Essen aus PrivatküchenLeverkusener gründet in Berlin ein „Homeoffice für Köche“

Lesezeit 5 Minuten
Eine Frau steht mit einer Torte in ihrer Küche

Divya aus Singapur kocht in ihrer Berliner Küche traditionelle Rezepte aus ihrer Heimat.

Der Leverkusener Martin Andreas Schmidt hat „Home Meal“ gegründet – das Konzept mit Essen aus Privatküchen soll bald auch nach Leverkusen kommen. 

Divya kommt aus Singapur, lebt in Berlin und liebt es, zu kochen. Die traditionellen Rezepte der malaiischen, indischen und chinesischen Kultur hat ihre Großmutter ihr schon als kleines Mädchen beigebracht. Für ein eigenes Restaurant in Deutschland fehlt Divya allerdings das Geld. Trotzdem möchte sie gerne ihre Kochkunst mit anderen teilen, aber ohne in einem Restaurant angestellt zu sein – und verbreitet ihr Essen jetzt aus der heimischen Küche.

In Kuala Lumpur überlegt jeder, womit er sich ein Geschäft aufbauen kann
Martin Andreas Schmidt

Home Meal heißt die Plattform, über die Köche und Käufer zueinander finden können. Gegründet hat das Berliner Unternehme ein Leverkusener: Martin Andreas Schmidt. Von der Quettinger Don-Bosco-Grundschule ging es für den heute 38-Jährigen an die Theodor-Heuss-Realschule und das Opladener Berufskolleg. Und nach dem Studium der Elektrotechnik an der FH Aachen in die weite Welt hinaus. „In Kuala Lumpur und Hongkong habe ich die Start-up-Welt kennengelernt“, berichtet Schmidt.

„Vorher hatte ich nie etwas mit Unternehmertum zu tun, aber dort habe ich gesehen, wie alle jungen Leute überlegen, mit welcher Idee sie sich etwas aufbauen können, das fand ich total spannend.“ Auch der Quettinger versuchte sich mit einer Idee aus dem Sport, die aber fehlschlug. 

Martin Andreas Schmidt, Home Meal

Martin Andreas Schmidt ist wegen der besseren Gründerszene von Leverkusen nach Berlin gezoge.

Zurück in Leverkusen entdeckte Schmidt das Opladener Probierwerk für sich. „Da habe ich viele wertvolle Erfahrungen gesammelt, mich dann aber entschieden, nach Berlin zu gehen.“ In die Hauptstadt der Start-up-Kultur.

Dann kam Corona. Während das Virus für viele Unternehmen das Aus brachte, war es für Schmidt ein Startpunkt. Dass Köche im Lockdown arbeitslos zu Hause sitzen, während andere gerne mit Essen versorgt werden würden, brachte ihn auf die Idee. „Homeoffice für Köche, so etwas geht nicht“, hat der Leverkusener von allen Seiten gehört.

Und sich mit dieser Antwort nicht zufriedengegeben. Im April 2020 gründete er Home Meal, sechs Monate lang arbeitete er EU-Vorschriften durch, sprach mit Sachverständigen und verhandelte mit dem Berliner Senat. Schließlich war klar: Das geht doch. 

Zwei Kühlschränke sind Pflicht

Die Auflagen sind streng. Die Köche müssen nicht nur einen Hygienepass vorweisen und ein Gewerbe anmelden, das Kontrollen der Lebensmittelaufsicht unterliegt. Sie müssen auch in ihrer Küche strikt zwischen privatem und gewerblichem Kochen trennen. „Sie brauchen auf jeden Fall zwei Kühlschränke, bei dem gewerblichen muss die Temperatur regelmäßig dokumentiert werden“, erklärt Schmidt.

Auch die Küchengeräte müssen voneinander getrennt sein. Außerdem müssen über die Reinigung etwa des Küchenbodens und die Zutaten Protokolle geführt werden. Wie in einer Restaurantküche eben auch. 

Im Dezember 2020 ging Home Meal mit fünf Köchinnen in Berlin Zehlendorf an den Start, zunächst nur mit Selbstabholung. Später organisierte Schmidt die Lieferung innerhalb von Berlin. Vor kurzem hat er eine Kooperation mit DHL „go green“ abgeschlossen: Seitdem können Boxen mit jeweils sechs Essen überall innerhalb Deutschlands geliefert werden. Die Kühlkette bleibt dabei gesichert, sodass die Gerichte im Kühlschrank vier bis sieben Tage, in Gefrierschrank über einen Monat haltbar sind. 

„Wichtig ist uns der authentische Geschmack“, sagt Schmidt. Und der ist äußerst international. Auf der Internetseite von Home Meal ist jeweils Vorname und Gesicht der Köche zusammen mit der Speisenauswahl abgebildet: Ebrima kocht „gambische Köstlichkeiten“, Deryas „grünes Festmahl“ enthält vegetarische Speisen aus der Türkei. Miriam ist eine deutsche Ernährungsberaterin und bietet eine „Keto-Box“ auf Grundlage der ketogenen, kohlenhydratarmen Ernährung an.

Verschweißtes Essen mit Etiketten, auf denen die Köche zu sehen sind

Fertig verpackte Essen mit Bildern der Köche.

Für die Köchinnen gibt es zwei Möglichkeiten: Sie können sich für Selbstabholung freischalten lassen und Preise und Zeitpunkt mit den Kunden selbst arrangieren. „Das kann auch so laufen, dass jemand anfragt, ob er in einer halben Stunde was zum Mittagessen abholen kann“, erklärt Schmidt. Essen für die Lieferung werden über das Internet bestellt.

Home Meal vertreibt 2000 Essen pro Monat

Zweimal pro Woche bekommen die Köche ihre Aufträge, haben dann einen Tag Zeit zum Einkaufen und Kochen. Das fertig verpackte Essen geht an das Kontrollzentrum, das Schmidt in Berlin aufgebaut hat und wird von hier zweimal pro Woche weiterverschickt, alles innerhalb der Kühlkette. Einzelne Essen können auf diesem Weg nicht bestellt werden, es müssen immer Pakete von sechs Essen bestellt werden. Allerdings nicht unbedingt von einem Koch, es kann auch gemixt werden. Rund 2000 Essen vertreibt Home Meal auf diese Weise aktuell pro Monat. Tendenz steigend. 

So schön Berlin für Gründer ist: Die Konkurrenz ist hier groß. „In den Innenstadtbereichen hat man an jeder Ecke die Auswahl zwischen drei indischen Restaurants“, sagt Schmidt. Deswegen hat er sich nun zehn deutsche Großstädte mit weniger als 200.000 Einwohnern ausgesucht: Zu klein für eine sehr differenzierte Restaurantszene, aber groß genug, um gute potenzielle Köche zu finden. Darunter auch: Leverkusen. „Das ist für mich natürlich etwas ganz Besonderes, mein Konzept in die Heimat zu bringen.“ 

Dafür braucht er aber erst einmal Köche: Interessenten können sich ab sofort über das Internet bewerben. Nach Vorlage aller Unterlagen und einem erfolgreichen Probeessen könnten sie sich dann auf der Seite zunächst für die Selbstabholung freischalten lassen. „Wenn wir zehn richtig tolle Köche finden, wollen wir auch in Leverkusen ein Qualitätszentrum aufbauen“, erklärt Schmidt.

Von dort aus könnte dann Essen aus Leverkusener Privatküchen nach ganz Deutschland verschickt werden. Es muss übrigens nicht exotisch sein, im Gegenteil: „Tatsächlich fände ich es ganz toll, wenn wir mal jemanden mit richtig guter deutscher Hausmannskost finden würden“, sagt Schmidt.

KStA abonnieren