„Wir werden nie aufgeben“Leverkusener sorgen sich um ukrainische Angehörige

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Lev Ukraine

Vadim und Tamila Margolius aus Küppersteg haben Verwandte in der Ukraine und machen sich Sorgen. 

Leverkusen – „Jede Minute“ schaue er im Internet, den sozialen Medien nach, morgens früh werden sofort Nachrichten gehört. Vadim Margolius lebt mit seiner Frau in Küppersteg. Vor 22 Jahren ist er als so genannter Kontingentflüchtling nach Leverkusen gekommen. Seine Schwiegermutter lebt nach wie vor in der Ukraine, in Dnipro. Sie ist 85 Jahre alt, eine Flucht kommt für sie nicht mehr infrage. Täglich telefoniert sie mit ihrer Tochter. „Sie ist eine sehr tapfere Frau“, sagt Margolius.

Seine Schwiegermutter bleibt in der Wohnung. Im Radio sagen sie: Sollte es zu Luftangriffen kommen und man es nicht schnell zum nächsten Bunker schaffen, sollte man lieber im Badezimmer ausharren. Das hat kein Fenster und gelte als sicherster Ort in der Wohnung. Noch sei Dnipro aber nicht bombardiert worden.

Sie bauen Barrikaden

Auch der beste Freund des 58-jährigen Küpperstegers wohnt noch in der Ukraine. Am Tag vor Weiberfastnacht hatten sie telefoniert und der Freund habe gesagt: Ein Angriff? Das könne nicht sein. Er betreibt einen Zeitungskiosk, weiß jetzt natürlich nicht, wie es mit ihm überhaupt weitergeht, erzählt Margolius. Sein Freund habe ihm erzählt, dass sie Barrikaden auf den Straßen bauen, „um vorbereitet zu sein“. Die Schlange der Freiwilligen, die sich für die Armee melden, sei größer als das Waffenarsenal. „Es gibt nicht genug Waffen“, gibt Margolius weiter. Als er seinem Freund die Äußerung eines deutschen Bekannten wiedergab, warum sich die Ukrainer nicht ergeben, man könne einer solchen Übermacht wie Russland sowieso nicht standhalten, habe dieser empört betont: „Wir werden nie aufgeben.“

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Der 58-jähriger Informatiker Margolius spricht noch ein weiteres Problem an: Leute wie er, aus dem Osten der Ukraine, haben immer russisch gesprochen, das war selbstverständlich, unproblematisch. „Jetzt gibt es enormen Hass auf Putin und Russland.“ Dabei seien Russen aus seiner Heimatstadt ebenfalls empört über den Angriff.

Den Krieg nicht kommen sehen

Ob Vadim Margolius den Krieg habe kommen sehen? Nicht wirklich. „Natürlich wussten wir, wer Putin ist“, ein sehr kalkulierter Mann, beschreibt Margolius. Aber dass es zu so einem Angriff kommen würde? Nein. Auf der Demo am Kölner Roncalliplatz am Sonntag habe es den Vorschlag gegeben, man solle doch seine Verwandten in Russland anrufen und erzählen, wie es wirklich ist.

Margolius hat entfernte Verwandte in Sankt Petersburg und eine Stunde mit ihnen telefoniert. „Was für eine russische Propaganda“, seufzt er. Sein Verwandter, der russisches Fernsehen schaut, bekomme nur mit, dass „Amerikaner und Nazis in der Ukraine“ seien. „Wir sind nicht gegen Ukrainer, wir sind gegen Nazis“, habe er gesagt bekommen, erzählt Margolius. Er hat versucht, dagegen zu argumentieren, vielleicht habe er „ein bisschen die Wahrheit“ transportiert, hofft er. Vadim Margolius selbst liest keine russischen Seiten mehr im Internet, „seit 2014 schon nicht mehr“.

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Nun versucht er, hier in Leverkusen zu helfen. Gemeinsam mit seiner Frau sammelt er Kleidung für Flüchtlinge und hat schon gespendet. Warum er eigentlich 1999 nach Leverkusen gekommen ist? Verwandte von ihm waren bereits hier. Unter ihnen gab es einen Fußballfan, Leverkusen war ihnen ein Begriff. Und da Leverkusen sehr gut auch nach Köln und Düsseldorf angebunden ist, haben der Informatiker und seine Frau es den Verwandten gleichgetan.

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