DrespeFrühere Oberbürgermeisterin wehrt sich gegen Abriss ihres Ferienhauses

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Machte die ehemalige Essener Oberbürgermeisterin 50 Jahre im Schwarzbau Ferien?

Machte die ehemalige Essener Oberbürgermeisterin 50 Jahre im Schwarzbau Ferien?

Reichshof-Drespe – Hätte es Annette Jäger nicht so im Kreuz, sie käme liebend gerne wieder nach Drespe. Dort steht, ein Stück ab vom Ortsrand, am Rösterweg das Wochenendhaus, das sie und ihr Mann vor mehr als 50 Jahren gekauft haben. Jahrzehntelang hat die Essener Familie dort Ferien und Wochenenden verbracht. Inzwischen ist Jäger allerdings verwitwet, und wegen ernster Probleme an der Wirbelsäule kann die 84-Jährige nicht mehr selbst Auto fahren. Kürzlich erst ist sie wieder aus dem Krankenhaus zurückgekehrt. Nun will sie ihr Domizil in Drespe verkaufen.

Der Oberbergische Kreis aber hat anderes im Sinn. Er möchte am liebsten, dass Jäger das Haus abreißt. Denn allem Anschein nach wurde es nie genehmigt. Als Jäger in der Kreisverwaltung vorstellig wurde und um die schriftliche Bestätigung bat, dass der Kreis auch in Zukunft weder den Abriss anweisen noch die Nutzung untersagen würde, bekam sie als Antwort eine Ordnungsverfügung, laut der sie ihr Wochenendhaus zu beseitigen habe. Aus Kulanz und mit Rücksicht auf Jägers Alter räumte man ihr zunächst noch die Nutzung als Ferienhaus bis zum Lebensende eingeräumt. Danach soll das Haus weg.

Renommierte Essener Baurechtskanzlei eingeschaltet

Das passt der ehemaligen Essener Oberbürgermeisterin überhaupt nicht. Sie hat die renommierte Essener Baurechtskanzlei Koenen eingeschaltet und Klage vor dem Kölner Verwaltungsgericht eingereicht. Einen Termin für eine Verhandlung dort gibt es noch nicht. Die Kreisverwaltung will sich mit Blick auf das laufende Verfahren nicht äußern.

Das Haus Rösterweg 6 hat eine abwechslungsreiche Geschichte, in der die öffentliche Hand bis heute immer wieder eine wichtige Rolle spielt. Als der 1954 gegründete Männergesangverein Drespe sich nicht mehr zum Üben in der Gastwirtschaft Köster treffen konnte, kaufte er eine Wohnbaracke und Fritz Heikaus stellte den Sängern gleich gegenüber von seinem Wohnhaus am Rösterweg ein Grundstück zur Verfügung, um sie dort aufzustellen. Wie die zum 500-jährigen Bestehen Drespes erschienene Dorfchronik beschreibt, beteiligte sich damals die Gemeinde sogar an den Kosten dieser Aktion.

Bekannt, dass Baugenehmigung fehlt

Das Sängerheim am Rösterweg 6 diente fortan nicht nur als Probenraum, sondern der Gemeinde auch als Wahllokal. Und als die Dresper Schule renoviert wurde, fand der Unterricht ebenfalls hier statt. 1971 löste sich der Chor auf und Fritz Heikaus kaufte ihm das Sängerheim ab. Mit der Familie Jäger verband die Heikaus’ schon damals ein freundschaftliches Verhältnis. Man hatte sich in Essen kennengelernt. Es folgten Besuche in Drespe, noch Anfang der 1970er Jahre verkaufte Heikaus den Jägers das ehemalige Sängerheim und Wahllokal.

Obwohl bereits bekannt war, dass eine Baugenehmigung fehlte, wurde auf dem Grundstück 1977 der Bau einer frei stehenden Garage genehmigt und diese Jahre später auch mängelfrei abgenommen. Zuvor, so erinnert sich Annette Jäger, habe man Bescheid gegeben, dass man für das Haus keine Baugenehmigung vorlegen könne. „Als Antwort haben wir damals nur einen Grundsteuerbescheid bekommen und seitdem auch jedes Jahr alle Steuern und Abgaben bezahlt.“ Damit schien der Fall erledigt, und in der Zeit danach konnte sich wohl niemand vorstellen, dass die mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, dem NRW-Verdienstorden und dem Ehrenring der Stadt Essen ausgezeichnete Oberbürgermeisterin einer NRW-Großstadt ihre Urlaube und Wochenenden in einem Schwarzbau im Oberbergischen verbrachte.

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Das Jäger-Haus ist kein Einzelfall. Es gibt etliche, zum Teil schon vor dem Zweiten Weltkrieg ohne Baugenehmigung errichtete und seitdem unbeanstandet genutzte Häuser in Oberberg. Für sie gibt es eine Stichtagsregelung: Was vor 1960 gebaut wurde, hat Bestandsschutz. Also wäre Jägers Haus sicher – wenn es nicht Ausnahmen von der Regel gäbe. Eine besagt, dass die strittigen Gebäude baulich nicht verändert werden dürfen. Das aber ist am Rösterweg geschehen durch den Bau der Garage und später durch den eines kleinen Holzverschlags an der Rückseite für eine moderne Heizungsanlage. Dass die Garage abgenommen und die Heizanlage genehmigt wurde, ficht den Kreis nicht an. „Da ist wenig Raum für Menschlichkeit“, sagt Jägers Anwältin Laura Boecking. Ob es nie eine Baugenehmigung gegeben hat, ist für die Juristin nicht bewiesen: „Es wurde bislang nur keine gefunden.“

Parallel zum Rechtsstreit Jägers gegen den Kreis versucht die Gemeinde Reichshof der 84-Jährigen zu helfen. Gegenüber vom Wochenendhaus stehen auf der anderen Straßenseite des Rösterwegs eine große Scheune und ein noch größeres Zweifamilienhaus. Für das gesamte Ensemble will die Gemeinde jetzt eine Außenbereichssatzung erlassen. Was der Kreis als Träger öffentlicher Belange irgendwann im Offenlageverfahren dazu sagen wird, kann man sich denken. Verhindern könnte er die Satzung und damit den Fortbestand des Hauses aber nicht.

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