Bürrig und die FolgenHarte Kritik am Gutachten zur Leverkusener Chemie-Explosion

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Anwohner Peter Odenthal ist recht zufrieden mit dem Abschlussbericht zu Bürrig. Klimaschützer Benedikt Rees allerdings nicht. 

Leverkusen – Benedikt Rees ist nicht beruhigt. Aus seiner Sicht gibt der Abschlussbericht des Teams um den Sicherheitsexperten Christian Jochum es nicht her, die havarierte Sondermüllverbrennungsanlage wieder anzufahren.

„Sorgen, Nöte, Ängste und die daraus abgeleiteten Forderungen“ der Anrainer seien nicht gehört, die Konsequenzen nicht gezogen worden, moniert der Vertreter der Klimaliste: Die Starkstromleitungen würden nicht verlegt, obwohl sie das Löschen des Brandes nach der Explosion enorm verzögert hatten. Auch sei überhaupt nicht erwogen worden, den Störfallbetrieb zu verlegen: weiter weg von den Wohnhäusern in Bürrig, von den Autobahnen, der Sondermülldeponie, der Kläranlage, der Wupper und der Dhünn.

Immerhin: Die Frist wurde verlängert

Nach sechs Sitzungen des „Begleitkreises“ Bürrig war ein Abschlussbericht vorgestellt worden, der in einem Okay für das Wiederanfahren der am 27. Juli vorigen Jahres explodierten Anlage münden soll. Die Teilnehmer sollten zunächst nur sechs Tage Zeit haben, das 100-seitige Gutachten zu lesen, zu verstehen und Anmerkungen zu machen. Am Ende bekamen sie ein paar Tage mehr: Die Frist endete am Freitagmittag. Da ging auch die sechsseitige – unterm Strich vernichtende – Stellungnahme von Benedikt Rees ein.

Ihn stört außerdem, dass die Anlage in Betrieb gehen soll, bevor die Staatsanwaltschaft ermittelt hat, wie es zu der Katastrophe mit sieben Toten und 31 Verletzten kommen konnte. Es sei nicht geklärt, ob ein Tank mit immer heißer gewordenem Chemie-Abfall aus Dänemark explodiert ist, weil es ein persönliches, organisatorisches oder strukturelles Versagen in der Currenta-Anlage gab.

Jochum – und Horst Büther von der Bezirksregierung – hingegen sehen es so: Die Unglücksursache ist hinreichend geklärt, für die Staatsanwaltschaft gehe es nur noch um die Ermittlung der Schuldigen. Vier Personen stehen mittlerweile im Fokus; der Kreis der Verdächtigen war erst kürzlich um eine erweitert worden.

Stoffe und Herkunft nicht geklärt

Weitere Rees-Kritik richtet sich dagegen, dass die 31 Abfälle, die bald wieder in Bürrig verbrannt werden sollen, nicht genannt würden. Auch zu ihrer Herkunft gebe es nur allgemeine Angaben. Das passe zur bisherigen Informationspolitik.

Dem Urteil im Abschlussbericht kann sich Rees ausdrücklich nicht anschließen. Dort heißt es: „Currenta hat die Öffentlichkeit in Bezug auf die Aufarbeitung sowohl des Explosionsereignisses als auch der Abwasserereignisse umfassend in beispielhafter Weise informiert.“ Er erinnert daran, dass die Liste explodierter oder verbrannter Stoffe erst „nach mehrmaliger Aufforderung an die zuständigen Behörden übermittelt“ worden sei. Und die Einleitung eines Gemisches aus Lösch- und anderem Abwasser über das Klärwerk in den Rhein sei kurz vor Weihnachten erst durch Medienrecherchen bekannt geworden.

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Die von Jochum für sich reklamierte Unabhängigkeit zieht Rees ebenfalls in Zweifel. Weil Currenta das Team um den Professor bezahlt, bestehe „eine unüberwindbare Interessenkollision“. Das hätte man vermeiden können, indem die Bezirksregierung als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde den Auftrag vergeben hätte. Also so, wie es in Gerichtsverfahren üblich ist. In Köln hatte es dazu geheißen, dass man dem Verursacher des Unglücks die Kosten für diesen Teil der Aufklärung anlasten wollte. Und nicht dem Steuerzahler. 

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