Am Freitag, 3. November, eröffnet der Singer-Songwriter Philipp Poisel (40) im Forum die 44. Leverkusener Jazztage.
Philipp Poisel im Interview„Ich habe es mir manchmal vielleicht etwas zu leicht gemacht“

Philipp Poisel tritt im Leverkusener Forum auf.
Copyright: Sophie Seybold
Herr Poisel, wie geht es Ihnen?
Philipp Poisel: Bei mir alles super. Ich freue mich, dass ich in den kommenden Wochen ein paar Termine habe und unterwegs bin. Gerade im Herbst ist es schön, wenn man ein bisschen was zu tun hat.
Warum ausgerechnet im Herbst?
Na ja, es wird kälter und dunkler – und es fällt schwerer, vom Sofa aufzustehen. Da ist so ein ordentliches Tourprogramm gut. Es bringt mich dazu, rauszugehen.
Ich verstehe. Was macht Philipp Poisel denn im Herbst, wenn er nicht gerade auf Tour ist?
Tatsächlich gehe ich ganz gerne ins Kino – und versuche überhaupt, aktiv zu bleiben. Vielleicht finde ich auch ein gutes Buch – wobei ich meist schon nach einer Seite einschlafe. (lacht) Auf jeden Fall bietet sich der Herbst – genauso wie der Winter übrigens – aber an, um Songs zu schreiben. Weil sich in dieser Jahreszeit der Blick einfach etwas mehr nach innen richtet. Ich kann mich dann besser auf meine Gedanken konzentrieren und in mich hineinhören.
Ein ordentliches Tourprogramm bringt mich dazu, rauszugehen.
Das scheint eine gängige Meinung innerhalb Ihres Berufsstandes zu sein. Ein anderer Musiker sagte mir in einem Interview einmal: „Im Sommer, wenn gutes Wetter ist, dann gehe ich raus und trinke ein Bier mit Freunden. Dann setze ich mich nicht ins Kämmerlein und schreibe Lieder.“
Ja, da ist was dran. Auch ich kann im Sommer keine Songs schreiben. Im Herbst und Winter kommen mir einfach die besseren Gedanken.
Und die scheinen vor allem eher düster zu sein. Viele Leute sagen: Der Poisel ist immer so melancholisch und traurig …
Ja. Es scheint bei mir tatsächlich so zu sein. Und wenn ich dann versuche, dagegen anzusteuern und auch mal auf etwas lustiger zu machen, dann denke ich irgendwie, dass ich meine gewohnten Pfade verlasse. Jeder hat eben sein Metier. Und meines ist eben eher das Nachdenkliche.
Und wie ist das mit politischen und gesellschaftlichen Themen, die gerade – siehe Israel, siehe die Wahlen in Hessen und Bayern mit den guten Ergebnissen für die AfD – wieder überall ins Bewusstsein drängen?
Sagen wir so: Ich habe natürlich meine Meinung dazu. Ich bin ja Demokrat. Ich will, dass die Demokratie erhalten bleibt. Und ich setze mich dafür ein. Das ist mir persönlich sehr, sehr wichtig. Gleichzeitig sind Konzerte für mich immer auch eine Gelegenheit gewesen, um den Alltag auszusperren. Aber: Es kann sein, dass ich das in Zukunft noch einmal überdenke.
Inwiefern?
Ich habe es mir in der Vergangenheit manchmal vielleicht etwas zu leicht gemacht und mich politisch ein bisschen rausgehalten. Mittlerweile denke ich, dass ich diesbezüglich auch mal stärker Stellungen beziehen sollte. Ich denke, da geht noch was. Es muss jetzt zwar nicht immer ein politischer Text, ein politisches Lied sein. Aber man kann ja schon durch einen Aufritt und ein Statement etwas bewirken.
Ich habe es mir manchmal vielleicht etwas zu leicht gemacht.
Sie sagen: „Es muss nicht immer ein politisches Lied sein.“ Aber es passiert nun mal viel da draußen in der Welt. Inwiefern ist Musik also – eben auch abseits von persönlichen, in Songs verpackte Krisen – für Sie eine Möglichkeit, solche Eindrücke zu verarbeiten?
Ich denke, das passiert auf jeden Fall, wenn auch eher im Unterbewusstsein.
Manche Menschen schauen schon gar keine Nachrichten mehr, um nicht vollends desillusioniert zu werden. Wie ist das bei Ihnen?
Ich glaube, der Medienkonsum ist so ausgeprägt und unmittelbar heutzutage, dass jeder Mensch genau aufpassen sollte, wie viel er verarbeiten kann. Ich persönlich habe da, so glaube ich, einen ganz guten Zugang, denn: Ich habe kein Smartphone. Ich informiere mich zwar – auch durch die Zeitungen. Aber man muss das alles zwischendurch auch erstmal sacken lassen.
Kein Smartphone: So etwas ist heutzutage doch unvorstellbar!
Ja, diese Lebensweise ist wahrscheinlich schon ein Auslaufmodell. Aber es gibt eben Sachen, die ich gerne mache – auf der Bühne stehen zum Beispiel. Und Sachen, die ich nicht gerne mache: Mein Müsli fotografieren und auf Social Media zeigen. Insofern passt das schon. Außerdem bin ich weniger anfällig für die Werbebranche. (lacht) Die versuchen einem ja digital schon, ihre Interessen aufs Auge zu drücken. Wobei: So ganz ohne Internet und Computer geht es leider nicht. Sprich: Es ist nicht immer ganz einfach für mich. (lacht) Und gerade während Corona war es durchaus schwierig, ohne Smartphone auszukommen.
Ja, diese Lebensweise ist schon ein Auslaufmodell.
Kommen wir mal auf Leverkusen zu sprechen. Bei den Jazztagen traten Sie schon 2017 einmal auf. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Ich weiß noch, dass das Publikum bei den Jazztagen sehr konzentriert war. Es gibt ja auch Konzerte, zu denen die Menschen eher in Feierlaune gehen. In Leverkusen hatte ich seinerzeit das Gefühl, dass sie kommen, um zuzuhören und auf Details achten. Und es ist für eine Band ja immer schön, so ein Publikum zu haben. Eines, das die Musik wertschätzt. Sowas erzeugt eine ganz besondere Atmosphäre.
Aber Sie sind letztlich Singer-Songwriter. Sprich: Bei Ihnen geht es ja vor allem um Songs und darin verpackte Geschichten. Nicht ums Musikalische an sich, oder?
Sagen wir so: Wenn die Qualität der Musiker genau unter die Lupe genommen wird wie in Leverkusen, dann fordert uns das noch einmal zusätzlich – was wir mögen, da wir ambitioniert sind. Und nicht zuletzt sind Konzerte wie das bei den Jazztagen immer auch eine Gelegenheit, Songs so ein bisschen abgewandelt zu spielen und eine andere Note reinzubekommen. Und das ist gut. Es gehört für mich nämlich dazu, mich selbst immer wieder neu zu erfinden.