Corona-Sperrstunde„Viele Leverkusener Gastronomien sterben einen langsamen Tod“

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Leere Stühle: Die Gastronomen bangen um Gäste und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.

  • Nur 0,5 Prozent der Neuinfektionen in Deutschland gehen auf Restaurantbesuche zurück, sagt Tatiana Goncalves Herborn von der Casa Portuguesa.
  • Dennoch muss erneut die Gastronomie besonders unter den neuen Auflagen leiden.
  • Viele Leverkusener Gastronomen sind sauer auf die Politik, einige wollen sich mit Außengastronomie über den Winter retten.

Leverkusen – Erst kam das Virus, dann das schlechte Wetter, dann die immer schlechter werdenden Nachrichten. Der aktuelle Höhepunkt am Dienstag: Sperrstunde und Kontaktbeschränkungen. Den Gastronomen der Stadt steht ein harter Herbst und Winter bevor.

Bereits Anfang des Monats hat der Stadtrat beschlossen, zur Unterstützung der Branche die Genehmigungen für die erweiterten Flächen der Außengastronomie auch im Winter aufrecht zu erhalten. „Bis auf weiteres“, also ohne zeitliche Begrenzung, dürfen Restaurants und Cafés im öffentlichen Raum ihre Tische und Stühle stehen lassen und ausnahmsweise in diesem Winter auch die aus ökologischen Gründen bereits verbotenen Heizpilze wieder einsetzen.

Enttäuscht von der Politik

„Eigentlich eine gute Entscheidung“, sagt Heimo Förster, Vorsitzender der Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) Leverkusen, allerdings mit einem dicken „aber“: „Davon wird nur ein Bruchteil der Gastronomen profitieren.“

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Für sein Restaurant, das Schmalztöpfchen in Opladen, lohnt sich die Investition in eine Überdachung der wenigen Außenplätze an Gehweg und Parkstreifen nicht. „Ich habe das mal durchgerechnet, das hole ich im Leben nie wieder rein.“ Es sei ja gut, dass die Politiker helfen wollen, aber man möge sich mal selbst als Gast überlegen, wer jetzt noch draußen sitzen möchte. „Es wird um 18 Uhr dunkel und hat dann acht Grad, das will kein Mensch. Und Heizpilze sind zum einen eine ökologische Katastrophe und zum anderen machen sie auch nur warme Schultern und die Füße sind kalt.“

Tatiana Goncalves Herborn ist enttäuscht von der Politik, mit einem Wintergarten will sie die Casa Portuguesa über den Winter retten.

Tatiana Goncalves Herborn ist enttäuscht von der Politik, mit einem Wintergarten will sie die Casa Portuguesa über den Winter retten.

Viel wichtiger fände Förster, dass die Politik die Gastronomen mal fragen, was sie wirklich brauchen. Verbale Unterstützung zum Beispiel: „Es muss von oberster Stelle klar kommuniziert werden: »Geht in die Gastronomie, da könnt ihr bedenkenlos einen schönen Abend verbringen. Die Gastronomen wissen, was sie tun, die machen einen guten Job, die kümmern sich für Euch um die Hygiene und den Abstand.«“ Das Gegenteil ist der Fall, wenn man mit Sperrstunden signalisiert, dass ein Besuch gefährlich sei.

Existenzsorgen

Unterstützung sei aber existenziell, um den Gästen ihre Sorgen zu nehmen. „Ich weiß von ganz vielen Leverkusener Gastronomien, die gerade einen langsamen Tod sterben“, sagt Förster. Und der Winter hat noch nicht einmal richtig begonnen. Den Oktober will er noch abwarten, vielleicht kommen ja noch ein paar schöne Tage. Dann werden die Außensitzplätze am Schmalztöpfchen abgebaut. „Und den Anwohnern die Parkplätze zurückgegeben“, sagt Förster. Das einzig Gute an der Entscheidung, die Außengastronomie „bis auf weiteres“ zu erlauben, sei, dass sie dann vielleicht im März direkt wieder loslegen könnten, sobald die ersten wärmeren Tage kommen.

Wintergarten für die Casa Portuguesa

Tatiana Goncalves Herborn ist ebenso enttäuscht von der Politik. „Ich habe mich mal eingelesen: Nur 0,5 Prozent der Infektionen in Deutschland gehen auf Gastronomiebesuche zurück“, sagt die Betreiberin der Casa Portuguesa in der Neuen Bahnstadt. Und trotzdem falle Armin Laschet nichts besseres ein, als eine Sperrstunde. „Da kann man den Insolvenzantrag für Kneipen direkt mit dranhängen", sagt Herborn. Ein Krisenstab mit Politikern und Gastronomen aus allen Bereichen, das würde sie sich wünschen.

Heizstrahler und Lammfell

Dennoch will sie es versuchen mit der Außengastronomie im Winter. Am Freitag wird die bestellte Terrassenüberdachung geliefert, die Casa Portuguesa bekommt einen „Winterbiergarten“. „Vielleicht ist das unsere einzige Chance“, mutmaßt die Gastronomin. „Wir hoffen, dass wir dadurch die Terrassensaison noch weiter verlängern können.“

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Das Café Extrablatt hilft Gästen mit warmen Decken aus.

Auch Mirel Keča hat im Manforter „Haus am Park“ die Terrasse aufgerüstet: Mit Infrarot-Heizstrahlern, Lammfellen „und massenweise Fleecedecken“, sagt die Geschäftsführerin. Obwohl das Wetter in den letzten Wochen deutlich schlechter geworden ist, verzeichnet sie immer noch deutlich mehr Reservierungen für die überdachte Terrasse, als in früheren Jahren. „Sonst haben wir im Herbst die Terrasse immer geschlossen, weil es keine Nachfrage mehr danach gab“, sagt Keča. Durch Corona bleibt die Terrasse in diesem Jahr erstmals durchgängig offen.

Lüften bringt Kälte

Einige Gäste trauen sich auch bei Schmuddelwetter noch nach draußen, berichtet Keča. „Und wenn wir sie erst einmal mit allen Decken ausgestattet haben, merken sie, dass es eigentlich ganz gemütlich ist.“ Auch Innen hat Keča aufgerüstet: Es gibt nun eine Filteranlage, die die Luft alle halbe Stunde komplett austauscht. Dennoch wird regelmäßig gelüftet. „Da haben wir auch schon Kritik bekommen, weil es mal im Nacken zieht“, sagt die Geschäftsführerin. Ihr Tipp für Restaurantbesuche im Herbst und Winter ist daher: passende Kleidung und eventuell ein Schal oder Tuch mitbringen. Egal, ob man nun drinnen oder draußen sitzt.

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