Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Leverkusens WalpurgisnachtEin Schrotgewehr gefunden, kein Tanz in den Mai

Lesezeit 3 Minuten

Fast kann man sich vorstellen, dass die Hexen in dieser Nacht mit ihren Besen umherfliegen – die Menschen hielten sich größtenteils an die Ausgangssperre.

Leverkusen – Die Nacht zum ersten Mai ist magisch. Traditionell sind viele auf den Beinen, es wird getanzt, überall am Rheinufer wird gegrillt, gefeiert, gezecht, gezeltet. Ähnlich in den Dörfern und Hofschaften: Dort gibt es normalerweise die Maifeste, um die sich manchmal eigene Vereine kümmern, mit Lagerfeuern, Maibaum und Tanz. Eigentlich.

Abendlicher Treffpunkt

Dieses Jahr ist anders. Ausgangssperre. Wir haben deshalb eine kleinen Rundfahrt durch Leverkusen gemacht; die beginnt und endet an der Wacht am Rhein, dem Platz, der sich seit einigen Jahren zu einem abendlichen Treffpunkt verschiedener Szenen entwickelt hat.

Das könnte Sie auch interessieren:

Freitagabend, kurz vor 9 Uhr. Vergleichsweise ist heute wenig los: Am Rheinufer unten flanieren drei Pärchen. Auf dem Mäuerchen zu Füßen des gebückten Kunst-Stahlmännchens sitzen ein paar Grüppchen, meist sind es junge Männer. Sie gehen spazieren, sitzen herum, trinken etwas. Einer scheint beim Parfümieren übertrieben zu haben: Schwaden von Rasierwasser sind noch in 50 Meter Entfernung zu riechen. Offenbar wissen nicht alle, dass die Ausgangssperre in Leverkusen erst in einer Stunde um 22 Uhr beginnt, denn langsam lichtet sich die Szenerie. Die Paare können froh sein, setzen sich ins Auto und ziehen sich zurück.

Heikle Fundsache: Drei junge Männer haben ein Schrotgewehr aus dem Rhein gezogen.

Unten am Ufer zwischen Jachthafen und Autobahnbrücke stehen drei Jungs mit blendend weißen Turnschuhen im Kreis um eine heikle Fundsache: Der Pegel steht niedrig, sie haben zwischen den Steinen der Uferbefestigung ein Schrotgewehr herausgezogen. Es ist voller Schlamm und sieht nicht aus wie ein Spielzeug, es könnte eine Pumpgun sein, die Waffe der ganz schwer Kriminellen. Das Teil hat länger im Wasser gelegen. Die drei machen ernste Gesichter: klar, die Polizei wollen sie anrufen, sagen sie, vielleicht hat das Ding ja ein Verbrecher im Rhein entsorgt. Sie sollen damit zum Parkplatz hochkommen, sagt die Polizei am Telefon.

Matt lackierter Mercedes

Als die Beamten zur Wacht kommen, fahren kurz darauf ein paar der Männer ab. Einer in einem matt lackierten Mercedes rollt fast schon provozierend langsam mit blubberndem Motor an dem Polizeiwagen vom Platz, obwohl es noch nicht sein müsste. Noch gilt keine Ausgangssperre. Auf der Straße gibt er dann hörbar Gas.

Auch wir fahren jetzt erstmal eine Runde über die Dörfer. Die Stichprobe führt hinauf nach Edelrath über Engstenberg und Fettehenne. Falls es da Feiern gibt, haben die sich ins Private verlagert. Auf den Dörfern ist kurz vor 22 Uhr kein Mensch zu sehen. In Zimmern flackern Fernseher. An einer Stelle riecht es nach Lagerfeuer. Auch an einer Bank im Wald oberhalb von Horkenbach an der Pipeline-Trasse scheint es heute ruhig zu sein, dort soll neulich eine Party gefeiert worden sein: tütenweise Plastikmüll und Glasscherben blieben dort liegen.

Erstaunlich viele Autos

Zurück zum Rhein. Erstaunlich ist, wie viele Autos während der Ausgangssperre noch auf der Straße unterwegs sind. Ob alle von der Arbeit kommen oder aus der Moschee oder Kirche? Das wäre dann erlaubt. Es ist längst nach zehn.

Auf dem neuen Platz am Busbahnhof in Wiesdorf sitzen fünf Männer und unterhalten sich laut. Ob sie denn nicht wissen, dass Ausgangssperre ist? „Ja, schon, aber doch noch nicht sehr lange“, sagt einer. Die Lässigkeit könnte jeden 250 Euro kosten. Das Ordnungsamt ist aber nirgends zu sehen. Am Rhein auch nicht. Sollte es heimliche Feiern geben, dann war 2021 eine kühle Walpurgisnacht für die, die niemanden zum wärmen hatten: Lagerfeuer am Ufer sind keine zu sehen.