Sozialarbeit für junge MännerEs gibt viel zu bereden – auch für Leverkusener Jungs

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Fabrizio de Pace (links) und Daniel Wackerbauer machen Sozialarbeit für junge Männer.

  • Wer kümmert sich eigentlich um Heranwachsende?
  • Bisher standen junge Männer nicht im Fokus der Sozialarbeit.
  • Seit Fabrizio de Pace und Daniel Wackerbauer in die Jugendzentren gehen, ist das anders.
  • Lesen Sie hier, wie es läuft mit der Jungsarbeit.

Leverkusen – Jungs sind das starke Geschlecht. Die, die nie weinen. Querulanten, Krachmacher, Wildfänge. Jungs sind die Bösen. Rüpel, Schläger, Sexualstraftäter.

Jungs sind gefangen, sagen Fabrizio de Pace und Daniel Wackerbauer von den „Bros Leverkusen“. In den Erwartungen, die an sie gestellt werden. Den Rollen, die sie zu Hause, in der Gesellschaft und vor den Freunden erfüllen sollen. Darüber sprechen fällt oft schwer. Mit den eigenen Eltern und Lehrern erst recht. „Sex, Sport, Drogen, Probleme. Schule eher selten, da haben sie in ihrer Freizeit gar keine Lust drauf“, zählt de Pace Themen auf, die Jungs zwischen 10 und 18 Jahren umtreiben.

Neuland für alle

Seit einem Jahr gibt es die „Bros“. Das Projekt wird getragen vom Sozialdienst Katholischer Männer Leverkusen und der Aktion Mensch. Vorher war Jungsarbeit in Leverkusen schlicht nicht existent. „Jungs laufen so nebenbei, bekommen ihre Probleme selbst in den Griff, denkt man. Dabei können Dinge wie sexuelle Belästigung und Vergewaltigung auch bei Jungs auftreten. Aber danach wird nicht gefragt“, sagt der gelernte Heilerziehungspfleger de Pace.

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Er und Sozialwissenschaftler Daniel Wackerbauer sind „Bros“. Kumpels zum kicken und Billard spielen, gleichzeitig Ansprechpartner bei allen Fragen, die das Jungssein und Erwachsenwerden mit sich bringt. Und das ohne Sozialarbeiter-Klischees zu bedienen, betonen Wackerbauer und de Pace.

Nicht mit der Tür ins Haus

„Wenn die Jungs das hören, Sozialarbeit, nehmen sie sofort Reißaus. Wir stellen das nicht in den Vordergrund. Aber wir merken, wie viel Redebedarf es gibt“, sagen die beiden. Bis die Jungs reden, ist es oft ein langer Weg. Beziehungsarbeit und der Aufbau von gegenseitigem Vertrauen stehen ganz am Anfang. Die Bros sind für die Jungs eine Konstante. Wenn De Pace und Wackerbauer Zusagen geben, dann halten sie sich daran. Über Jugendhäuser knüpfen sie Kontakte – und ernten oft erstmal schiefe Blicke. „Wer seid ihr denn, fragen sie. Aber dann läuft das über Mundpropaganda. Einer erzählt dem anderen, dass wir schon korrekt sind“, so Wackerbauer.

Vertrauen wächst langsam. Bis die Jungs beginnen, sich von selbst zu melden. In die Jugendhäuser kommen, wenn sie wissen dass die Bros da sind. Rheindorf, Wiesdorf, Opladen – je nach Bezirk ist das Klientel, das Wackerbauer und De Pace dort antreffen, ein anderes. Die Themen und Bedürfnisse sind die gleichen.

Einfach da sein ist wichtig

Bei den Bros geht es nicht nur um Probleme, Sorgen und Nöte. Es geht schlicht um Aufmerksamkeit und Zeit, die Jungs genauso nötig brauchen wie Mädchen. „Einfach da sein. Darum geht es. Und reden ist das allerwichtigste“, sagen beide. Offen, persönlich, ohne Tabus. Über Dates, das erste Mal, Rap-Musik, Gewalt und Alkohol. Vor allem das Thema Sex trifft bei den Jungs einen Nerv. „Das kann noch so eine brutale Gruppe sein, bei dem Thema hören alle zu. Wenn Jungs unter Jungs sind gibt es kein Halten mehr. Die hauen alle Fragen raus“, sagen Wackerbauer und De Pace.

Mit den Jungs versuchen sie zu reflektieren – die eigenen Gefühle und das Verhalten gegenüber anderen. Warum ist „schwul sein“ eine Beleidigung? Wieso rappt dieser Musiker judenfeindliche Texte – und ist das okay? Die Rolle des „starken Geschlechts das keine Gefühle zeigen darf“, sei tief verankert, sagt Wackerbauer. De Pace und Wackerbauer versuchen Vorbilder dafür zu sein, Männlichkeit anders zu leben. Ohne dabei belehrend aufzutreten. Jungs sind Pubertierende, mit Unsicherheiten und Fragen. Sie sind Söhne, Kumpels – und manchmal Querulanten, Krachmacher und Rüpel. „Jungs sind genauso wichtig wie Mädchen“, so De Pace.

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2022 läuft die Förderung für die „Bros Leverkusen“ aus. Der Bedarf sei aber riesig, sagen Wackerbauer und De Pace. Sie hoffen, dass es nach den zwei Jahren weitergeht und sich die Jungenarbeit in Leverkusen etabliert.

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