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Schmickler in der WaldsiedlungKabarettistisches Heimspiel in Leverkusen

Lesezeit 3 Minuten
Friedenskirche Waldsiedlung: Wilfried Scmickler mit einem Plakat: Lev braucht dich jetzt.  Foto: Ralf Krieger

Friedenskirche Waldsiedlung: Wilfried Schmickler warb mit einem Plakat für die Teilnahme an der Versammlung am Dienstag.

Sein Programm heißt „Es hört nicht auf“. Schmickler rief am Ende dazu auf, an der Demo am Dienstag teilzunehmen.

Das Wort Heimspiel wird oft bemüht, aber für Wilfried Schmicklers Auftritt an diesem Freitagabend in der Friedenskirche der Waldsiedlung ist es zu Recht gesetzt: Gemeinsam mit Stefan Lapke von der evangelischen Jugend Schlebusch (ejs) war Schmickler hier einst in der Jugendarbeit aktiv und sammelte erste Bühnen-Erfahrungen. Nebenbei hat er zu der Kirche eine besonders enge familiäre Beziehung: Seine Frau Ilona ist die Tochter des ehemaligen evangelischen Waldsiedlungs-Pfarrers Harald Klimek.

Die Freude Schmicklers, in seiner „Lieblingskirche, bei meiner Lieblings-ejs, in meinem Lieblings-Schlebusch“ aufzutreten, war spürbar. Schließlich habe „der Kölner Erzbischof hier schon seit Jahren Hausverbot“. Freude zeigte auch das Publikum: Für die Pointen, die er scheinbar nebenbei nur als Halbsatz einstreut, gab es oft Zwischenapplaus.

Poesie sagt manchmal mehr als 1000 Worte. Christian Lindner charakterisiert er mit einem Zweizeiler: „Ein stolzer Schwan, am Ende nur ein Scharlatan“. Armin Laschet („erinnern Sie sich?“) ist für ihn der Mann, der aus dem Fettnapf fraß. Ohne Namensnennung funktioniert dieses kurze Spottgedicht beim Publikum: „Sanctus, Sanctus Spiritus, wer ist im Dom die hohlste Nuss?“

Freier Knall für freie Tüten

Schmickler arbeitet die Pandemie durch, deren Auswirkungen ihn selbst schwer getroffen haben. Es sei weit gekommen, er sei sogar zum „Luft schnappen“ nach draußen gegangen, seine Frau habe ihm ein Puzzle geschenkt: „Kann ein Individuum tiefer sinken?“

Womöglich ist auch das eine Corona-Folge: Schmickler kennt sich blendend im Fernsehprogramm aus, zählt alle Tatort-Kommissare samt ihrer nervigen psychischen Probleme auf. In 36 Monaten sei viel Hirn verloren gegangen, vor der Glotze geschrumpft, stellt er fest.

Schmickler über Querdenker-Demos und die Versammlungsfreiheit: „Das ist das Recht auf freien Knall für freie Tüten“, über die Beteiligung von Nazis an den Protesten reimt er: „Die Pest, einst schwarz, heut’ ist sie braun“, die AfD: „Sie wollten alle Rechtsradikalen rausschmeißen, aber dann haben sie nochmal durchgezählt.“

Für Schmickler hat nicht erst in diesem „Waschlappen-Winter 2022“ der Endspurt der Menschheit begonnen: Jeden Tag verschwänden 130 Arten – aber natürlich nicht die, um die es nicht schade wäre, zum Beispiel der Kirschlorbeer.

Gehen Sie hin
Wilfried Schmickler

Die Erwartung, dass Schmickler auch etwas zum desaströsen Leverkusener Autobahn-Ausbau und zur „Info-Messe“ am kommenden Dienstag an der Bürgerhalle Wiesdorf sagen würde, erfüllte er am Ende seines Programms. In der mit 400 Zuschauern ausverkauften Kirche wurde er persönlich: Wenn die Stadt ausschließlich nach den Bedürfnissen des Autoverkehrs ausgerichtet werde, werde sie sterben. Durch seine politische Sozialisation am Bayer-Werksrand der 1970er Jahre weiß er zivilen Widerstand und politischen Bürgerwillen zu würdigen: „Gehen Sie da hin, gehen Sie bei der Demo mit!“


Wilfried Schmickler wurde am 28. November 1954 in Hitdorf geboren. Dort wuchs er auf, wechselte nach der Grundschulzeit ans Landrat-Lucas-Gymnasium in Opladen und machte dort 1972 Abitur. Er wurde Schülersprecher. Im Jugendhaus der Arbeiterwohlfahrt „In den Kämpen“ leistete er Zivildienst und leitete eine Theatergruppe, der auch Wolfgang Müller (damals noch ohne -Schlesinger) und Klaus Huber angehörten.

Der „Club“ entwickelte sich zum kreativen Zentrum der alternativen Kulturszene. Als das Haus schließen musste, begann die Suche nach neuen Räumen. Schmickler nahm federführend an den Gesprächen mit der Stadt teil (und an Demonstrationen), um aus dem Lindenhof ein selbstverwaltetes Jugendzentrum zu machen. Die Verhandlungen scheiterten. Im Club der Begegnung (IB) an der Stegerwaldstraße in Manfort trat er am 6. Februar 1978 zum ersten Mal als Kabarettist mit einem eigenen Programm auf.

Sein nächster Auftritt in Leverkusen: 12.April in Hitdorf im Matchbox Theater