Die Turbulenzen an den Finanzmärkten haben den Vorstand um Stefan Nellshen in Atem gehalten. Man lege „konservativstmöglich“ an.
BilanzSo geht Bayers Sterbekasse in Leverkusen mit dem Geld ihrer Mitglieder um

Die Siedlung am Kreuzhof gehört der Bayer-Beistandskasse und ist komplett vermietet. Es gibt sogar eine Warteliste.
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Der Angriff auf die Ukraine und seine Auswirkungen auf die Finanzwelt zeichnen sich auch in Bayers Sterbekasse ab. Der Vorstand hat das Geld der Mitglieder der als Versicherungsverein organisierten Beistandskasse kräftig umgeschichtet. Wie, das erläuterte am Mittwoch Vorstand Stefan Nellshen auf der Mitgliederversammlung. Die wurde nochmals im virtuellen Raum abgehalten – und sie war kaum besucht. Vorbei die Zeiten, als hunderte Mitglieder wissen wollten, wie der Vorstand mit ihren Beiträgen umgeht. Die Phase des Misstrauens – vor vielen Jahren hervorgerufen durch einen Systemwechsel, der die Versicherten schlechter stellte, was erst im Nachhinein deutlich wurde – ist längst vorbei.
Dennoch sah sich Nellshen natürlich verpflichtet, den wenigen Mitgliedern die Anlagestrategie detailliert zu erläutern. Der Vorstand, der vor allem Chef der weitaus größeren Bayer-Pensionskasse ist und die Beistandskasse nebenher leitet, gab tiefe Einblicke in das Anlage-Management – immerhin sind auch in der Sterbekasse 221 Millionen Euro zu betreuen. Und auch, wenn die Zahl der Mitglieder Jahr für Jahr weiter schrumpft: Der Versicherungsverein besteht immer noch aus 63.128 Personen. 2016, das berichtete Vorständin Claudia Picker, waren es indes 77.435. Auch das Durchschnittsalter steigt immer weiter: von gut 68 Jahren 2016 auf nunmehr fast 71 Jahre. Die Zahl derer, die älter als 85 sind, lag 2018 bei gut 8000, jetzt sind es schon 10.000.
Die Mitglieder werden immer älter
Gleichzeitig sinkt das Beitragsaufkommen: 2016 waren es noch gut 5,3 Millionen Euro, die Bilanz von 2022 zeigt nur noch knapp 3,8 Millionen. An Sterbegeldern wurden zuletzt 12,5 Millionen Euro ausgezahlt. 2016 waren es 9,9 Millionen. Auch die noch zunehmende Lebenserwartung malt sich in der Bilanz der Beistandskasse ab: 2016 wurden die Mitglieder im Schnitt 82,5 Jahre alt, 2022 gut 85 Jahre. Dennoch ist die Zahl der Sterbefälle ziemlich deutlich um knapp 400 auf 2636 gestiegen.
Die Beistandskasse agiert also in einer demografischen Falle. Erst recht, weil sie zuletzt trotz intensiver Werbung unterm Strich keinen Zuwachs an Mitgliedern verzeichnen konnte. Das sah vor 100 Jahren – der Verein wurde im Mai 1923 als „Sterbehilfskasse der Farbenfabriken“ gegründet – noch völlig anders aus. Heute ist es von entscheidender Bedeutung, das Vermögen der Versicherten bestmöglich anzulegen.
Neue Tochterfirma für die Immobilien
Und das war nach dem 24. Februar 2022 schwierig. Denn nur zwölf Prozent des Geldes stecken in Immobilien. Dieser Anteil hat sich im vorigen Jahr nur buchhalterisch erhöht: Die Beistandskasse hat die beiden Bürohäuser in Aachen und Ulm sowie ihre Wohnsiedlung am Kreuzhof in Wiesdorf in eine Immobilien-Tochtergesellschaft ausgelagert. Weil die Gebäude dort zu ihrem Marktwert auftauchen und nicht zum durch hohe Abschreibungen geminderten bilanziellen Wert, sind aus rund zehn mehr als 27 Millionen Euro geworden. Der Effekt dieser Umbuchung sei auch „ein bisschen mehr Bilanz-Wahrheit“, kommentierte Nellshen die Transaktion.
88 Prozent der Werte sind auf dem Finanzmarkt angelegt. Und da habe es im vorigen Jahr erhebliche Umschichtungen gegeben: Die Beistandskasse hat sich aus Aktienfonds deutlich zurückgezogen. Die litten vor allem nach Ausbruch des Krieges unter starken Kursverlusten: „Im April ist uns richtig unheimlich geworden“, sagte Nellshen mit Blick auf 2022. Weil an der Börse nach wie vor keine guten Geschäfte zu erwarten sind, verfolge man die Exit-Strategie auch in diesem Jahr weiter, so der Vorstand: Inzwischen steckten nur noch 76 Millionen Euro in Aktienfonds. Anfang 2022 waren es noch 109 Millionen.
Wo ist das Geld hin? In Namenstitel, die feste Zinsen bringen. Deren Anteil sei von 88 auf 123 Millionen Euro gestiegen. Zu der „konservativstmöglichen“ Anlagestrategie gehöre auch, dass man Staatsanleihen aus Südeuropa nur mit spitzen Fingern anfasse, sagte Nellshen. „In Griechenland investieren wir nicht.“ Der Beinahe-Staatsbankrott wirkt bis heute nach. Das war die letzte Krise, die den Vorstand der Bayer-Beistandskasse zum Handeln gezwungen hatte.