Leben nachzudenken. Und diese Gedanken zu teilen. Semih und Tara haben Erfahrung mit dem Thema: Sie arbeiten im Projekt „Schule gegen Rassismus“ an der Lise mit.
An freiwilligen Guides mangelt es tatsächlich nicht. Jetzt müssen nur noch möglichst viele Besucher kommen. Buchen kann man den Besuch über die Ausstellungsseite: finkelstein-foundation.bayer.com/de/ausstellung-deine-anne
Besonders viel Publikum verspricht sich Organisatorin Charlotte van Randenborgh an den öffentlichen Besuchertagen am Sonntag, 18. Mai, und Freitag, 30. Mai. Dann gibt es auch Führungen ohne Buchung. Bayer-Vorständin Heike Prinz kann sich übrigens noch an ihren Besuch im Amsterdamer Anne-Frank-Haus erinnern. „Ich war noch sehr jung. Das hat mich tagelang verfolgt.“