Klimawandel machts möglich: Ulrich Erxleben kultiviert in seinem einzigartigen Hausgarten hunderte exotische Pflanzen.
Leverkusener Garten120 Feigensorten gedeihen in Manfort

Er hat 120 verschiedene Feigensorten gesammelt, aber nicht nur: In Ulrich Erxlebens Garten in Manfort wachsen etwa 500 verschiedene essbare Pflanzen.
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Nein, Vegetarier sei er nicht, allerdings fällt in seinem Garten mehr als genug Obst und Gemüse ab, von dem er sich den ganzen Sommer über schon ernähre, sagt Ulrich Erxleben. Er steht in Gartenkluft in seinem 2000 Quadratmeter großen Garten in Manfort. Das besondere ist nicht die Größe oder die Masse der Nahrung, die er gewinnt, sondern die Vielfalt und die Methode, nach der der Gärtner seine Pflanzen zieht.
Erxleben ist verrückt nach Pflanzen, ein Gartenfreak: 500 essbare Pflanzen hat er angepflanzt; wohl tausend Arten und Sorten insgesamt, er hat 20 Apfelsorten, 15 verschiedene Quitten und zehn Bäume mit unterschiedlichen Kaki-Sorten, zehn Kirschen, zehn Pflaumen, alle möglichen Beerensorten, Granatäpfel, mehrere Sorten Esskastanien, Pfeffersorten, Wurzeln, seltene Nüsse, wie die gemeine Pimpernuss. Erxlebens Aufzählung ist schier endlos, er greift links und rechts in die Bäume und Büsche, mit dem Notieren kommt man nicht hinterher: Ein botanischer Garten, aber ohne die Schildchen im Boden, die die Pflanzen erklären. Seit 15 Jahren nimmt das Projekt so richtig Fahrt auf.

Hochbeete: Ulrich Erxleben schafft sein Arbeitspensum, weil er keine Ruhe findet.
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Das Hobby des Gärtners, wenn man das so nennen kann, sind Feigen. 120 Sorten der Gattung Ficus hat er in seinem Garten, in Töpfen und in der Erde. Überall im Garten stehen sie, manche haben jetzt im Oktober schon keine Blätter mehr, andere stehen sattgrün da und sind voller Früchte. „Wenn man einen guten Ertrag haben will, brauchen Feigen im Sommer erstaunlich viel Wasser“, sagt Erxleben. Andere Steckenpferde sind Kiefern, aber nur solche mit blauen Nadeln und immergrüne Eichensorten.
Der Garten ist auch ein Klima-Versuchsfeld
Seinen Wasserbedarf deckt Erxleben mit Regenwasser vom Dach und vom Grundstück; in einem Graben neben dem Haus wird es gesammelt und rieselt langsam in die Erde, aber nur Richtung Garten. Da Regen aber immer weniger wird, hat er sich einen eigenen Brunnen bohren lassen. „Anders ginge das hier gar nicht“, sagt der Gärtner. „Allerdings gibt es auch größere Beete, die nie einen Tropfen Gießwasser brauchen und dennoch Nahrungsmittel hervorbringen.“
Der Garten in Manfort ist auch ein kleines Versuchsfeld, der Klimawandel hat heftige Auswirkungen auf die Flora: Was wächst besser, was geht gar nicht mehr im Rheinland? Äpfel wachsen zu schnell, wenn es zu warm wird, sagt Erxleben. Feigen sind robust und lecker. Einen Tipp hat er: Maulbeerbäume haben Zukunft, die muss man nicht gießen, haben schöne Blätter und bieten etwas zu essen, die Früchte sehen Brombeeren ähnlich. Der Klimawandel ist Fakt: „Die Hälfte der Pflanzen hier wären noch vor 40 Jahren im Winter erfroren“, sagt Erxleben.

Man sieht’s ihr nicht direkt an: Diese Sorte Zitrusfrüchte ist 60 Euro pro Kilogramm wert.
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Für die besonders empfindlichen gibt’s eine kleine Orangerie zum Überwintern. Darin stehen schon im Oktober die Zitrusbäumchen: Eines, aus China, liefert Früchte, die 60 Euro je Kilo wert seien, sagt der Gärtner. Sie sehen allerdings aus wie schäbige Zitronen.

Verschiedene Sorten Feigen, die im Garten von Ulrich Erxleben in Manfort wachsen.
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„Was heißt schon heimisch?“, sagt Erxleben, der die Einwände von Kritikern kennt, weil er fast nur fremde Pflanzen anbaut. „Ganz viele unserer sogenannten heimischen Pflanzen haben uns die Römer gebracht.“ Allerdings findet er es auch nicht lustig, wenn sich ständig in seinem Edelgarten invasive Arten aussähen, wie der unvermeidliche Kirschlorbeer – und noch viel schlimmer sei ein großer Götterbaum an der Straße gegenüber: Immer muss er die Sämlinge aus seinen Beeten rupfen.
Erxleben gärtnert nach dem Prinzip des Forest-Gardening, also mit Bäumen, Schatten, mit möglichst großer Vielfalt. „Man verschmerzt dann eher, wenn mal was nicht gelingt.“ Gift ist tabu, es gibt Insekten, in seinem Garten flattern wohl auch deshalb eine Menge Vögel herum. Einzige Ausnahme: Ohne Schneckenkorn geht es oft nicht. „Die haben mir von den Feigen die harten Blätter gefressen.“

Einer von mehreren Kaki-Bäumen
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Nach seinem Abitur hat Erxleben eine Gärtnerlehre gemacht und ist dabeigeblieben: „Ich wusste früh, dass ich nicht ruhig sitzen kann und lernen.“ Er arbeitete bei der Stadt, bis zur Rente gärtnerte der 63-Jährige bei der Lebenshilfe mit Behinderten, nebenbei hat er auf seinem Grundstück in der Schleswig-Holstein-Siedlung neben der Bahn seinen Garten aufgebaut. „Immer nach der Arbeit bis Sonnenuntergang.“ Pflanzen bestellt er meist online, Recherchen macht er nachts. „Wenn ich was sehe, muss ich es haben“, erklärt er seine Shopping-Gelüste, mit der er es zu der beeindruckenden Vielfalt gebracht hat.

Überall Ruheplätze, nur werden sie nicht gebraucht.
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Wie schafft Erxleben das enorme Arbeitspensum? Er hat ADHS, hat keine Ruhe. „Ich mache nichts anderes“, sagt er, „Ich kann nicht ruhig sitzen; es ist ein Witz, dass ich die schönsten Sitzplätze im Garten eingerichtet habe, nur sitze ich da nie.“ Urlaub kann er nur im Winter machen, wenn alles ruht.

Dem Spitzengastronomen Erik Scheffler (rechts) verkauft der Manforter exotische Früchte.
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Das Grundstück sei der alte Garten des Schrankenwärters, die Kieler Straße hatte früher einen Bahnübergang. Als Relikt steht noch ein altes Bahn-WC-Häuschen aus Wellblech im Garten.

Der Garten gehörte zu einem Bahnwärterhaus. Dieses Wellblech-WC stammt daher.
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Erxleben isst nicht nur selbst, was wächst: Er verkauft Früchte, Gemüse und Blüten an den Kölner Spitzengastronomen Erik Scheffler, der die exotischen Nahrungsmittel in seinem Restaurant Neobiota, nahe am Barbarossaplatz, verarbeitet. Das sei sehr regional, sagt er, aber eine kreative Herausforderung, weil Früchte in der Regel nur kurz verfügbar seien.