Niemand stimmt dem Haushaltsplan in der jetzigen Form zu. Nun soll es im Spätherbst klappen.
StadtratLeverkusen debattiert über einen Etat, den es nicht gibt

Leverkusens Stadtrat hat den von der Kämmerei vorgelegten Haushaltsentwurf für dieses Jahr nicht verabschiedet.
Copyright: Ralf Krieger
Es bleibt dabei: Der Stadtrat hat den Entwurf für den Haushalt 2025 am Montag verworfen. Über den Sommer soll weiter an dem Zahlenwerk gearbeitet werden. So versagten CDU, Grüne, FDP und AfD dem Zahlenwerk und dem damit verbundenen Konzept für die Sicherung des Haushalts ihre Zustimmung. Hier und da gab es Enthaltungen, unter anderem in der SPD. Hauptgrund: Der Etat schließt nicht nur in diesem Jahr mit einem Defizit ab. Sondern auch in zehn Jahren kann kein Ausgleich erreicht werden. Das entscheidende Ziel werde also nicht erreicht. „Wir wollen ein Haushaltssicherungskonzept, an dessen Ende mindestens eine schwarze Null steht“, so formulierte es Claudia Wiese, die Fraktionsvorsitzende der Grünen.
Stefan Hebbel fasste den Ist-Zustand noch einmal zusammen: „Die Stadt Leverkusen steuert im Direktflug auf einen finanziellen Kollaps zu.“ Der Fraktionschef und OB-Kandidat der CDU kritisierte, Oberbürgermeister Uwe Richrath und Kämmerer Michael Molitor hätten Krisenzeichen ignoriert. Schon 2023 hätten die Einnahmen deutlich unter Plan gelegen. Trotzdem seien für 2024 und 2025 Gewerbesteueransätze von 395 Millionen Euro „munter fortgeschrieben“ worden. Die Notbremse Haushaltssperre im August 2024 sei „zu spät, zu zögerlich, zu verantwortungslos“ gewesen.
828 neue Stellen in Leverkusens Verwaltung seit 2021
Das Einnahmen- sei auf ein großes Ausgabenproblem getroffen, so Hebbel. Zwischen 2021 und 2025 seien in der Stadtverwaltung 828 neue Stellen geschaffen worden. Und das ohne Personal-Controlling. „Aufgabenkritik“ nannte das SPD-Fraktionschefin Milanie Kreutz in ihrer letzten Haushaltsrede: „Die haben wir nicht.“ Sie vermisst wie Stefan Hebbel ein personelles Konzept, Schwerpunkte, wie Leverkusen sich entwickeln soll.
Kreutz wollte ein Spar-Konzept in der „Task Force“ entwickeln lassen, die längst wieder abgeschafft wurde. Unter anderem, weil im Verwaltungsvorstand keine Bereitschaft bestanden habe, an den Themen zu arbeiten. An der Rathaus-Spitze „wird gebrüllt und gezetert“, so die Vorsitzende der SPD-Fraktion. Es gebe Dezernenten, die kategorisch jede Sparmaßnahme ablehnten; in der Verwaltung habe sich „ein Silo-Denken“ etabliert – „dabei steht am Ende ein Haushalt“.
Für Claudia Wiese hat zuletzt zu viel Optimismus geherrscht an der Spitze der Stadtverwaltung. Spätestens Anfang 2024 hätte der OB ein Sparkonzept auflegen müssen, kritisierte die Fraktionschefin der Grünen. Stattdessen hätten sich er und der Kämmerer „in die Tasche gelogen, bis es nicht mehr ging“. Entsprechend stehe derzeit ein Haushaltsentwurf, „der keine Perspektive bietet“.
Die großen Fraktionen ignorieren die Katastrophe
Auch die Bürgerliste reiht sich bei den Neinsagern ein – aber mit Stimmenthaltung. „Nicht, weil wir grundsätzlich dagegen sind. Sondern weil dieser Haushalt grundsätzlich falsch ist“, so Karl Schweiger. Aus vielen Fraktionen kämen immer weiter Anträge, „alle mit Preisschild“. Im Stadtrat herrsche „eine fundamentale Weigerung, Realität zur Kenntnis zu nehmen“. Bisher sei den meisten Stadtverordneten nicht mehr eingefallen, als „mit dem Finger auf die Verwaltung“ zu zeigen. „Aber: Die Verwaltung führt aus. Der Rat entscheidet.“
Dass rund ein Jahr nach der notfallmäßig erlassenen Haushaltssperre immer noch kein Konzept da ist, wie man die Lage in den Griff bekommen könnte, zeige: „Der Stadtrat macht seinen Job nicht. Er verwechselt Bequemlichkeit mit politischer Kontrolle“, so der Fraktionschef der Bürgerliste.
Leverkusen brauche jetzt nicht die nächste Großfeuerwache oder ein weiteres Parkhaus: „Wir brauchen Ehrlichkeit.“ Stattdessen liege nun „ein Meisterwerk des Selbstbetrugs“ vor, so der Mann von der Bürgerliste.
Die Stadt hat viel zu viele Standorte
Für FDP-Fraktionschef Jörg Berghöfer steht der Etatentwurf „nicht nur auf wackligen Füßen, sondern ist keineswegs geeignet, uns aus der Haushaltskrise zu führen“. Deshalb könne man jetzt nicht zustimmen. Nachhaltig sparen könne man vor allem beim Personal. Und da falle auf, „dass Leverkusen im Vergleich zu anderen Städten – wie zum Beispiel Solingen – mit einem deutlich größeren Personalbestand arbeitet, insbesondere in Bereichen wie dem Gleichstellungsbüro, der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie im Bereich Klima und Mobilität.“ Da stelle sich die Frage: „Wozu brauchen wir so viele zusätzliche Stellen, wenn vergleichbare Städte mit weniger Personal auskommen?“
Auch der Immobilienbestand sei problematisch: Die Stadtverwaltung ist auf viele Gebäude verteilt. „Das ist kein Verwaltungsdezentralismus mehr – das ist ein städtebaulicher Hindernisparcours mit hohem Energieverbrauch und niedriger Produktivität“, kritisierte der Freidemokrat.
Beim Thema Grundsteuer liegt Leverkusens FDP nicht auf Linie der Ratsmehrheit, die den Empfehlungen der Landesregierung nicht gefolgt ist. Auf diese Weise habe Leverkusen voriges Jahr auf rund zehn Millionen Euro Grundsteuereinnahmen verzichtet. Da müsse man dringend nachsteuern, denn die Grundsteuerreform sei gerecht.
Streitpunkt Grundsteuer
Auch Markus Pott (Opladen Plus) zeigt kein Verständnis für die niedrigeren Grundsteuersätze. Dagegen sei die kalkulierte Million aus der angedachten Beherbergungssteuer eher Kleingeld. Pott findet es „erstaunlich“, dass sich Kämmerer Molitor trotz seines CDU-Parteibuchs in seiner Fraktion nicht habe durchsetzen können.
Für Yannick Noé ist Leverkusen nach zehn Jahren unter dem Sozialdemokraten Uwe Richrath „arm, aber leider überhaupt nicht sexy“. Der AfD-Fraktionschef nahm aber besonders aufs Korn, dass der Haushaltsplan für 2025 erst nach der Kommunalwahl verabschiedet werden soll. Das sei ein Zeichen von „Feigheit“, sogar „Wählertäuschung“, weil die Leverkusenerinnen und Leverkusener im September noch nicht wissen, was die Stadt streichen muss.
Das Rücktrittsangebot von Michael Molitor zeige, dass an der Spitze der Stadtverwaltung nicht mehr „gemeinsam gearbeitet“ werde. So komme man nicht voran. In den Themen Sicherheit, vor allem aber Digitalisierung habe Leverkusen schon in der vergangenen Dekade keine Fortschritte gemacht, so Noé.
Keneth Dietrich findet, die Entscheidungsträger der großen Fraktionen „sind noch eine Erklärung schuldig“: Aus Sicht der Linken hat sich die Senkung des Gewerbesteuer-Hebesatzes auf 250 Punkte längst als großer Fehler herausgestellt. Die Konzerne ließen Leverkusen im Stich. Genauso falsch sei eine Senkung des Strompreises für die Industrie. Geld, das in Leverkusen eingespart würde, werde ohnehin im Ausland investiert.
In eine ähnliche Richtung zielte Benedikt Rees: Noch immer habe sich Leverkusen nicht von Bayer emanzipiert. Mit der Folge, dass die Stadt auf wenigen Gebieten vorankomme und politisch die falschen Prioritäten setze. Mit Blick auf sich selbst kritisierte der Vertreter der Klimaliste den Umgang mit politischen Minderheiten. Sie würden im Stadtrat ausgegrenzt und von der Stadtverwaltung attackiert, so Rees – wenige Minuten, bevor ihm ein Bediensteter erneut ein Schreiben zustellte.
Ganz anders Gisela Kronenberg: Sie erinnerte daran, dass die meisten Fraktionen die Haushaltspläne der vergangenen Jahre verabschiedet haben. Und zwar auch dem von 2024: Also dem Haushaltsplan, den Kämmerer Michael Molitor als „auf Kante genäht“ beschrieben hatte. Und im vorigen August einkassieren musste.