Vor 40 JahrenAls die Gewalt zwischen Anhängern von Leverkusen und Köln eskalierte

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Mitten in die Schlägerei zwischen den rivalisierenden Fußballanhängern aus Leverkusen und Köln war unser Fotograf Holger Schmitt vor 40 Jahren hineingeraten. Er dokumentierte hemmungslose Brutalität.

Leverkusen – 34 Spieltage hat die Fußball-Bundesliga, das sind insgesamt 306 Spiele in der Saison. Meist geht es mehr oder weniger friedlich zu, aber es gibt Spiele, die erfordern eine wahre Polizei-Armee, um die gewaltbereiten Fans in Schach zu halten. Bayer 04 Leverkusen gegen den 1. FC Köln ist so eine Begegnung. Vor genau 40 Jahren, Monate nach dem Aufstieg der Leverkusener in die Bundesliga, hat es mit dem ersten Spiel der beiden rheinischen Vereine eine Art gewaltsamen „Urknall“ gegeben. Das Verhältnis zwischen den gewaltbereiten Anhängern beider Vereine ist seither nachhaltig und dauerhaft zerstört.

30 Verletzte, zwölf Festnahmen

Das Spiel am 15. September 1979 geriet zu einem wahren Fiasko. Der Samstagnachmittag ist bei vielen in der Stadt bis heute unvergessen: 30 Verletzte, sowohl Polizisten als auch Fans, darunter womöglich an den Ausschreitungen Unbeteiligte, zwölf Festnahmen. Die Reporter des „Leverkusener Anzeiger“ berichteten damals, die Auseinandersetzungen hätten „die Form einer Straßenschlacht angenommen, wie man sie hier kaum je erlebt“ habe. So brutal wie die Fans des 1. FC Köln zugelangt hätten, sei das geradezu kriminell gewesen, schrieben die Lokalreporter in der Montagsausgabe.

Aber auch die Leverkusener sollen nicht nur vor den Kölnern weggelaufen sein: Sie rissen Zaunpfähle im Stadtpark aus dem Boden und zogen damit gegen die gegnerischen Fans aus der Nachbarstadt. Schon am späten Mittag vor dem Spiel flog ein Mann bei einer Auseinandersetzung in der City in eine Schaufensterscheibe. Ergebnis: Gesichtsverletzungen, Krankenhaus.

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Mitten in die Schlägerei zwischen den rivalisierenden Fußballanhängern aus Leverkusen und Köln war unser Fotograf Holger Schmitt vor 40 Jahren hineingeraten. Er dokumentierte hemmungslose Brutalität.

Auch während des Spiels ab 15.30 Uhr am Nachmittag gerieten die Rowdys – wie sie damals hießen – aneinander: Kölner rissen im Stadion Reklamebänder ab, bei einer Prügelei mit Polizeibeamten musste ein Polizist ins Krankenhaus, Steine flogen in die Leverkusener Zuschauerränge.

Von der Brutalität überrascht

Später ging es weiter: Die Leverkusener erwarteten die Kölner an der damaligen Rialto-Brücke, die Reporter erkannten, dass die Konfrontation (von beiden Seiten?) geplant worden war: „Wie eine Horde Wilder stürzten 100 Leute aufeinander los.“ Die Leverkusener Polizei war vor 30 Jahren noch nicht auf solche Gewaltexzesse beim Fußball vorbereitet und wurde von der Brutalität überrascht.

Der damalige Fotograf des „Stadt-Anzeiger“, Holger Schmitt, erinnert sich: „Der Nachmittag war das brutalste, was ich in meiner Berufslaufbahn erlebt habe“. Der Gewaltausbruch sei rauschhaft gewesen, sagt Schmitt. Einer mit einem langen FC-Schal schlug mit einer Kette um sich, das hielt Anzeiger-Fotograf Holger Schmitt im Bild fest. Schmitt wurde nicht verletzt, obwohl er sich mitten im Geschehen bewegte. Immerhin schafften es die Beamten, die 100 Leute zu trennen, die Reporter beobachteten kurz darauf, dass die Fans in der City C erneut „blindwütig aufeinander loskeilten“.

Es scheint, als hätte sich am 15. September 1979 ein Hass explosiv entladen, der sich schon vor dem Spiel angestaut hatte. Woher der Furor kam, kann heute kaum jemand klar erklären. Fan-Beauftragter Rüdiger Vollborn, der Quellen zur Bayer-04-Vereinshistorie sammelt, sagt, es habe schon in den 50er-Jahren harte Rivalitäten in der Oberliga zwischen den Vereinen gegeben. Dann sei bis 1979 aber jahrelang Ruhe gewesen, sogar Freundschaftsspiele soll es gegeben haben. Der Torwart Vollborn stand 16 Jahre für Bayer 04 im Tor. Dennoch ist er in der Frage ein wenig unentschieden: „Die Ursache? Tja. Vielleicht ist es einfach die räumliche Nähe zwischen den Städten?“

Spielergebnis wurde unwichtig

Schmitt sagt, er habe das Gefühl gehabt, dass die Kölner die Leverkusener nie ganz ernst genommen hätten, und dann seien sie plötzlich gleichrangig in der Bundesliga gewesen. Dann wären einfaches Revierverhalten und aggressive Selbstbehauptung der Anlass. Nach dem Motto: „Die Macht am Rhein sind nur wir.“ Ab dem Tag jedenfalls machten die Fangruppen bei allen Spielen Probleme.

Die extreme Gewalt, die sich bei Fußballkrawallen entlädt, soll tatsächlich die Folge eines „Blutrauschs“ sein, in den sich die jungen Männer hineinsteigern, sagen Psychologen. Wie im Krieg, nur dass nicht getötet wird. Angeblich helfe nur dauerhaftes und sehr konsequentes Ausgrenzen gewaltbereiter Fans, so eine Expertenmeinung aber mit langen bundesweiten Stadionverboten tun sich fast alle Vereine schwer, über die Gründe kann man nur spekulieren. Die Vereine haben sich zu mächtigen lokalen Unternehmen entwickelt.

Maximal unwichtig war das Spielergebnis. Die Partie endete unentschieden, 1:1.

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