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ProzessLeverkusener Bauunternehmer soll den Staat um 2,2 Millionen Euro betrogen haben

Lesezeit 4 Minuten
Außenansicht des Landgerichts Köln

Ein Opladener Bauunternehmer steht wegen vielfachen Betrugs vor dem Kölner Landgericht.

Es war alles dabei: Schein-Anstellungen, fingierte Rechnungen, falsche Stundenlisten. Mit seinem Betrugssystem hat der Opladener nach Ansicht der Ermittler 955.000 Euro Steuern und knapp 1,3 Millionen Sozialbeiträge vermieden.

Es geht um sehr viel Geld. 2,2 Millionen Euro Steuern und Sozialabgaben hat ein Opladener Bauunternehmer nach Berechnungen der Staatsanwaltschaft nicht abgeführt. Zwischen Januar 2016 und Oktober 2020 soll das die Regel gewesen sein in der Firma – wegen der langen Zeit kommen 256 Fälle zusammen. Auf die Spur gekommen sind die Ermittler dem Unternehmer im Rahmen eines großen Prozesses in Koblenz: Dort wurde das Geschäftsmodell einer Baufirma juristisch aufgearbeitet, die eigentlich nur auf dem Papier bestand. Sie stellte Scheinrechnungen aus; auch der Opladener machte von diesem Modell Gebrauch, in dem er rund ein Viertel seiner Leute zum Schein dort arbeiten ließ.

Die Fake-Firma vom Mittelrhein hat rund 50 Millionen Euro Steuern und Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen. Im Vergleich dazu ist der 39 Jahre alte Angeklagte, der sich am Freitag vor dem Kölner Landgericht vorstellt, geradezu ein kleiner Fisch. Der Mann, der im Mai 1983 im heutigen Nordmazedonien geboren wurde, aber auch noch einen bulgarischen Pass besitzt, erweckt zunächst den Eindruck, es dem Gericht leicht machen zu wollen. Die Vorwürfe seien „im Wesentlichen zutreffend“, fasst sein Verteidiger Markus Bündgens zusammen. Das ist auch der Tenor eines Geständnisses, das der Beschuldigte am 17. Dezember vor zwei Jahren im Gefängnis abgelegt hatte.

Razzia und Haftbefehl

Gut sechs Wochen war der zweifache Familienvater in Haft. Am 4. November 2020 standen um 6 Uhr morgens Polizisten vor der Tür. Die Razzia brachte jede Menge Beweismaterial zutage – es türmt sich auf dem Tisch von Hans-Wilhelm Oymann, dem Vorsitzenden Richter der 12. Großen Strafkammer.

Die Durchsuchung und der sofort danach vollstreckte Haftbefehl, so scheint es, hat den Unternehmer grundlegend zum Nachdenken gebracht. Seine Trockenbau-Firma besteht weiter – und seit er einen deutschen Bauleiter angestellt habe, liefen die Geschäfte gut. Und selbstverständlich komplett legal, versichert er auf Nachfrage.

Auf dem „falschen Weg“

Einen derart soliden Auftragseingang wie jetzt habe er früher nicht gehabt, berichtet der ausgebildete Fliesenleger. Vor 14 Jahren ist er nach Deutschland gekommen. In der Hoffnung, es hier besser anzutreffen als in seiner Heimat oder in Griechenland, wo er zwei Jahre lang sein Glück versuchte. Nach fünf Jahren habe er sich hier selbstständig gemacht, zunächst als Einzelfirma. 2015 wurde eine GmbH draus – und nicht viel später „habe ich den falschen Weg genommen“.

Weil er in der Branche nicht gut vernetzt war, sei der Auftragseingang mau gewesen. Der harte Konkurrenzkampf unter Sub-Unternehmern habe seine Firma ins Schlingern gebracht. Daraus resultierte ein System, das den Staat am Ende um 955.000 Euro Steuern und die Sozialkassen um rund 1,3 Millionen Euro Beiträge brachte.

Ganz entscheidend – am Ende auch für das Strafmaß – ist aber, ob die Kalkulation der Staatsanwaltschaft zutreffend ist. Die Ermittler beziehen sich auf augenscheinlich penibel geführte Tabellen, in denen die Arbeitszeiten der im Schnitt 20 bis 25 Angestellten des Angeklagten aufgelistet sind – samt der daraus resultierenden und überwiesenen Löhne.

Die Listen gibt es „nur so“

Diese Dokumente zeigten aber nicht die Wirklichkeit, sondern existierten „nur so“, will der Unternehmer glauben machen. Prinzipiell seien dort mehr Arbeitsstunden aufgelistet worden. Der Grund: Man wollte den Auftraggebern dokumentieren, dass sehr viel Arbeit geleistet wurde. So sollte vermieden werden, dass der Preis im Nachhinein gedrückt wird. In Wahrheit, so der Beschuldigte, hätten seine Leute pauschale Löhne bekommen. Das hätte dann auch seine Kalkulation vereinfacht, weil im Trockenbau meist nach Quadratmeter Fläche bezahlt wird: wenn man etwa große Flächen spachtelt.

So richtig einleuchtend erscheint das dem Vorsitzenden Richter nicht: „Ich verstehe das nicht, vielleicht bin ich zu blöd“, sagt Oymann nach dem x-ten Erklärungsversuch. Dass in einer Baufirma so aufwendig falsche Arbeitszeiten dokumentiert werden, nur um bei späteren Preis-Nachverhandlungen etwas in der Hand zu haben, kann der Richter einfach nicht glauben.

Nächste Woche will Oymann einen weiteren Versuch starten, den Beschuldigten und seine Buchführung zu verstehen.

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