Second Hand in LeverkusenDieser unglaublichen Fundgrube in der City C droht das Aus

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Die Inhaber Peter Hartmann-Virnich (mit Mütze), Birgit Hartmann-Virnich, hinten sitzt Nikolaus Lückerath.

Leverkusen – Lange bevor der Begriff Nachhaltigkeit seine unbeschreibliche Karriere machte, hat es Geschäfte gegeben, die sich der Wiederverwendung, Reparatur und dem Recycling gewidmet haben. So wie das große Gebrauchtwaren-Kaufhaus in der City C in Leverkusen. Es passt also in die Zeit, aber ausgerechnet dieses Geschäft könnte bald schließen, denn noch fehlt ein Nachfolger. Fast ein wenig versteckt im Dunkeln liegt der Laden mit dem langen Namen „Schönes und Nützliches Möbel und mehr“ in der in weiten Teilen leeren City C.

Unzählige gebrauchte Dinge liegen in zwei Etagen

Unzählige gebrauchte Dinge liegen in zwei Etagen; bis in die 2000er-Jahre verkaufte Feldhaus hier Spielwaren. Das Geschäft ist ein ausgewachsenes Kaufhaus mit einer Lkw-Anlieferung und mit einem Warenaufzug, das in der Region ziemlich einzigartig sein dürfte.

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Spielzeugeisenbahnen, ein Geweih und Trinkgefäße. (v.l)

Peter Hartmann-Virnich, einer der Inhaber, rückt seine Schiebermütze gerade und dreht sich eine Zigarette mit schwarzem französischem Tabak. Er, seine Frau Birgit und der Kompagnon Nikolaus Lückerath wollen in Rente gehen: „Wir müssen langsam aufhören, Birgit und ich wollen nach Südfrankreich in unser altes Häuschen umziehen“.

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Vorne Bembel und ein weinendes Mädchen.

Die Rauchwolke riecht fast nach Zigarre, er bläst sie zu den vielleicht 50 Lampen hoch, die an der Decke hängen. Während unseres Besuchs kommen Kunden, fragen nach einer Küchenuhr, eine Frau geht mit einer Plastiktüte voller Bettlaken hinaus, die so aussehen, als ob sie mal zu einer Aussteuer gehört haben, aber nie auf ein Bett aufgezogen wurden. „Gebrauchtwaren haben Zukunft“, sagt Hartmann-Virnich, „denn wir müssen doch Ressourcen schonen“.

Gerümpel oder Goldgrube

Womöglich hat er recht, denn viele seiner Waren, da ist er überzeugt, sind qualitativ besser als heutige, vieles kann man noch selbst reparieren.

Für manchen mag das alte Feldhaus ein Laden voller Gerümpel sein, für andere ist es eine wahre Goldgrube, ein reales Wimmelbild, das sich täglich verändert. „Wir haben hier Ware für bestimmt 500 000 Euro liegen“, sagt der Mann und zieht noch einmal an seiner zerknautschten Zigarette, „die Miete ist niedrig und wir wollen vom Nachfolger nur 100 000 Euro Abstand. Uns drei hat das Geschäft gut ernährt“.

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Die Waren stammen meist aus Nachlässen. Zum Beispiel Kruzifixe und anderes Religiöses.

Auch die Nebenkosten dürften günstig sein, denn es gibt keine Heizung. Dennoch hat sich bisher niemand gefunden, der den Markt weiterführen will – und kann. Denn man sollte schon wissen, worauf man sich einlässt, muss Preise kalkulieren können.

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Vielfalt der Bilderrahmen.

Wo kommt das schöne Sortiment her? Das meiste aus Entrümpelungen, sagt Hartmann-Virnich, man fahre in Frankreich aber auch Trödelmärkte ab. Manche Stücke kämen quasi von selbst ins Geschäft, allerdings, wer Schmuck bringt, muss sich ausweisen, weil man kein Hehler sein will. Nicht alles wird genommen: Eine Frau kommt herein und versucht vergeblich, ein Markenservice anzupreisen.

Ohne Heizung wird es hier schnell kühl

Auch wenn es ohne Heizung in den zwei Etagen jetzt kühl wird: Die drei Inhaber kommen schnell ins Schwärmen, wenn sie an ihre Jahre in der City C denken. „Einmal kam eine Frau, die sagte im tiefsten Kölsch, sie habe einen Schrank im Stile Louis de Funès“, lacht Hartmann-Virnich, „sie meinte Louis XIV!“

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Das Leverkusener Bier, das es nicht mehr gibt: Ganser-Kölsch.

Ein anderes Mal habe man sich einen Spaß gemacht und eine total abgenutzte Schlummerrolle aus Kuhfell ins Schaufenster zwischen die Antiquitäten gelegt. Speckig sei sie gewesen; kaum noch Fell dran. Schon am nächsten Tag kam ein Mann und hat sie überglücklich gekauft. „Wir haben vielleicht alle doof geguckt“, sagt Hartmann-Virnich. Der Käufer war in einem Indianer-Klub und hat sich einen Köcher aus der schäbigen Schlummerrolle gebastelt, der aussah, als hätten damit schon mehrere Ahnen-Generationen des Kriegers ihre Pfeile transportiert: Ein Upcycling im besten Sinne.

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Deckel und Töpfe

Einen Computer mit einer Inventarliste gibt es nicht. Die Zahl der Einzelstücke ist selbst für die Inhaber unschätzbar, alle drei müssen bei dieser Frage passen, eine Schätzung unmöglich. Aber sie übertrifft sicher leicht die Anzahl aller Artikel aller Geschäfte in der Rathaus-Galerie.

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Aber: Brigit Hartmann-Virnich weiß, dass man über 100 Warengruppen im Geschäft führt. Was Kunden nicht selbst finden, sagt sie, liege oft im Lager.

Kölschgläser, Yogamatten und Seife aus Bayer-Fertigung

Von Aschenbecher über Bembel (irdene Gefäße für Apfelwein), Carbidlampen, Diaprojektoren, Elektromesser, Fischbräter, Ganser-Kölschgläser, ein Hirschgeweih, Instrumentenkasten, Jagdhörner, Kruzifixe, Lampenschirme, Musik-Kassetten, Nippesfiguren, Ohrhörer, Pfeifen, Quarzuhren, Rheumalampen, Seife aus Bayer-Fertigung, Topfdeckel, Urangläser, Ventilatoren, Werkzeuge, Xylographien, Yogamatten, Zitronenpressen.

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Keine Kanone, sondern ein Episkop.

Es wird nicht nur verkauft, sondern öfter verleihe man Stücke auch an Film-, Theater- und Fernsehproduktionen.Die City C wird oft für tot erklärt, aber man sieht, dass in diesem Laden im alten Einkaufscenter noch Leben drin ist.

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