Erster RomanSibbe Rakete will mit „Provinzrebellen“ der Jugend in Loope ein Denkmal setzen

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Ein Mann mit einer Baskenmütze und Tunnelohrringen im Porträt.

Sibbe Rakete (42) aus Loope hat seinen Weg vom Provinzrebellen zum Stadtpunk in einem Roman beschrieben.

In „Provinzrebellen“ skizziert Rakete, der mit bürgerlichem Namen Sebastian Lange heißt, seine Jugend als Punk in Engelskirchen-Loope.

Der Dorfpunk sucht das Weite: Im VW-Bus lässt der etwa 20-Jährige Engelskirchen-Loope hinter sich und fährt nach Hamburg. Da lebt Sibbe Rakete (42) noch heute. Der vierfache Vater malt und macht Musik, wenn er nicht gerade seinem Broterwerb als Zahntechniker nachgeht.

Und er schreibt. „Provinzrebellen“ heißt sein erster Roman, in dem er seine Jugend als junger Punk in Loope skizziert. Im „rechtsrheinischen Bibelgürtel der frühen Neunziger“ habe er gelernt, gehörig Dampf abzulassen, heißt es im Klappentext. „Aber im Grunde soll es eine Art Denkmal sein“, versichert er heute. „Und als das haben es die meisten auch aufgefasst.“

Sibbe Rakete trommelte in verschiedenen Engelskirchener Bands

Die Erzählung, deren erste Fassung Rakete größtenteils   in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit ins Handy getippt hat, sei stark an echte Erlebnisse angelehnt, sagt der Autor. Dementsprechend hat auch das Roman-Personal fast vollständig echte, lebendige Vorbilder. Etliche Looper, vor allem die, die heute Anfang bis Mitte 40 sind, dürften sich selbst oder zumindest Bekannte wiedererkennen, vielfach sogar unter echtem Namen – sofern sie dem Autor ihr Einverständnis gegeben haben. Für Lokalkolorit sorgen zudem Kulissen wie die Hängebrücke Castor, die Liebesinsel an der Agger, das Wasserkraftwerk oder der Sportplatz des ASC Loope.

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Punk auf dem Land, das geht nicht ohne Musik. Und tatsächlich hat Sibbe in den 1990ern in verschiedenen Engelskirchener Bands getrommelt, bei den Drunken Pilots zum Beispiel und bei Platzangst. Punk auf dem Land geht auch nicht ohne Abgrenzung von den örtlichen Strukturen. „Aber der Roman ist keine Abrechnung mit Loope, das ist mir wichtig, sondern eine Ode.“ Das kann man dem Buch auch anmerken, denn die alten Zeiten werden durchaus auch liebevoll beschrieben.

„Beim Schreiben war ich mehr von Nostalgie als von Gram getrieben. Was man früher als beschissen empfunden hat, das wurde mir erst später klar, war eigentlich eine geile Zeit. Wir hatten ziemliches Glück.“ Und es war ja auch wahrlich nicht alles schlecht, wie die Passage über das dritte „S.U.C.K. Festival“ zeigt. Denn das hat so wie im Roman beschrieben im Juni 1995 im Caritas-Jugendzentrum in Engelskirchen stattgefunden.

Der Aufbruch im VW-Bus ist gut 20 Jahre her

Da trat neben den Lokalmatadoren Forehead und Gastric Spasm auch die für ihre politischen Texte bekannte Hamburger Punkband „...But Alive“ auf, die bis heute als wegweisend gilt und deren Sänger Marcus Wiebusch (Kettcar) immer noch eine große Nummer im Musikgeschäft ist. Die Hanseaten kamen den übertrieben auf Punk getrimmten Jugendlichen damals allerdings vor wie angehende Erdkundelehrer.

Der Autor, der mit bürgerlichem Namen Sebastian Lange heißt, hat sich beim Schreiben des Romans eng, aber nicht komplett an die Wirklichkeit gehalten. „Es ist vieles autobiografisch, vieles fällt aber auch aus dem zeitlichen Rahmen, manches ist geliehen“, sagt er. „In Wirklichkeit haben wir nie mit einem Kurzschlussstecker eine Festzeltdisko lahmgelegt.“

Der Aufbruch im VW-Bus ist jetzt gut 20 Jahre her, seither lebt Sibbe Rakete auf St. Pauli. „Hamburg war netter als gedacht.“ Über den FC St. Pauli, da hat er beim Fanzine „Übersteiger“ mitgearbeitet, habe er schnell viele Leute kennengelernt, erinnert er sich, auch wenn er sich an Heimspieltagen zunächst am Millerntorstadion an die U-Bahn-Station stellen und nach Karten fragen musste, um ins Stadion zu kommen. „Ich wurde 500-mal ausgelacht, aber der Fünfhunderterste hatte eine Karte übrig.“ Punk ist er all die Jahre geblieben, auch musikalisch: Sibbe war jahrelang Sänger bei der „Notgemeinschaft Peter Pan“, mit Marcus Wiebusch ist er heute befreundet.

Viele Leserreaktionen sind schon beim Autor eingegangen, auch von anderen Dorfpunks. „Die meisten, die im Ländlichen aufgewachsen sind, erkennen sich wieder, egal woher sie kommen. Die kennen die Storys.“

Sibbe Rakete: Provinzrebellen, Subkultur Verlag, 208 Seiten, 14 Euro.

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