26 MessersticheAls ein friedliches Leverkusener Viertel aufgeschreckt wurde

Lesezeit 2 Minuten
LE_Schumannstrasse-Waldsiedlung_(1)

Der Schauplatz des Dramas vom 20. April in der Waldsiedlung.

Leverkusen – Die Tat schockierte, vielleicht weil der Ort der Inbegriff der Gutbürgerlichkeit ist: Die Waldsiedlung in Schlebusch. Dort klingelte am 20. April ein 19-Jähriger an der Haustür seiner früheren Mitschülerin. Als deren Mutter öffnete, stach er 26 Mal auf sie ein. Zweieinhalb Liter Blut verlor die Frau, schleppte sich auf die Straße, wo Nachbarn Hilfe holten. Noch in der Nacht wurde sie durch eine Notoperation gerettet. Im Oktober ging der Prozess am Landgericht in Köln los. In knapp sieben Wochen wurden die Motive und das Innenleben des jungen Mannes, der kurz zuvor die Schule geschmissen hatte, beleuchtet.

Was die Gutachterinnen und Gutachter, auch die Richterschaft sah, war nichts Gutes. „Einen Hang“ zu exzessiver Gewalt unterstellten die Psychiaterin und der Psychologe dem Mann. Auch Wut einer narzisstischen Persönlichkeit, die ein hohes Aggressionspotenzial mit sich herum schleppt, sahen sie. So kam es, dass der Angeklagte Ende November zu sieben Jahren in einer geschlossenen Klinik verurteilt wurde. Die Vorsitzende Richterin Ulrike Grave-Herkenrath sprach von einem „außergewöhnlichen Fall“, die verhängte Strafe, die eine spätere Sicherungsverwahrung nicht ausschließt, habe sie in Jahrzehnten noch nicht ausgesprochen.

Tochter brüllt Angreifer hinterher

Zentral für die Verhandlung war die Tochter der Verletzten. Für sie hatte der damals 19-Jährige Gefühle entwickelt, sie stellte er sich als seine Traumfrau vor und erging sich in Auswandererfantasien. Die 18-jährige Tochter, die in diesem Jahr ihr Abitur am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium gemacht hatte, sagte auch vor Gericht aus. Am Abend des 20. April hatte sie noch aus dem Fenster geschaut, als die Schreie ihrer Mutter verklungen sind. „Was hast du getan, du scheiß Arschloch“, erinnerte sie sich ihm hintergebrüllt zu haben. Angebandelt hatten die beiden zuvor nur über Whatsapp, es hat nur ein Treffen auf dem Schulhof gegeben.

Dass er so eine Tat begeht, hätte sie ihm „in diesem Ausmaß“ nicht zugestanden, erklärte die 18-Jährige vor der Kammer. Sie war sichtlich schockiert über den Verlauf („Ich habe noch nie so eine Aggressivität erfahren“), gab sich aber auch kämpferisch: „Mir wurden sechs Monate meines Lebens genommen“, sagt sie, aber der Angeklagte „hat es nicht geschafft, mein Leben zu zerstören“. Dennoch schien es, als würde sie ein wenig Mitleid für ihn aufbringen: „Er wurde sein ganzes Leben nie richtig verstanden.“

Das könnte Sie auch interessieren:

KStA abonnieren