Wurde Omikron unterschätzt?Besuch der Waldbröler Covid-Station

Lesezeit 4 Minuten
Vor jedem Zimmer liegt Schutzausrüstung parat.

Vor jedem Zimmer liegt Schutzausrüstung parat.

Waldbröl – Tanita Schreiner legt die Schutzmontur an – wieder einmal. Plastikkittel, Gummihandschuhe, Haube, Schutzbrille, eine zusätzliche Atemschutzmaske über der FFP2-Maske, die die Gesundheits- und Krankenpflegerin ohnehin während ihrer Schicht auf der Covid-Station im Kreiskrankenhaus Waldbröl trägt. Alles liegt auf kleinen Wagen vor jedem Patientenzimmer parat. Das Prozedere ist der 30-Jährigen längst in Fleisch und Blut übergegangen, jeden Tag macht das die Krankenschwester mehrere dutzendmal.

Auch jetzt, um dem Covid-Erkrankten nur eine Tasse Tee ins Zimmer zu bringen. Bevor Schreiner den Raum wieder verlässt, zieht sie in einer Schleuse die wahrscheinlich mit Coronaviren kontaminierte Schutzkleidung vorsichtig wieder aus und verstaut alles in Müllsäcken.

Husten hinter den Türen

Es ist 12.20 Uhr am Mittwoch. Auf dem Flur der Station 4.2 sind hinter den geschlossenen Türen zu den Patientenzimmern Sauerstoffgeräte zu hören – und immer wieder angestrengtes Husten. Die meisten der 18 Patienten, die an diesem Tag auf der vierten Etage des Krankenhauses versorgt werden, leiden an schweren Atemwegsproblemen. Sie stehen unter strenger Beobachtung – von Tanita Schreiner und ihren beiden Kolleginnen, die in der Frühschicht Dienst haben. Verschlechtert sich das Befinden des Erkrankten? Droht der Zustand kritisch zu werden? Braucht es ein Intensivbett, falls die Versorgung hier, auf der Normalstation, nicht länger reicht?

Hunderte Male am Tag müssen die Pflegerinnen sich umziehen, um die Erkrankten versorgen zu können.

Hunderte Male am Tag müssen die Pflegerinnen sich umziehen, um die Erkrankten versorgen zu können.

Die Arbeit auf der Covid-Station sei eine Herausforderung für seine Kollegen, erklärt Pflegedienstbereichsleiter Andreas Wagner: Körperlich, weil täglich hunderte Male eine neue, stickige Schutzmontur angelegt werden muss. Mental, weil die Arbeit ein erhöhtes Maß an Wachsamkeit erfordert. Nur erfahrene Mitarbeiter kommen auf der Covid-Station zum Einsatz. Und weil das Krankenhaus die Belastung seinem Pflegepersonal nicht auf Dauer zumuten will, wechseln sich die Stationen mit der Covid-Pflege von Zeit zu Zeit ab. So versorgten die Mitarbeiter der Station 4.2 noch bis Sommer vergangenen Jahres kardiologische Patienten, bevor ihnen die noch schwierigeren Corona-Fälle zugeteilt wurden.

Mit Schicksalen konfrontiert

Es sind viele Schicksale, mit denen Stationsleiterin Alexandra Schumacher (36) und ihre Kollegen auf der 4.2 konfrontiert werden. „Viele Patienten haben Omikron unterschätzt, viele haben Angst.“ Neben der medizinischen Versorgung sei auch die menschliche Zuwendung wichtig, denn Besucher sind auf der Station nicht zugelassen. Chefarzt Dr. Jörg Niehüser-Saran berichtet, dass einzelne ältere Patienten eine maximale Therapie ablehnen, nicht auf die Intensivstation und an die Beatmungsmaschine wollen. Sie erhalten lediglich Sauerstoff durch eine Beatmungsmaske, um die Luftnot zu lindern, und palliativmedizinische Maßnahmen. Derzeit liegen auf der Station zwei Patienten, die diese Entscheidung für sich getroffen haben – und nunmehr auf den Tod warten.

Die Herausforderung Covid hat das Ärzteteam und die Pflegenden noch enger zusammengeschweißt. Das Besondere an der Covid-Station ist, dass Mediziner verschiedener Fachrichtungen die Patienten versorgen. Denn hier sind auch Erkrankte isoliert, die wegen eines anderen Leidens eingeliefert wurden und bei denen Corona gleichsam eine Zufallsdiagnose war. Von den aktuell 18 Patienten trifft das aber nur auf drei zu. Die meisten kamen wegen Corona – mit Atemproblemen, Fieber, Durchfall und anderer typischer Symptome. Dass auf der Covid-Normalstation gut 55 Prozent bereits geboostert sind, sieht Chefärztin Dr. Ute Becker keineswegs als Argument gegen die Impfung: „Bei den derzeit hohen Infektionszahlen ist es nicht auszudenken, was bei uns los wäre, hätten wir die Impfung nicht.“

Hoffen auf den Sommer

Während die Bundespolitik seit Tagen über eine Abschwächung der Omikron-Welle und baldige Lockerungen spricht, bleiben die Patientenzahlen in Waldbröl wie auch in Gummersbach hoch. Weil die Infektionen hier mit zweiwöchiger Verzögerung ankommen, bleibt den Mitarbeitern nur die Hoffnung, dass der Scheitelpunkt tatsächlich überschritten ist.

Vorerst bleibt die Lage angespannt, auch weil vom Personal derzeit acht Pflegekräfte und ein Arzt sowie sechs Beschäftigte anderer Professionen selbst infiziert und in Quarantäne sind. Die Stationen zu besetzen, sei jeden Tag eine Herausforderung, sagt Vanessa Pauly, stellvertretende Bereichsleitung Pflege. Auf den für den 20. März vorgesehenen „Freedom Day“ mit Lockerungen mag sie sich nicht so recht freuen: „Ich gönne es jedem. Aber natürlich sorgt uns, dass es dann wieder mehr Fälle, noch mehr Patienten und mehr kranke Kollegen gibt.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Mitarbeiter auf der Station 4.2 sehnen sich vor allem nach dem Sommer, in dem sich die Lage hoffentlich wieder entspannt. Und danach? Dr. Niehüser-Saran befürchtet, dass eine weitere Virusmutante folgt: „Bleibt zu hoffen, dass die dann harmloser als Omikron ist – und nicht schlimmer als Delta.“

KStA abonnieren