BiotonneEin Kilo Leverkusener Biomüll lässt einen Fernseher drei Stunden lang laufen

Lesezeit 5 Minuten
Hans-Jürgen Sprokamp, Alexander Lünenbach, Michael Czyborra, Anika Hagt und Sven Tahiri stehen mit zwei Biotonnen auf einer Straße.

Zufrieden mit der Biotonne: Hans-Jürgen Sprokamp, Alexander Lünenbach, Michael Czyborra, Anika Hagt und Sven Tahiri

Seit der Einführung der Biotonne zum Jahresbeginn wurde jede Tonne mindestens ein Mal geleert. Die Avea zieht eine positive erste Bilanz.

Seit knapp vier Wochen gibt es die freiwillige Biotonne in Leverkusen. Was läuft gut? Was nicht? Ein Überblick.

Wie wird die Biotonne angenommen?

10.306 Biotonnen wurden bereits ausgeliefert, weitere werden folgen. Die Tonne kann weiterhin beantragt werden, was auch regelmäßig passiert, sagt Avea-Geschäftsführer Hans-Jürgen Sprokamp. Das ist in einer Stadt mit mehr als 160.000 Einwohnern nicht sehr viel und die Verteilung im Stadtgebiet ist auch ziemlich ungleich. „Natürlich sieht man, dass in Hitdorf, wo viele Einfamilienhäuser stehen, das Aufkommen recht hoch ist, während in Rheindorfer WGL-Wohnblöcken keine stehen“, berichtet Michael Czyborra, Abteilungsleiter für kommunale Logistik.  

Wie viel Biomüll ist bereits eingesammelt worden?

160 Tonnen Bioabfall hat die Avea bereits gesammelt. Das ist eine beträchtliche Menge: In den eineinhalb Jahren des Projektversuchs mit sieben zentralen Sammelstellen für Biomüll sind gerade einmal 78 Tonnen zusammen gekommen. Diesen Wert hat das Abholsystem bereits nach zwei Wochen übertroffen. Sehr zufrieden ist die Avea mit der Sortenreinheit: Bislang wurden nur sehr wenige Fremdstoffe in dem abgeholten Bioabfall gefunden. Das ist wichtig, weil er sich sonst nicht zur Vergärung eignet. 

Was passiert mit dem gesammelten Bioabfall?

Schon bei der Abholung prüfen die Müllwerker, ob Fremdstoffe in der Tonne sind. Ist dies offensichtlich, wird die Tonne stehen gelassen. Das sei aber bislang nicht der Fall gewesen. Die Avea sammelt alles im Wertstoffzentrum in der Fixheide, sortiert hier noch einmal Fremdstoffe aus und fährt alles komprimiert in die Vergärungsanlage Leppe in Lindlar. Hier wird daraus erst Biogas und daraus Biostrom hergestellt, die Gärreste als Biokompost wiederverwertet. Aus einer Tonne Bioabfall entstehen etwa 110 m³ Biogas. Daraus produziert die Avea etwa 220 kWh Strom. Schon aus einem Kilo Bioabfall wird somit genug Strom produziert, um einen modernen Fernseher rund drei Stunden laufen zu lassen. Aus den bislang in drei Wochen gesammelten 160 Tonnen Abfall könnten etwa 35 Megawattstunden Strom erzeugt werden. Genug, um etwa zehn Haushalte ein Jahr lang mit Strom zu versorgen. 

Wenn die Biotonne so ein großer Erfolg ist, warum ist sie keine Pflicht?

Das ist zum einen von der Stadtpolitik nicht gewünscht, die um die Einführung der Tonne ohnehin jahrelang schwer gestritten hat. Aber auch die Avea hat kein Interesse an einer Pflicht. „Im Bergischen wurden gerade an größeren Wohneinheiten Biotonnen wieder abgezogen, weil es mit der Sortierung schwierig war“, erklärt  Sprokamp. „Wir gehen davon aus, dass diejenigen, die sich eine Biotonne bestellen, sie auch ordentlich befüllen.“ Lieber möchte die Avea künftig mit den Wohnungsgesellschaften gemeinsam praktikable Lösungen suchen, ein Pilotprojekt ist schon geplant. „Und ich ermuntere auch alle Mieter, auf ihren Vermieter zuzugehen und zu sagen, wenn sie eine Biotonne möchten“, sagt Umweltdezernent Alexander Lünenbach.

Welche Probleme gibt es aktuell noch?

Jüngst wurden Klagen über größere Wasseransammlungen in der Tonne laut. „Die Ursache haben wir gefunden“, sagt Anika Hagt. An einigen wenigen Tonne sei der Spalt zwischen Tonne und Deckel sehr groß, wodurch bei Starkregen und Wind Wasser in die Tonne kommen kann. Normalerweise passt der Deckel sich schnell an die Tonnenform an, das konnte hier nicht geschehen, weil es zu kalt war. „Sobald die Temperaturen wärmer werden, wird sich das Problem von alleine geben“, sagt Hagt. Betroffene Bürger könnten sich aber auch bei der Avea melden und unter abfallberatung@avea.de oder per Telefon 0214/8668 668 einen Behältertausch beantragen. Eine logistische Herausforderung ist auch die Abholung der sehr ungleich verteilten Tonnen. „Wir beobachten, wie sich die Nachfrage entwickelt und arbeiten an einem optimierten Routenplan“, sagt Czyborra. Aktuell sind drei Fahrzeuge für den Biomüll im Einsatz.

Was plant die Avea für die Zukunft?

Kreislaufwirtschaft ist das Gebot der Stunde. „Wir denken auch darüber nach, den Restmüll noch einmal zu sortieren“, sagt Sprokamp. 80 Prozent der CO2-Emmissionen der Avea entstehen bei der Verbrennung von Plastik. Ziel sei, dass in die Verbrennung wirklich nur noch gelange, was nicht anderweitig in den Kreislauf zurückgeführt werden kann. Daran ist mittlerweile auch die Industrie interessiert: „Die kommen jetzt auf uns zu und sagen: Wir wollen unsere Stoffe zurück.“ Dafür brauche es Zusammenschlüsse in der Region und spezialisierte Entsorgung. Sprokamp nennt Matratzen als Beispiel: „Die werden im Moment meistens verbrannt, weil es schwierig ist, den Federkern dort herauszubekommen und chemische Stoffe eine Rolle spielen.“

Wie steht es um die E-Mobilität?

„Wir stellen alles halbe Jahr einen Antrag bei Förderprogrammen, aber bislang sind wir leider nicht zum Zug gekommen“, sagt Hagt. Das liege auch daran, dass diese Programme auch immer Busunternehmen beinhalten, die eher berücksichtigt werden, weil sie größere Strecken zurücklegen. Außerdem braucht ein Müllauto nicht nur Energie zum Fahren, sondern auch für die ganze Entleerungstechnik. „Ein E-Müllauto kostet etwa 900.000 Euro und es werden derzeit auch nur sehr wenige produziert“, sagt Sprokamp. Dennoch sei es natürlich das Ziel, die Flotte langfristig auf alternative Antriebsarten wie auch Wasserstoff umzustellen. Das werde aber wohl noch zehn bis 15 Jahre dauern, prognostiziert Sprokamp. Damit wäre er aber immer noch schneller, als mit der Biotonne. „Als ich hier angefangen habe, habe ich direkt gefragt: Warum habt ihr keine Biotonne, die hat doch jeder?“  Das war vor 17 Jahren.

KStA abonnieren