Künstler stellt Unikate herBank aus Manforter Johanneskirche lebt als Stift weiter

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Jörg Lutz an seiner Drechselbank.

Leverkusen – Wiedererkennen kann man sie nicht: Die Bank aus der Johanneskirche in Manfort hat ihr Äußeres komplett gewandelt. Sie lebt jetzt als Holzstift weiter. Gedrechselt hat den Stift Jörg Lutz. Der 56-Jährige lebt mit seiner Frau in Odenthal, zwei Kinder sind schon flügge geworden, der Jüngste wohnt noch zu Hause. Ein Schild mit der Aufschrift „Leise: Facetime-Unterricht“ zeugt noch von den Widrigkeiten des Homeschooling.

Lutz ist eigentlich Elektroingenieur, nach einer Ausbildung hat er Elektrotechnik studiert. Gebürtig stammt er aus Mannheim, hat dort auf dem Hof seiner Großeltern gern altes Werkzeug gefunden, auch eine Säge hatte er immer mal wieder in der Hand, erzählt er. Der Erstkontakt zur Schreinerkunst war also schon früh da.

Das Schlüsselerlebnis kam 1991, zum 50. Geburtstag seines Vaters gingen ihm die Ideen aus, es sei langsam in die Richtung „immer nur Fresskörbe“ gegangen, schmunzelt Lutz. Dann die zündende Idee: Warum nicht etwas persönliches wie einen Stift selber herstellen? Er kaufte sich eine Drechselbank und legte los.

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Der zweite Teil der Kirchenbank hat seinen Platz im Garten gefunden.

Mittlerweile ist schon das zweite Gerät in Betrieb. Die Drechselbank steht unter dem Dach, vom Wäscheraum aus klettert er die Leiter hoch, vorbei geht es an Holz in allen möglichen Farben und Formen in seine Werkstatt. Drechselröhren stehen parat, der Boden ist voller Späne vom letzten Stift. Schwarz-weiß: Ebenholz, sagt Lutz, das lasse sich wie alle harten Hölzer gut verarbeiten. In Vor-Corona-Zeiten hatte er die Schreinerarbeiten neben seiner Tätigkeit als Techniker für Bühnen, Messen, Konzerte und Kabarett gemacht, aktuell konzentriert er sich darauf, ist aber noch unschlüssig, welchen Raum das in Zukunft einnehmen soll.

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Als Handwerker sieht er sich nicht, auch wenn die Hälfte seiner Möbel im Haus aus seiner Hand stammen. Als Künstler aber auch nicht. Kunsthandwerker? Jörg Lutz überlegt. „Um einen Begriff zu finden, müsste ich mich definieren, das ist schwierig“, räumt er ein. „Ich bin ein freier Mensch und möchte mein Leben so frei gestalten, dass ich nicht abhängig bin“, formuliert er schließlich. Wenn da nicht ein Künstler aus ihm spricht.

Persönliches ist wichtig

Wichtig ist ihm, dass das, was er herstellt, persönlich ist. Er kaufe kein Holz in Massen, für anonyme Ware, betont er. Daher geht auch die aktuelle Preissteigerung am Holzmarkt an ihm vorbei. „Ich mache nichts von der Stange.“ Die Menschen kommen oftmals mit einem Stück Holz zu ihm und gehen mit einer Erinnerung wieder weg. Aus einem alten Apfelbaum hat er eine Urne gemacht, erzählt er, aus einer alten Buche, die noch die früheren Generationen gepflanzt haben, hat er für eine Kundin ein Rasierapparat für ihren Mann gedrechselt. „Ich habe Freude an schönen Sachen. Vor allem, wenn ich sehe, wie sich die Leute darüber freuen und wenn ich weiß, was für eine Bedeutung das Holz für sie hat.“

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Ganz unterschiedliche Hölzer bearbeitet Jörg Lutz.

Dass die Bänke der Johanneskirche neue Besitzer suchen, hat er über das Kulturausbesserungswerk (KAW) in Opladen erfahren. Dort kümmert er sich ehrenamtlich um die Licht- und Tontechnik. Ein Bekannter half ihm dabei, die Bank – in zwei Teile gesägt – auf einem Anhänger zu transportieren. „Dann habe ich sie in mundgerechte Stücke zerlegt“, erklärt Jörg Lutz. Die ersten 70 Stifte sind angefragt, 15 von ihnen bereits gedrechselt. „Die Leute rennen mir die Bude ein“, sagt er. Viele wollten eine Erinnerung an die Kirche haben, ob sie jetzt dort getauft wurden oder geheiratet haben. Seine eigene Frau sei auch in der Johanneskirche getauft worden, „das habe ich aber erst hinterher erfahren“, lacht Lutz.

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So sieht ein Stift aus der Bank der Johanneskirche aus.

Er macht die Drechselmaschine an, es sirrt, die Corona-Maske schützt nicht nur vor Viren, sondern auch vor Sägespänen. Er nimmt die große Drechselröhre in die Hand und legt an. Zu den Spänen am Boden gesellen sich einige mehr. Die reine Drechselzeit sei kurz, erläutert der 56-Jährige. Für einen Bleistift brauche er knapp eine halbe Stunde, für einen Füller zwei bis drei. Doch dann muss er noch schleifen, das Holz zwischendrin abkühlen lassen, es ölen, wachsen, lackieren oder einfärben – je nachdem, wie die Kundschaft es haben möchte. Drei Tage braucht er somit insgesamt für einen Stift. Die Maschine ist aus, Jörg Lutz setzt sich auf die Bank vor seinem Haus. Die Ähnlichkeit ist kein Zufall: Es ist die zweite Hälfte der Bank aus der Johanneskirche. Sie lebt als Gartenbank weiter.

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