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Kita-Erzieherinnen streiken in Leverkusen„Wir stehen hier für die Kinder“

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Kita Streik Leverkusen

Am 8. März hatten Kita-Erzieherinnen auf dem Wiesdorfer Platz über ihre Arbeitsbedingungen informiert.

Leverkusen – Wenn Sandra Baumann, Cornelia Heinrich und Silja Meis über die Missstände in ihrem Beruf sprechen, geht es nicht ums Geld, wie man es erwarten könnte. „Wir stehen hier in erster Linie für die Kinder“, sagt Sandra Baumann. Die drei Kita-Erzieherinnen sind dem Aufruf von Verdi gefolgt und stehen am Dienstag am Wiesdorfer Platz, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen und Passanten aufzuklären. „In der frühkindlichen Bildung passiert seit Corona praktisch nichts mehr“, sagt Silja Meis. Zu sehr sind zu wenige Erzieher mit zu vielen Aufgaben von Röhrchen beschriften bis Windeln wechseln beschäftigt.

Personalbarometer auf Rot

„Wir haben bei uns an der Einrichtung ein Personalbarometer gebastelt, das den Eltern zeigt, wie viele Mitarbeiterinnen aktuell in der Kita sind und was in dieser Besetzung geleistet werden kann“, erzählt Baumann. Meistens stehe das Barometer auf Mittelrot: Damit können nur noch pflegerische Aufgaben übernommen und die Aufsichtspflicht gewährleistet werden. Dass das auch für Unmut bei den Eltern sorgt, die sich mehr für ihre Kinder wünschen, versteht sie. „Aber wir mussten auch schon üble Beschimpfungen über uns ergehen lassen“, erzählt Silja Meis. „Und wenn man abends nach Hause kommt, ist man einfach nur platt“, ergänzt Cornelia Heinrich.

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Zwei Hauptgründe für die Überlastung machen die Erzieherinnen aus: Fehlendes Personal und die Entscheidung, Kinder mit Inklusionsbedarf in Regeleinrichtungen zu stecken, ohne den Personalschlüssel dafür aufzustocken und die Mitarbeiter entsprechend zu schulen. „Das ist eine Katastrophe. Wir sind dafür nicht ausgebildet“, sagt Heinrich. „Ich kann einem Kind mit besonderen Bedürfnissen nicht die Behandlung geben, die es braucht. Und für die pädagogische Arbeit mit den anderen Kindern bleibt dadurch noch weniger Zeit.“

Verdi fordert bessere Eingruppierung

Hier sieht der Verdi-Verantwortliche Stephan Dreesbach eine klaren Ansatzpunkt für die Forderungen in der Tarifrunde: „Früher gab es spezielle Inklusionskitas und da wurden Mitarbeitende besser bezahlt. Heute werden Kinder mit Inklusionsbedarf auf alle Einrichtungen verteilt. Deswegen fordern wir eine Regeleingruppierung von 8a auf 8b.“ Damit würde das Einstiegsgehalt von aktuell 2880 Euro auf 2943 Euro steigen, in der höchsten Stufe würde der Unterschied bei rund 450 Euro liegen.

Dazu fordert Verdi unter anderem bessere Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten, mehr Zeit für pädagogische Arbeit und Entlastungstage bei besonderen Belastungen. Wie groß die Beteiligung an dem Streikaufruf war, konnte er noch nicht sagen. „Das ist aber auch nicht wichtig“, sagt Dreesbach. Es sei nicht das Anliegen von Verdi, Kitas lahmzulegen und Eltern zu ärgern, sondern zunächst vor allem Aufklärung. „Aber auch Eltern haben nichts davon, wenn das verbleibende Personal bald vollkommen ausgebrannt ist.“

38 Stellen unbesetzt

Was die personelle Unterbesetzung in den Kitas angeht, würde die Stadt sehr gerne Abhilfe schaffen. 38 Stellen waren mit Stand von Anfang Februar in den städtischen Kindertagesstätten unbesetzt. Mehrere hundert bräuchte man, um den Kitaausbau für die fehlenden rund 1000 Betreuungsplätze in der Stadt nicht nur baulich, sondern auch personell realisieren zu können.

Trotz einer massiven Werbekampagne, die Zahlung nach Tarifvertrag, ein Jobticket und 30 Tagen Urlaub verspricht, kann die Stadt das Loch kaum füllen. 25 Neueinstellungen standen im vergangenen Jahr fast ebenso viele Abschiede gegenüber. Die CDU-Fraktion im Stadtrat will dem mit einer lokalen Ausbildungsprämie entgegenwirken, im Gegenzug sollen Auszubildende für mindestens fünf Jahre an die Stadt als Arbeitgeber gebunden werden.

Nicht mehr der Traumberuf

Mehr Personal um wieder mehr Zeit für die Kinder zu haben, das ist der größte Wunsch der Erzieherinnen auf dem Wiesdorfer Platz. „Ich bin Erzieherin geworden, um mit Kindern pädagogisch zu arbeiten“, sagt Sandra Baumann. Die aktuelle Situation aber frustriert sie nur. Genau so geht es Silja Meis. „Ich wusste schon in der achten Klasse, dass ich Erzieherin werden möchte und habe das immer als meine Berufung gesehen. Aber wenn ich mich heute noch einmal entscheiden könnte, wäre das unter diesen Bedingungen nicht mehr mein Traumberuf.“

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