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FazitWieso die Leverkusener Macher des „Start“-Festivals nichts auf Zahlen geben

4 min
Ein Höhepunkt des „Start“-Festivals war der Auftritt des Vision String Quartets.

Ein Höhepunkt des „Start“-Festivals war der Auftritt des Vision String Quartets.

Ab Ende 2026 will Bayer Kultur keine Konzerte mehr im Erholungshaus ausrichten.

Mit mehr als 8000 Besucherinnen und Besuchern auf 25 Konzerten in Leverkusen, Monheim, Wuppertal, Dormagen, Darmstadt und Weimar ist das „Start“-Festival von Bayer Kultur zu Ende gegangen. Christoph Böhmke, der künstlerische Leiter des Festivals, und Thomas Helfrich, Bayer-Kultur-Chef, zeigen sich durchaus zufrieden damit. „Es ist schön, zu sehen, dass die Dinge angenommen werden“, sagt Böhmke.

Viele Abende seien ausverkauft gewesen, und ohnehin schaut die Kulturabteilung von Bayer ein bisschen anders auf die Bewertung ihres Festivals. Eher auf die Gesamtauslastung als auf die konkreten Zahlen. Will heißen: Manche Konzerte und Vorstellungen seien bewusst in kleine Hallen gelegt worden, weil klar war, dass „man mit manchen Sachen nicht die Massen bewegt“, wie Böhmke sagt. Es gehe also nicht darum, hohe Zahlen und „ausverkaufte“ Veranstaltungen auf die Beine zustellen. Es sei viel mehr so, dass man den richtigen Ort für jedes Konzert suche. Und, davon ist der Programmchef überzeugt, viele Menschen kämen auch wegen der Orte. Nicht nur in Leverkusen, zum Beispiel auch ins Kloster Knechtsteden.

Eine sehr privilegierte Ausgangssituation ist das. Nicht zwangsläufig auf hohe Verkaufszahlen angewiesen zu sein, sondern Veranstaltungen eher von der Kunst als vom Zuschauer oder der Zuschauerin aus zu denken. Das weiß auch Thomas Helfrich: „Aber gerade, weil wir das können, müssen wir das doch machen.“ Sonst werde man belanglos. „Wir sind völlig frei in dem, was wir tun.“ Und da nehme man in Kauf, dass es Leuten auch mal nicht gefallen könne. „Das kann auch mal überfordern“, räumt Helfrich ein. Aber es gehe, darum, sich auseinander zu setzen. In einen Dialog zu treten. Und auch Schwellen abzubauen. Denn von einem elitären Gedanken wollen Böhmke und Helfrich nichts wissen.

Iris Berben und Bayer-Philharmoniker traten im Erholungshaus auf.

Iris Berben und Bayer-Philharmoniker traten im Erholungshaus auf.

Sie verfolgen den Gedanken, dass die Künstlerinnen und Künstler auf ihrem Festival auch mal etwas ausprobieren können – „frei von ökonomischem Druck“. Das sei auch etwas, das die Musikerinnen und Musiker schätzen, sagen sie. „Das ist ein Privileg“, so Thomas Helfrich.

Wenn Christoph Böhmke an einzelne Veranstaltungen zurückdenkt, gerät er besonders bei einem Abend ins Schwärmen: Als Iris Berben im Erholungshaus mit den Bayer Philharmonikern auftrat. Das Orchester spielte Prokofjew und Schostakowitsch und die Schauspielerin las Briefe von Sasha Marianna Salzmann aus: „Sasha Marianna Salzmann, Ofer Waldman: Gleich-zeit. Briefe zwischen Israel und Europa“. Und zwar mit einer solchen Perfektion, „die ich noch nie gehört hatte“. Das sei ganz hohe Vortragskunst gewesen, sensibel und demütig.

„Ein Abend des Mitgefühls und des Menschseins“ sei dabei herausgekommen. Und es sei nicht darum gegangen, für oder gegen etwas zu sein. Böhmke ist sich sicher: „Das war ein Abend, den werden die Menschen nicht vergessen.“ Und das sei es, was man mit dem „Start“-Festival erreichen wolle. „Kunst machen, die die Menschen im Innersten betrifft.“ Dazu zähle zum Beispiel auch der Anne-Frank-Abend mit der Staatsoper Hamburg. Oder das Vision String Quartet, „das ja um sein Leben gespielt hat“. Nicht funktioniert haben, und das nicht zum ersten Mal, die Gastspiele von größeren Orchestern in Wuppertal. Daraus will man lernen, denn grundsätzlich sei das ein toller Konzertort.

Das Programm für 2026 steht auch schon, ohnehin plane man sogar schon bis 2029, berichten die beiden. Im kommenden Jahr werde man mit dem Deutschen Nationaltheater in Weimar zusammenarbeiten, und das Eröffnungsfest wird erstmals im Kasino an der Kaiser-Wilhelm-Allee stattfinden. Ein Vorgriff auf das, was kommt: Denn Helfrich sagt, dass man ab 2027 sehr wahrscheinlich keine Veranstaltungen mehr im Erholungshaus ausrichten werde. Und dafür wolle man das Kasino als Konzertort vorbereiten.

Bayer Kultur will das Erholungshaus in der Kolonie abgeben, einen symbolischen Euro wolle man dafür von der Stadt haben. Die kann sich angesichts der Haushaltslage den Betrieb aber nicht leisten. Es sieht also derzeit danach aus, dass das Konzerthaus in eineinhalb Jahren leer stehen wird.