Motorradfahren trotz Corona-Krise?Die Polizei bittet darum, auf Touren zu verzichten

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Gruppen sind selten unterwegs, Treffpunkte geschlossen. Auch die Polizei sieht Motorradfahrer vor allem solo oder zu zweit.

Gruppen sind selten unterwegs, Treffpunkte geschlossen. Auch die Polizei sieht Motorradfahrer vor allem solo oder zu zweit.

  • Die Motorradsaison im Bergischen Land hat bei Sommerwetter schon vor Ostern begonnen.
  • Man darf trotz Corona-Krise fahren, aber ist das auch zeitgemäß?
  • Was die Polizei zur Lage auf den Straßen sagt und warum sie von Touren abrät.

Sommerwetter. Langes Oster-Wochenende. Die Motorradsaison ist gestartet. Die Corona-Epidemie drosselt die Freude auf Harley und Honda jedoch bedenklich. Ob man jetzt Touren durchs Bergische Land machen darf oder die Maschine in der Garage lassen sollte, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Einerseits haben viele Biker gerade jetzt viel Zeit und Sehnsucht, sich den Wind um den Helm wehen zu lassen, weil ihnen im Home-Office die Decke auf den Kopf fällt. Andererseits bestehen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, gegen die man nicht verstoßen möchte.

Lärmbeauftragter meldet viele Beschwerden

Aus Leichlingen meldet sich pünktlich Franz Jung, der ehrenamtliche Beauftragte der Stadt in Sachen Motorradlärm, zu Wort, und klagt über laute Raser, denen gestresste Bürger auf Balkon oder Terrasse schutzlos ausgeliefert seien: „Die Fahrer fühlen sich wie auf dem Nürburgring und lassen ihren Maschinen freien Lauf“, hat er beobachtet. Er spricht von „22 bis 25 Prozent illegal getunten und frisierten Motorrädern“ auf den Straßen und täglichen Anrufe und E-Mails von Bürgern, die sich massiv belästigt fühlen.

Die Aktions-Gemeinschaft „Silent Rider“, der auch Leichlingen, Wermelskirchen und Odenthal angehören, habe beim NRW-Verkehrsministerium Klage gegen diese Lärmbelästigung erhoben. Jung verweist auf Bayern, wo das "Motorradfahren zum Spaß“ jetzt bei Geldstrafe verboten worden sei. Und er fährt ein weiteres schweres Geschütz auf, den anonymen Appell eines Notarztes, der im Internet dazu aufruft, dass Motorradfahrer als potenzielle Unfallopfer zu Hause bleiben sollen, um die für Covid-19-Patienten lebenswichtigen Intensivstationen nicht zu blockieren.

Motorradfahren, ja oder nein? Lesen Sie hier unser Pro & Contra.

Was ist auf den Straßen los? Fragen an Richard Barz, den Sprecher der Polizei im Rheinisch-Bergischen Kreis.

Polizeisprecher Richard Barz

Polizeisprecher Richard Barz

Herr Barz, sind in der Corona-Zeit mehr Motorräder unterwegs als an vergleichbaren Schönwetter-Tagen?

Wir haben keine Verkehrszählung vorgenommen. Subjektiv werden die Kräder aktuell deutlich mehr wahrgenommen. Allerdings sind viele Bürger und Bürgerinnen zum Beispiel im Home-Office und hören einfach mehr. Auf der anderen Seite fahren deutlich weniger Autos und die Akustik der einzelnen Motorräder ist besser wahrzunehmen. Objektiv sind mir Hinweise auf Krad-Kolonnen – wie sonst üblich – nicht bekannt. Auch die optische Wahrnehmung von Krädern lässt keinen Schluss auf einen Anstieg zu – die Motorräder sind einzeln oder zu zweit auf der Straße.

Wird schneller gefahren, weil die Straßen leerer sind?

Ja, das ist auch unsere subjektive Wahrnehmung. Weniger Verkehr lässt die Fahrzeugführer augenscheinlich leichtsinniger werden. Daher ist auch der ESO-Wagen der Behörde (Lichtschranken-Blitzer, d. Red.) fortlaufend im Einsatz und kontrolliert. An einzelnen Kontrollstellen konnten auch eine Vielzahl von Verstößen festgestellt werden, die jetzt geahndet werden.

Viele Motorradfahrer nutzen das sommerliche Wetter trotz Corona-Krise für eine Tour durchs Bergische (hier auf der Landstraße zwischen Witzhelden und Hilgen).

Viele Motorradfahrer nutzen das sommerliche Wetter trotz Corona-Krise für eine Tour durchs Bergische (hier auf der Landstraße zwischen Witzhelden und Hilgen).

Stimmt der Eindruck, dass die Unfallzahlen drastisch gesunken sind?

Die Entwicklung der Unfallzahlen ist in den ersten Monaten tatsächlich sehr erfreulich. Das gilt sowohl für die Unfälle mit Verletzten im Allgemeinen sowie für die Unfälle mit Motorrädern – trotz des guten Wetters. Wir hoffen, dass sich gerade bei den Zweiradfahrern dieser positive Trend fortsetzen wird.

Gibt es aktuell für Motorräder Geschwindigkeitskontrollen und über die Ostertage Infotreffs an den Ausflugsstrecken?

Trotz der derzeitigen Lage werden weiterhin Geschwindigkeitskontrollen durch Ordnungsbehörden und Polizei durchgeführt, wobei unter anderem auch das Provida-Krad eingesetzt wird. Besondere Verstöße, wie verbotene Rennen mit Kraftfahrzeugen, werden seitens der Polizei verfolgt und Verstöße konsequent geahndet. Die Betroffenen / Beschuldigten müssen mit der Sicherstellung/ Beschlagnahme ihres Führerscheins und des genutzten Fahrzeugs rechnen. Besondere Aktionen wie „Kaffee und Knöllchen“ sind für das Osterwochenende nicht geplant.

Registrieren Sie vermehrte Beschwerden von Anwohnern über Motorradlärm?

So wie jedes Jahr melden sich Anwohner auch bei der Polizei und beschweren sich über Motorradlärm. Eine erkennbare Steigerung in Zeiten von Corona sehen wir aktuell nicht.

Sollten Motorradfahrer jetzt auf Ausflüge verzichten?

Touren mit dem Motorrad sind nicht verboten, sie widersprechen aber auf Grund des gesteigerten Infektionsrisikos dem Geist der Corona-Schutzverordnung. Es ist daher derzeit nicht angebracht, Motorradtouren zu unternehmen. Schon allein das Verletzungsrisiko spricht gegen solche Touren. Jeder, der sich angesichts der derzeitigen Entwicklungen unnötig in Gefahr begibt und hohen Verletzungsrisiken aussetzt, handelt unsolidarisch. Die Betten in unseren Krankenhäusern brauchen wir derzeit für andere Herausforderungen. Die Zeit für Motorradtouren wird wiederkommen. Derzeit sollte es andere Prioritäten geben. Es gilt uneingeschränkt und wo immer möglich: Bleiben Sie bitte zu Hause!

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