LiedermachertageFortuna Ehrenfeld bringt viel Lokalkolorit mit nach Bergneustadt

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Martin Bechler steht auf der Bühne vorm Mikrofon

Martin Bechler und seine kongeniale Keyboarderin Jenny Thiele brachten den bestuhlten Saal zum Tanzen.

Der Saal ist kaum halbvoll? Dann geben wir eben doppelt Gas. Der Respekt vor dem Publikum ist zentral für Martin Bechlers Arbeitshaltung. Dass er ziemlich erkältet ist, ist egal. Seiner ohnehin kratzigen Stimme schadet es nicht.

Provokateur ist Bechler nur im positivem Sinn. Sie hätten noch überlegt, ob sie als Gast eines Festivals mit dem Namen „Liedermachertage“ ein leiseres Programm machen sollten, verrät der Kopf von Fortuna Ehrenfeld im Gespräch nach dem Konzert. Aber dann habe sich die Band doch dafür entschieden, dieselben Songs wie am Vorabend in dem (ausverkauften) Punkschuppen in Nürnberg zu spielen. „Und das war richtig.“

Exzess und Schweigeminute

Die tanzbaren Stücke und die lauten Rockexzesse von Fortuna Ehrenfeld gehören ebenso zum Gesamtkunstwerk wie die zarten Balladen. Der Wechsel vom heiligen Ernst zur Albernheit, vom Pathos zur Ironie und wieder zurück wird nicht selten innerhalb eine Stücks vollzogen. Gegen Ende ruft Bechler zu einer Schweigeminute für die Soldaten auf, die auf beiden Seiten in der Ukraine gefallen sind. Es ist ein anrührender und unpeinlicher Moment, das muss man erstmal hinkriegen.

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Im Bergneustädter Krawinkelsaal schlägt die Gefühlskurve vielleicht noch ein bisschen stärker aus, weil Martin Bechler nicht mit anekdotischem Lokalkolorit aus seiner Jugend im Südkreis geizt. Schon in der Begrüßung scherzt er von einer Statue, die er eben als ruhmreicher Künstler auf Heimatbesuch vor dem Gummersbacher Rathaus enthüllen durfte und von dem bronzenen Fußabdruck, der ihm wegen seiner Heldentaten als Stürmer des SSV Homburg-Nümbrecht auf dem Wildbergerhütter Ascheplatz gewidmet wurde.

Das Mädchen vom Hollenberg-Gymnasium

Er schwärmt von seiner Raiffeisenbank-Kundenberaterin, berichtet von frühen Gigs im Goller-Haus und von Abenden im Café Morgenrot. Und ist selbst zu Tränen gerührt, als er allein am E-Piano von dem Mädchen aus der Klasse im Hollenberg-Gymnasium singt, die mit ihrem Pagenkopf ein bisschen aussah wie Sophie Scholl, sodass sich düstere Geschichte und jugendliches Liebesleid vermengen. Martin Bechler ist längst viel mehr Ehrenfelder als Nümbrechter. Aber weil er weiß, dass es dem Publikum gefällt, lässt er den Oberberger raushängen und beweist sich als sympathischer Profi.

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Und überhaupt: So gut zusammengespielt wie an diesem Abend hätten sie noch nie, schwört Bechler. Man glaubt es gern. Die kongeniale Keyboarderin und Sängerin Jenny Thiele bekommt und nutzt viel Raum, Cullen Corley am Schlagzeug lässt nicht erahnen, dass er nur ein Ersatzmann ist. Und beim Hit „Das letzte Kommando“ steuert Toningenieur Fabian Freitag ein Posaunen-Solo bei.

Das Publikum ist Klasse statt Masse, nicht wenige singen textsicher mit, man trägt Federboa, und es gibt sogar eine kleine Polonaise. Die Einsatzbereitschaft auf der Bühne spiegelt sich im Parkett, 150 jubeln wie 500. Am Schluss wird stehend applaudiert. Logisch und angemessen.

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