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Leverkusens Stadionsprecher Tobias Ufer„Das finde ich doof. Da lasse ich nicht mit mir reden“

Lesezeit 5 Minuten
Stadionsprecher Tobias Ufer steht auf dem Spielfeld der Bayarena vor einer Tribüne, auf der Zuschauer sitzen.

Tobias Ufer ist seit fünf Jahren Stadionsprecher von Bayer 04 Leverkusen.

Tobias Ufer ist seit fünf Jahren Stadionsprecher bei Bayer 04. Außerdem ist er Fan. Trainer. Und jemand mit Prinzipien, wie er im Winterpausen-Interview verrät.

Der Hoodie, den Tobias Ufer trägt, während er über seinen Job spricht, passt thematisch perfekt, farblich dagegen gar nicht. Schließlich ist der Alltag des 44-Jährigen alles andere als grau: Tobias Ufer ist Stadionsprecher. Bei Bayer 04. Er ist zudem Fußballfan. Von Bayer 04.  Und er ist somit genau das, was vorne auf seiner Brust steht: ein „Bolzplatzkind“.

Ende der 80er hat er das erste Spiel der Werkself im Stadion gesehen. In den 90ern ging er dann häufiger hin. Tobias Ufer sah Markus Münch‘ Tor gegen Kaiserslautern und gegen den drohenden Abstieg. Er sah Champions-League-Nächte zum Träumen sowie die Vizekusen-Niederlage in Unterhaching zum Albträumen. „Irgendwann“, sagt er, „war ich halt regelmäßig da“. Und er war Fan.

Düsseldorfer ohne Fortuna-Interesse

Dass Ufer als in Monheim aufgewachsener Düsseldorfer eher familiäre Strömungen in Richtung der Fortuna mitbekam, habe ihn nie tangiert. Dass er als Verbandsliga spielender Torwart auf Typen wie Toni Schumacher – Köln – oder Uwe Kamps – Mönchengladbach – stand, ebenso wenig. Bayer war’s. Und Bayer ist es. Was gleichwohl nicht bedeutete, dass er irgendwann einmal in der Bay-Arena am Mikrofon stehen würde.

„Das war nicht geplant“, sagt er. „Wie auch? Es gibt ja auch nur 18 Stadionsprecher in der ersten Liga.“ Nein: Das habe sich halt so ergeben und zu tun mit seinem beruflichen Werdegang. Tobias Ufer war – bis zu seiner aktuellen Anstellung als Medienreferent bei den Kulturwerken Monheim – lange beim Fernsehen „und immer schon irgendwie Rampensau“. Für Lokalsender hatte er viel mit Bayer zu tun. War häufiger mal in Leverkusen für Drehs, als Bruno Labbadia und Michael Skibbe noch Trainer waren. Auch als er später in München für Sky arbeitete, rissen die Kontakte in die Heimat nie ab.

Irgendwann habe er dann bei Champions-League-Spielen für die Uefa im Bayer-Business-Bereich moderiert. „Und das fiel in die Zeit, in der mein Vorgänger als Stadionsprecher, Klaus Schenkmann, aufhörte. Er hat mich dann selbst ins Spiel gebracht als Nachfolger.“

Das Derby als plötzliche Premiere

Loslegen sollte Ufer in der Saison 2017/18. Eigentlich. Aber dann bekam sein Kollege eine Kehlkopfentzündung. Und er legte schon früher los. „Zwei Tage vor dem Spiel kam der Anruf: Klaus kann nicht. Go for it!“, erinnert er sich und betont: „Es war eine komplett neue Situation. Plötzlich sind da 30.000 Menschen.“ Das sei etwas anderes als nur in eine Kamera zu sprechen. Zumal es sich nicht um irgendein Spiel handelte. Es war das letzte Heimspiel der Saison. Derby gegen Köln. Bayer in Abstiegsnot. Der FC auf Europa-Kurs. „Das war heikel.“ Und ein Sprung ins kalte Wasser. „Da ging es nur darum, bloß keinen Fehler zu machen.“ Aber es ging gut. Ufer war im Geschäft.

Und ist seitdem geblieben. Mit klaren Ansprüchen an sich selbst: „Als Stadionsprecher transportierst du ja Dinge – sowohl in die eigene Kurve als auch in die Gästekurve. Und ich versuche immer, ein guter Gastgeber zu sein und niemanden in die Pfanne zu hauen.“ Was er nie machen würde? „Nach Toren für Bayer Dinge rufen, die despektierlich gegenüber den Gästen sind.“ So nach dem Motto: „Bayer zwei, Gegner XY null!“„Das finde ich doof. Da lasse ich auch nicht mit mir reden.“

Stadionsprecher Tobias Ufer steht mit seiner Kollegin, Stadionsprecherin Petra Dahl, an einem roten Pult auf dem Spielfeld und spricht in ein Mikrofon.

Stadionsprecher Tobias Ufer mit seiner Kollegin, Stadionsprecherin Petra Dahl.

Aufstellung wird auswendig gelernt

Ins Spiel gehe er völlig frei. Die Mannschaftsaufstellung lernt er stets  auswendig. „Ich will nicht vor der Kurve stehen und vom Blatt ablesen.“ Natürlich: Fehler passieren. Einmal vergaß Tobias Ufer Kerem Demirbay bei der Mannschaftsaufstellung. Einmal sagte er verdreht: „Willkommen in der bayrischen Heimarena“.

Und da war die Sache mit dem Becher. Vor dem B-Block. Tobias Ufer versucht ja immer, sich auch nach schlechten Spielen „sachlich und vernünftig“ von den Leuten zu verabschieden. „Auch wenn mir das dann selbst schwerfällt. Es ist mein Job.“ Und dann kam nach eben solch einem Spiel der Ruf: „Lass doch das Gelaber!“ Und der Becher. Passiert ist nichts. Und Ufer sagt auch: „Ich kann jeden Fan-Frust verstehen.“ Doch: Es gibt Grenzen. „Ich selbst würde nie einen Becher werfen. Ich motze nur.“ Das bekommt dann zuerst seine Moderationskollegin Petra „Pitti“ Dahl ab. Und später „vielleicht noch die Familie zu Hause. Das war es dann aber auch.“

Mehr Typ Alonso als Baumgart

Emotionen verstehen kann Ufer übrigens nicht nur als Fan. Er ist selbst auch Trainer. Beim SSV Berghausen in Langenfeld, wo er wohnt und die  E-Jugend seines Sohnes trainiert. „Ich war am Anfang sehr laut“, erinnert er sich und weiß: „Eigentlich müsste ich mich bei einigen der Jungs auch längst mal entschuldigen.“ Mittlerweile ist Ufer als Coach nämlich „eher der Typ Xabi Alonso als Steffen Baumgart“. Er lacht. „Ich hätte auch gerne so Fußball gespielt wie Alonso.“ Das hat leider nicht geklappt.

Was indes klappen soll: „Wenn ich mal kein Stadionsprecher mehr bin, hoffe ich, dass ich in einem Alter bin, in dem ich als Fan guten Gewissens auf der Haupttribüne sitzen kann. Und zwar mit der Familie.“ Denn dieses Erlebnis des gemeinsamen Fußballschauens mit den eigenen Kindern habe er ja nicht. „Auch wenn mein Sohn es natürlich cool findet, dass Papa da im Innenraum steht.“

Fußball-Overload vor der WM-Pause

Bis dahin dauert’s nun noch. So wie bis zum nächsten Spiel: Das ist erst im Januar – und Tobias Ufer froh darüber: „Das war ein Fußball-Overload in der ersten Saisonhälfte“ – weil er auch bei vielen Auswärtsspielen dabei war: München, Porto, Leipzig, Köln. „Meine Frau hatte schon gefragt: ‚Jetzt kommt aber erstmal keins mehr, oder?’“ Nein. Wobei: Fußball-WM? Auch nicht. „Ich habe das Eröffnungsspiel geschaut – und schnell gemerkt: Das wird nix mit mir und dieser WM.“ Was nicht unbedingt etwas mit Boykott zu tun hat. „Diese Diskussion ist müßig. Die Entscheidung für Katar wurde vor zehn Jahren getroffen. Kai Havertz war damals zehn.“

Nein: Bei Tobias Ufer sprang einfach „der Funke nicht über“. So wie das sonst der Fall ist, wenn er am Mikrofon im Stadion steht. Im nächsten Jahr dann wieder. Auf ein Neues.