Bergneustädter MundartBald führen sie ihr letztes Brunnengespräch

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Horst Kowalski (86) und Gerda Rippel (82) am Losemundbrunnen. 

Bergneustadt – Es schwingt durchaus ein Quäntchen Wehmut mit, wenn Gerda Rippel (82) und Horst Kowalski (86) ankündigen, dass sie in diesem Jahr zum letzten Mal das Brunnengespräch am Losemundbrunnen anlässlich des Stadtgeburtstags der Feste Neustadt gestalten werden. Als Minchen und Karl von der Dörspe haben die beiden Bergneustädter seit 2000 gemeinschaftlich das Geschehen in ihrer Stadt aufs Korn genommen und dem Volk jeweils zum Stadtgeburtstag im Mai auf Nystädter Platt verkündet.

Beleidigungen sind tabu

Und so ist es nicht nur der Abschied von ihren Rollen, sondern auch die Tatsache, dass die örtliche Mundart nun vermutlich endgültig verloren geht, die Gerda Rippel und Horst Kowalski traurig stimmt. Denn schon in den vergangenen Jahren wurde Gerda Rippel immer mal wieder angesprochen: „Ich wurde darauf hingewiesen, dass jüngere Menschen unser Gespräch nicht verstanden haben und darum gar nicht erst kamen. Das ist der Lauf der Zeit. In Bergneustadt wird es bald keinen mehr geben, der das Platt beherrscht.“

Sie selbst und auch Horst Kowalski kennen die Neustädter Mundart noch aus ihrer Kindheit. Für ihre Eltern und Großeltern war es eher das Hochdeutsche, das bewusst gelernt werden musste. „Und das Platt war die Ausdrucksweise, für die man sich sogar schämte. Es hieß: Sprich Hochdeutsch, sonst kriegst du Probleme“, erinnert sich Minchen kopfschüttelnd.

Das Interesse schwindet

Bedauerlich finden es beide, dass das Interesse an der heimatlichen Mundart, einem Stück Kulturgeschichte, immer mehr schwinde. So sagt Horst Kowalski, dass er als Karl von der Dörspe auf Platt auch unbequeme Dinge aussprechen konnte, ohne dass sie beleidigend wirkten: „Es hat einen anderen, gemütlichen Klang. Und es gehört zu unserer Region.“

Als Karl von der Dörspe ist er schon seit 1997 Teil des Brunnengesprächs in der Altstadt. Sein Partner damals, Rolf Immicker, verstarb 1999. Gerda Rippel übernahm als Minchen und erweiterte sogar noch Horst Kowalskis Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten auf Platt. „Weil sie so fit war, konnte ich sogar noch von ihr lernen“, erinnert er sich lächelnd. Die beiden wälzten also seit 2000 übers Jahr die Zeitung und trafen sich dann jeweils im Januar, um Themen abzustimmen.

Diesmal geht es natürlich um die Friedenseiche

Manches Mal war die Themenliste so lang, dass gekürzt werden musste. 2001, zur 700-Jahr-Feier, stattete der Heimatverein die Gesprächspartner mit historisch angehauchten Kostümen aus. Die Kommunalpolitik bekam nicht selten ihr Fett weg – aber nie bösartig, sondern höchstens humorvoll. „Wir haben uns immer bemüht, niemanden zu beleidigen, sondern eher das Positive zu erwähnen, überparteilich zu bleiben und ernste Probleme mit Humor zu nehmen.“ Auch wenn in der Feste schräge Gerüchte kursierten, waren Minchen und Karl zur Stelle, um den Bergneustädtern den Kopf zurechtzurücken und sie in die Realität zurückzuholen. So verraten die beiden jetzt schon, dass es in diesem Jahr auch um die Mythen rund um die Fällung der Friedenseiche am Schmittenloch gehen wird.

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Als anstrengend empfanden Gerda Rippel und Horst Kowalski den Stadtgeburtstag 2021, der digital durchgeführt wurde. Das Brunnengespräch wurde in den Jägerhof verlagert und fand als Aufzeichnung ohne die üblichen rund 500 Zuhörerinnen und Zuhörer statt. „Das war eine trübselige Angelegenheit“, sind sich beide einig. Denn ihr Gespräch lebt natürlich auch von den Reaktionen der Zuhörenden.

Die werden sie in diesem Jahr noch einmal erleben, wenn am 14. Mai der Stadtgeburtstag gefeiert wird. Das Brunnengespräch beginnt um 18.30 Uhr am Losemundbrunnen an der Hauptstraße in der Altstadt.

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