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JazztageJan Garbarek im Leverkusener Labor der Sounds

Lesezeit 3 Minuten
Der norwegische Jazz-Saxofonist Jan Gabarek (l.) gastierte bei den 43. Leverkusener Jazztagen im Erholungshaus. Mit dabei war Percussionist Trilok Gurtu (r.).

Zwei von vier Großmeistern im Erholungshaus: Jan Gabarek (l.) und Trilok Gurtu.

Am vorletzten Abend der 43. Leverkusener Jazztage zeigen Saxofonist Jan Garbarek und seine Mitstreiter um Percussionist Trilok Gurtu, zu welcher Brillanz jahrelange Kollegenschaft führen kann.

Schon die Art und Weise, wie diese vier Musiker des Abends die Bühne des ausverkauften Erholungshauses betreten, hat etwas Einmaliges und Aufsehenerregendes: Frontmann Jan Garbarek, Percussionist Trilok Gurtu und Pianist Rainer Brüninghaus sind merklich in die Jahre gekommen. Lediglich Bassist Yuri Daniel macht mit seinen 56 Jahren und dem noch gänzlich unzerknitterten Gesicht auch optisch den Eindruck eines jungen Mannes, der gerade erst am Beginn seiner Karriere steht.

Garbarek, die grauen Haare wie immer streng nach hinten gekämmt, treibt es zudem auf die Spitze, wenn er seine Saxofone im Stile eines altehrwürdigen, zum Fahrkartenschalter der Bahn strebenden Gentlemans mitsamt Köfferchen in der Hand mitführt, um sie erst dort oben, vor den Augen der Zuschauenden, auszupacken. Das Handgepäck eines reisenden Routiniers, der die Welt schon zigfach gesehen hat.

Der norwegische Jazz-Saxofonist Jan Garbarek gastierte bei den 43. Leverkusener Jazztagen im Erholungshaus.

Ausgepackt aus dem Köfferchen und reingepustet: Jan Garbarek und sein Instrument, das Saxofon.

Doch dann, sobald sich die ersten Töne von den Instrumenten dieses Quartetts lösen und in den Saal hinaus flirren, wird die Combo zum personifizierten vierköpfigen Jungbrunnen und tritt den Beweis an: Musik ist im besten Falle zeitlos. 

Einer von bereits vielen Besuchen

Natürlich weiß man, wozu Jan Garbarek, Trilok Gurtu, Rainer Brüninghaus und Yuri Daniel gemeinsam fähig sind. Sie sind schließlich nicht zum ersten Mal hier in Leverkusen zu Gast, sondern einmal mehr. Was bedeutet: Man kommt gar nicht mehr nach mit dem Zählen. Aber es ist dann doch immer wieder ein Erlebnis, diese Musiker zu sehen und zu hören. Sie haben sich längst in einen Status der Unantastbarkeit gespielt.

Jan Garbarek verwendet das Saxofon wie die menschliche Stimme, wenn er improvisiert oder – was typisch ist für ihn und immer wieder an einen anderen Großmeister wie John Coltrane und dessen „A Love Supreme“-Meilenstein erinnert – die Hauptthemen seiner Stücke in Regelmäßigkeit aus dem Improvisierten aufsteigen lässt.

Der norwegische Jazz-Saxofonist Jan Gabarek (r.) gastierte bei den 43. Leverkusener Jazztagen im Erholungshaus. Mit dabei war auch Bassist Yuri Daniel (l.)

Gehört traditionell zur Band Jan Garbareks: Bassist Yuri Daniel (l.)

Yuri Daniel geht in den zwei Stunden Konzertzeit jede erdenkliche Art des Bassspieles durch – Zupfen, Slappen, Anschlagen, Akkordschreddern. Brüninghaus wiederum sitzt stoisch vor seinem Keyboard und arbeitet spielend und ohne jede Bewegung im Gesicht wie eine Tastenmaschine, die dann jedoch während gut acht Minuten der Hinwendung zum Flügel links neben ihm zum Tastenakrobat mutiert. 

Im Eimer versenkte Klangpfannen

Und über Trilok Gurtu muss man nun wahrlich keine Worte mehr verlieren. Sollte es aber dennoch tun, denn: Streng genommen ist er, der indische Perkussionist, derjenige, der diesem Quartett erst den wahren Zauber und magische Momente schenkt. Sein Instrumentarium aus Drumset, Handtrommeln, Rasseln, Becken, Klangröhren, Pfeifen und was auch immer da noch so um den Mann mit der wilden grauen Mähne herum aufgebaut steht, gemahnt an ein Labor. An einen Experimentierkasten der Sounds.

Und auch wenn Trilok Gurtu gerne und die meiste Zeit über ziemlich grimmig dreinschaut, macht es ihm doch diebisch Spaß, plötzlich auch mit seiner Stimme Rhythmen zu singen. Oder Klangpfannen anzuschlagen, während er sie in einem mit Wasser gefüllten Metalleimer versenkt.

Wie Pech und Schwefel

Am Ende ist es gut, diese wie Pech und Schwefel zusammenhängenden und aufeinander abgestimmten Musiker an einem Ort wie dem Erholungshaus zu erleben. Hier ist die Akustik um ein Vielfaches besser als im Forum. Und hier ist man – zumindest auf den meisten Plätzen – näher dran, kann jeden einzelnen Handgriff des Quartetts genau verfolgen. Und nachvollziehen, was sie zu Unantastbaren macht: Die Wucht des Kollektivs, das zwar schon aus schon fertigen und jeweils für sich funktionierenden Alphamännchen des Jazz besteht, aber bei der Bündelung der Kräfte vom exquisiten Erlebnis zum Ereignis wird.