Leverkusener SpezialistWarum Denso nach 100 Jahren zum Öl zurückkehrt

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Der Firmensitz von Denso in Rheindorf aus der Luft

Mittendrin in Rheindorf: Der Abdichtungsspezialist Denso, hier eine Luftaufnahme vom vorigen Juni

„Ich dichte ab“: So übersetzt man aus dem Lateinischen den Firmennamen Denso. Ist damit alles gesagt über den Rheindorfer Spezialisten? Sicher nicht.

100 Jahre, das ist normalerweise ein Grund zu feiern. Doch bei Denso ist die ganz große Sause ausgefallen. Das habe man im Mai entschieden, hieß es am Montag in Rheindorf. Als klar wurde, dass der Ukraine-Krieg den Dichtungsspezialisten an vielen Stellen treffen wird.

„Wir können nicht dauernd an den Preisen schrauben und dann riesig feiern“, findet Thomas Kaiser. Der Technik-Geschäftsführer des Dichtungsspezialisten hat andere Themen, die damit zu tun haben, das Unternehmen gut durch die nächsten Monate und Jahre zu bringen. Kaiser zählt auf: die absehbare Knappheit des Grundstoffs Bitumen. Sehr viel davon kommt aus Schwedt an der Oder, raffiniert aus russischem Öl. Weil die Druschba-Pipeline bald leer läuft, werden sich die Kunden einer anderen Quelle zuwenden: der Rheinland-Raffinerie in Godorf. Die aber ist seit Jahrzehnten Densos Hauptlieferant. Was bei kleinerem Angebot und gleicher Nachfrage mit den Preisen passiert, weiß man.

Problemfelder: Kautschuk und Energie

Nächstes Problem: der erkennbare Mangel an Butylkautschuk, den Denso auch braucht. Der werde weltweit nur noch von einer Handvoll Unternehmen hergestellt – „zwei ganz große sind in Russland“, berichtet Kaiser. Auch das verursacht Zukunftssorgen an der Felderstraße. 

Schließlich Energie: Denso kann Gas nur durch Öl ersetzen. Und daran arbeite man im Moment, berichtet Kaiser: Die Feuerung soll auf Hybrid-Brenner umgerüstet werden, die neben Gas auch Öl vertragen. Anders könne man nicht gewährleisten, dass in Rheindorf nicht zwischendurch die Produktion still steht, „weil wir abgeschiebert werden“.  Die Umrüstung auf Öl koste übrigens „mehrere Hunderttausend Euro“, ergänzt Max Wedekind. „Die investieren wir, ohne einen Meter mehr zu verkaufen“, klagt er.  

Die Denso-Geschäftsführer Max Wedekind (links) und Thomas Kaiser zeigen ein Produkt

Die Denso-Geschäftsführer Max Wedekind (links) und Thomas Kaiser in der Produktion

Natürlich versuche man, wenigstens beim Strom die Abhängigkeit von fossilen Quellen zu verringern, ergänzt Thomas Kaiser. Solarkollektoren sollen auf so viele Dächer wie möglich. „Wenn die Berechnungen stimmen, könnten wir 800 bis 900 Kilowatt peak erreichen“, sagt der Technik-Chef. Das klingt zunächst viel, entspreche aber „weniger als 20 Prozent unseres Verbrauchs“, muss Kaiser einschränken. Anderen Unternehmen in Leverkusen bringt die Photovoltaik mehr: zum Beispiel dem Kran-Bauer Depa in Manfort

Am Anfang stand Paul Schades Patent

Wäre da nicht die Marktführerschaft bei Dichtungsbändern für Rohre und die Innovationskraft bei Dichtungen im Straßenbau – die Feierlaune zum 100-jährigen Bestehen wäre wohl vollends verflogen. Aber es gibt ja den Erfindergeist in Rheindorf, der erst im vorigen Jahr zu einer Welt-Neuheit geführt hat: einem Dichtungsband für Rohre, das ohne Grundierung, also in einem Arbeitsgang aufs Rohr kann. An so etwas arbeite man durchaus mehrere Jahre, erklärt Kaiser. Dafür ist das Band dann erst einmal einige Jahre lang patentgeschützt.     

Mit einem Patent hat auch mal alles angefangen: fünf Jahre nach der Gründung erfindet Paul Schade eine in Petrolatum getauchte Mullbinde. Sie ermöglicht erstmalig, die Zuleitungen der Berliner Gaslaternen sicher zu schützen. Zuvor wurden sie mit flüssigem Bitumen zum Schutz vor Korrosion bestrichen. Das wurde nach kurzer Zeit brüchig, die Gasleitungen rosteten durch. Es dauerte nicht lange, und die „Denso-Binde“ ging als Abdichtung von Pipelines um die Welt. 

So sah das Denso-Werk 1960 von oben aus

Luftbild von Denso im Jahr 1960

Denso an der Burgstraße in Rheindorf im Jahr 1950

Die Anfänge in Leverkusen: Denso an der Burgstraße in Rheindorf im Jahr 1950

Auch heute ist das Unternehmen weltweit aktiv. Nachdem der Firmensitz im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört worden war, ging es nach Leverkusen. Die Gründer suchten die Nähe zur Chemischen Industrie und gute Transportwege. Bayer, der Rhein und die alte Bahnlinie überzeugten die Denso-Leute von einem Grundstück in Rheindorf. „Damals hieß die Felderstraße nicht nur so – hier waren auch nur Felder“, sagt Max Wedekind. Inzwischen ist das Unternehmen eingezwängt in ein Wohngebiet, was phasenweise für Probleme sorgte: Der Grundstoff Bitumen ist nun mal nicht geruchslos.   

Die Enge auf dem Firmengelände erfordert immer mal wieder etwas Gebäude-Tetris, wenn es um Erweiterungen geht. Aber auch in dieser Hinsicht herrscht bei Denso offenbar Erfindergeist. Der Lohn: rund 50 Millionen Euro Jahresumsatz, um die 170 Beschäftigte, von denen viele sehr lange bleiben. „Wir sind eben ein Familienunternehmen“, sagt Max Wedekind.   

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