Corona in OberbergDie Leiterin des Kreisgesundheitsamtes über die aktuelle Lage

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Die City bleibt nachts leer: Warum Maßnahmen wie die Ausgangssperre noch nötig sind, erklärt Kaija Elvermann.

Die City bleibt nachts leer: Warum Maßnahmen wie die Ausgangssperre noch nötig sind, erklärt Kaija Elvermann.

Vor kurzem war Oberberg noch als Hotspot in aller Munde. Die 15-Kilometer-Regel weckte sogar Interesse nationaler Medien. Jetzt ist die Regel weg, die Inzidenz gesunken. Warum? Und wieso bleibt die Lage ernst? Darüber sprach Frank Klemmer mit der Leiterin des Kreisgesundheitsamtes, Kaija Elvermann.

Die Inzidenz liegt deutlich unter 200, die Zahl der aktuell Infizierten ist noch deutlicher gesunken. Wie kommt es, dass sich die Lage in so kurzer Zeit so positiv entwickelt hat?

Elvermann: Ich glaube tatsächlich, dass die Maßnahmen, die auf Bundes-, Landes- und auch auf Kreisebene in den vergangenen Wochen ergriffen wurden, jetzt einfach wirken. Der Lockdown dauert ja jetzt auch schon relativ lange. Wir merken bei unserer Arbeit: Die Kontakte sind deutlich reduziert worden. Das macht die Nachverfolgung einfacher. Ganz praktisch heißt das: Die Kontaktlisten, die die Menschen uns vorlegen, wenn sie positiv getestet wurden, sind deutlich kürzer. Das ist auch einer der Gründe, warum wir es schaffen, trotz einer Sieben-Tage-Inzidenz von zuletzt noch 200 bei der Nachverfolgung nach wie vor ganz eng dran zu sein.

Viele staunen über die zuletzt zum Teil sehr hohen täglichen Zahlen der sogenannten „Genesenen“, die Sie bekanntgeben. Liegt das vielleicht daran, dass Sie vorrangig mit der Kontaktnachverfolgung beschäftigt sind und die Gesundeten deshalb nachrangig abarbeiten?

Nein, so ist das nicht. Es hängt aber nun mal von verschiedenen Aspekten ab, wann wir jemanden schon als „genesen“ führen – zum Beispiel, weil er dafür erstmal aus dem Krankenhaus entlassen werden muss. Und Sie dürfen nicht vergessen: Im Dezember hatten wir sehr viele Fälle am Tag. Das sind die Menschen, die jetzt wieder als gesund gelten können. Auch deshalb ging die Zahl der aktuell Infizierten so schnell zurück – von über 1500 auf fast 500.

Welche Rolle spielt die Zahl der aktuell Infizierten überhaupt für Ihre Beurteilung der Lage? Oder sehen Sie doch nur auf die Inzidenz?

Das ist natürlich eine Frage, die gerade vielerorts diskutiert wird. Die Inzidenz ist ein Wert, auf den

man sich geeinigt hat, um zu sehen, wie durchseucht die Gesellschaft mit dem Virus ist. Weil dieser sich nur an den neuen Fällen orientiert, spiegelt er aber natürlich nicht das wahre Infektionsgeschehen wider. Das heißt: Natürlich ist es ein gutes Zeichen, wenn die Zahl der aktuell Infizierten sinkt – und damit auch die Gefahr, sich bei diesen anzustecken. Der Inzidenzwert ist aber auch immer abhängig davon, wie viele Infizierte auch tatsächlich infiziert wurden, also in Bezug zur Anzahl der Testungen zu sehen und ist daher nur ein grober Orientierungswert.

Jetzt geht aber auch die Inzidenz zurück. Wo sehen Sie die Ursachen?

Ein Punkt ist sicher die Dauer der Schul- und Kita-Schließung. Im Dezember und sogar noch bis weit in die Weihnachtsferien hinein, als die Einrichtungen schon geschlossen waren, war das ein großer Treiber für die hohen Infektionszahlen in Oberberg – über Kontakte, die erst nachverfolgt werden mussten. Jetzt, wo Schulen und Kitas seit längerem zu sind, spüren wir die Wirkung – zumindest bei den Schulen. In den Kitas wirkt es noch nicht ganz so, aber die sind ja auch für Notbetreuungen noch auf. Zudem reduzieren viele oberbergische Bürger ihre Kontakte sehr deutlich und halten sich sorgfältig an die verordneten Maßnahmen. Je weniger Gelegenheit das Virus bekommt, sich zwischen Menschen auszutauschen, desto besser für die Pandemiebekämpfung.

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Was ist mit Ansteckungen am Arbeitsplatz? Ist das wirklich ein Thema in Oberberg?

Die Beschlüsse von Bund und Ländern, Homeoffice verbindlicher zu machen und gemeinsame Essen sowie gemeinsame Pausen zu verbieten, haben ihre Gründe. Ja, es gab auch in Oberberg immer wieder Infektionen am Arbeitsplatz. Und natürlich rücken diese wenigen Settings, bei denen Menschen noch zusammenkommen, das immer deutlicher in den Fokus. Denn die anderen Kontakte finden einfach nicht mehr statt.

Trotz des Rückgangs hat der Krisenstab im Kreis am Dienstag entschieden, seine verschärften Maßnahmen noch nicht zurückzunehmen. Warum ist das richtig?

Das Virus ist noch da. Die Infektionszahlen sind weiterhin weit davon entfernt, dass wir es schon

ausgetrocknet hätten. Und genau das ist ja unser Ziel mit dem Lockdown – vor allem mit Blick auf die Mutationen.

Gibt es denn schon Mutationen in Oberberg? Oder wüssten Sie es gar nicht, wenn es welche gibt?

Doch, es wird jetzt bereits vereinzelt darauf getestet, einen positiven Befund gibt es bei uns noch nicht. Allerdings läuft das bisher auch nur, wenn es einen Anlass gibt – zum Beispiel wenn jemand vor kurzem noch in Großbritannien oder Südafrika gewesen ist. Wir erwarten aber zukünftig, dass wir mehr sequenzieren können. Darauf bereiten wir uns gemeinsam mit den Laboren und zum Beispiel auch mit der Virologie an der Kölner Uniklinik vor. Gerade deshalb könnten die Zahlen zukünftig auch sprunghaft wieder ansteigen, wenn wir jetzt schon alles wieder öffnen würden. Deshalb brauchen wir bei den Menschen noch ein stärkeres Bewusstsein für vorbeugende Maßnahmen.

Welche „vorbeugenden Maßnahmen“ gibt es denn noch, die wir noch nicht gelernt haben?

Damit sind wir wieder am Anfang: Kontakte reduzieren. Ein Beispiel: Natürlich ist es nicht sinnvoll, an jedem Tag der Woche eine andere Person aus einem anderen Haushalt zu treffen, auch wenn es erlaubt ist. Ich glaube, die Menschen müssen von sich aus verstehen, worum es da geht. Alle Regeln, die aufgestellt wurden und zum Teil vielleicht auf den ersten Blick absurd wirken, sind nur eine Reaktion darauf, dass genau das bis dahin nicht funktioniert hat. Jeder Bürger ist auch ein Stück weit

selber gefragt, sich richtig zu verhalten. Sich immer wieder zu fragen, ob sein Verhalten auch gerade passend ist in Bezug auf Hygienemaßnahmen und Abstandsregelungen, sollte uns allen in Fleisch und Blut übergehen und zu einem Routineritual werden. Das sollten wir alle auch für die Zukunft lernen. Denn wir werden noch länger mit dem Virus leben müssen.

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