Kunstverein LeverkusenFari Shams und die Entfremdung vom Natürlichen

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Blick auf die Isolation in einer vernetzten Welt: Fari Shams steht zwischen den Objekten ihrer Ausstellung im Kunstverein. 

Blick auf die Isolation in einer vernetzten Welt: Fari Shams steht zwischen den Objekten ihrer Ausstellung im Kunstverein. 

Leverkusen  – Die Corona-Pandemie kam Fari Shams in gewisser Hinsicht zugute. Zwar hatte sie das Konzept zu ihrem Projekt „The Pause“ bereits ausformuliert, ehe das Virus die Welt in Stillstand versetzte. Aber: Da es der 1976 in Teheran geborenen und in Düsseldorf sowie London lebenden Künstlerin eben darum geht, die wachsende Abhängigkeit des Menschen von Technik in Kunst zu überführen, wirkte die Pandemie mit ihren Lockdowns und den in ihren Häusern sitzenden Menschen natürlich wie ein Verstärker dieses lange schon bekannten Phänomens.

Insofern ist „The Pause“, das nun im Kunstverein ausgebaut ist, noch bis Juni dort bleiben soll und somit vielleicht noch einige Besucherinnen und Besucher erleben wird, doppelt aktuell.

Collagen, Skulpturen und Spiegel

Fari Shams arbeitet mit Collagen, Skulpturen und Spiegelbildern, die allesamt je auf ihre Weise für die Technologie-Abhängigkeit respektive den enormen Einfluss der Technologie auf unser aller Leben stehen. Die Collagen bestehen aus sich überlappenden, von Rahmen zu Rahmen anders angeordneten Ausschnitten aus Magazinen, Zeitungen und Büchern. Momentaufnahmen, Sekundeneindrücke, gedruckte oder geschriebene Worte, Porträts von Menschen und Tieren, Gegenstände – alles ist zu sehen. Alles steht für die enorme Erinnerungsgabe des Menschen. Nur dass sich dessen Erinnerungen – manipuliert durch die Welt der digitalen Medien – gefühlt immer wieder verschieben und irgendwann zur absoluten Bilderflut werden.

Fari Shams Skulpturen sind Puppen mit schlaffen Armen und Beinen, Emoji-Handy-Köpfen und Roboterhänden, die sich – angeschlossen an Kabel und seltsam ausstaffiert in als Einrichtungssammelsurien daherkommenden Räumen sitzend – in Parallelwelten schießen lassen mit ihren elektronischen Spielzeugen. Verfremdung pur ist das. Und ein Sinnbild für die Entfremdung des Menschen von allem Natürlichen.

In der Multimedia-Welt

Ein nicht weniger genialer weil eindrücklicher Schachzug Shams sind letztlich ihre Spiegel. Gesandstrahlt und somit nicht wirklich spiegelnd – bis auf die jeweils klar zu lesenden Zeilen darauf. Zeilen, die aus Fehlermeldungen von Computern stammen. Zu wenig Speicherplatz, zu viel Input, zu kleine Festplatte: Der Mensch hält sein Leben auf unzähligen Fotos, in zig Videos, mit allen Medien fest, sammelt Datei um Datei – und hat doch den wahren Blick für das, was wirklich um ihn herum geschieht, verloren. Und überhaupt: Der Blick durch die Handy-Linse ist sowieso wichtiger und vermeintlich toller und doller als der Blick mit den Augen ungefiltert auf das, was sich im Leben vor einem selbst abspielt.

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„The Pause“ ist eine bunte, abwechslungsreich Parabel der Kunstinstallation auf die moderne Multimedia-Welt, die dazu führt, dass die eigentliche Welt so gut vernetzt ist wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Und die aus den Menschen doch die einsamsten Geschöpfe aller Zeiten zu machen imstande ist.

„The Pause“ ist bis zum 20. Juni im Kunstverein Leverkusen in den Remisen von Schloss Morsbroich aufgebaut. Aktuelle Informationen dazu – auch für die Zukunft, sobald Öffnungen in gewissem Maße möglich sein sollten – finden sich auf der Internetseite des Kunstvereins sowie der Künstlerin Fari Shams.

www.farishams.com

www.kunstverein-leverkusen.de

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