Gemeinderat LindlarBürgeranträge sorgen für Diskussion

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Kulturzentrum Lindlar

Blick ins Plenum einer Ausschusssitzung in Lindlar.

Lindlar – Drei Bürgeranträge hatte die Initiative „Lindlar like“ an den Hauptausschuss gestellt. Die standen in der jüngsten Sitzung auf der Tagesordnung. Als Erfolg dürfte die Initiative verbuchen, dass es nach ihrem Bürgerantrag zur Beteiligung eine Diskussion zwischen Ratsfraktionen, Bürgermeister und Einwohnenden zum Neubaugebiet Jugendherberge geben soll, wenn der Gemeinderat auf seiner heutigen Sitzung zustimmt.

Dazu gab es aber auch eine Aussprache mit den Antragstellenden, denn ein Newsletter der Initiative von Anfang September war der Chefetage des Rathauses sauer aufgestoßen. In einer Sitzungsunterbrechung sprach Initiativen-Sprecher Christian Kleff zu den Ausschuss-Mitgliedern. Wie berichtet, hatte sich die Bürgerinitiative Lindlar like gegründet, um die Entwicklung des geplanten und umstrittenen Neubaugebiets „An der Jugendherberge“ kritisch zu begleiten. Einwohner können in NRW unter anderem durch Bürgeranträge Einfluss auf die Politik nehmen. Bürgeranträge gehen an den Rat und werden im Haupt- und Finanzausschuss behandelt, das ist praktisch ein Super-Ausschuss knapp unter dem Rat. Der Hauptausschuss entscheidet, wie es mit den Bürgeranträgen weiter geht. Das ist geschehen.

Verkehr

Der erste Bürgerantrag beschäftigt sich mit der Verkehrssituation, denn die Antragsteller fürchten, dass die Straßen in Lindlar dem zusätzlichen Verkehr nicht gewachsen sind, wenn an der Jugendherberge in dem Ausmaß gebaut wird, wie es bislang in der Diskussion steht. Der Antrag wurde vom Hauptausschuss zur Kenntnis genommen und soll nun im zuständigen Bau- und Planungsausschuss beraten werden. Die Fraktionen nahmen zum Bürgerantrag Stellung. „Da muss dauerhaft dran gearbeitet werden“, sagte Sven Engelmann (CDU). Einig waren sich die Fraktionen darin, dass sie sich „über die Bürgerbeteiligung freuen“, so Renate Klinnert (SPD). Dass mit dem Antrag der jüngst vorgestellte Entwurf zum Neubaugebiet kritisiert wurde, griff Jörg Schlichtmann (Grüne) auf. „Wie auch immer die weitere Planung laufen wird, da gehört natürlich ein Verkehrskonzept zu“.

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Starkregenrisiko

Der zweite Bürgerantrag der Initiative bezieht sich auf das Wasser. Die Häuser unterhalb des geplanten Baugebiets waren beim Starkregen am 8. Juli massiv von Überschwemmungen betroffen, das solle eingerechnet werden. Bereits in der Vorbereitung der Sitzung hatte die Verwaltung auf das neue Starkregenrisikomanagement des Kreises hingewiesen, das auch diese Probleme in den Blick nehmen werde. Außerdem habe die gemeindeeigene Entwicklungsgesellschaft BGW für das Neubaugebiet ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben. Der Hauptausschuss verwies den Bürgerantrag zur Kenntnisnahme weiter in den Bau- und Planungsausschuss und den BGW-Aufsichtsrat.

Bürgerbeteiligung

Im Antrag forderte die Initiative einen mehrstufigen Prozess der Bürgerbeteiligung. Die Verwaltung hatte dem Ausschuss die Kenntnisnahme vorgeschlagen und eine Stellungnahme verfasst. Neben dem Antrag war darin auf einen Newsletter der Initiative Bezug genommen worden. In dem Newsletter hatte Lindlar like der Politik vorgeworfen „keine klare Vision für Lindlar zu entwickeln“. Bürgermeister Dr. Georg Ludwig hatte Ausdrucke der Gemeindekonzepte zur Entwicklung der vergangenen Jahre dabei und hob sie in Richtung der Zuschauerränge. „Ich würde begrüßen, dass, wenn man als Bürgerinitiative unterwegs ist, würdigt, dass wir schon Konzepte haben“, so Ludwig. Die Verwaltung arbeite objektiv und neutral, das ist auch in der Stellungnahme so festgehalten.

Diskussion

In einer Unterbrechung der Sitzung sprach Christian Kleff von Lindlar like dazu: „Jedes Konzept alleine dürfte nicht viel bringen“. Er vermisse, dass die Entwicklung in einen Gesamtzusammenhang gesetzt werde. Seine Bitte richtete er direkt an die Fraktionen: „Die Politik sollte sich den Bürgern stellen.“ Die Fraktionen nahmen den Dialog auf. „Die Frage ist doch, wer ist die Politik?“, gab Sven Engelmann (CDU) zurück und verwies auf die geleistete Arbeit, die werde in den Parteien ebenfalls von Einwohnern im Ehrenamt geleistet. Engelmann warb im Prozess für mehr wechselseitiges Verständnis, wie auch Harald Friese (FDP). Renate Klinnert (SPD) forderte dazu, die „Missverständnisse auszuräumen.“ Sie hatte einen Antrag im Namen von SPD, Grünen und FDP formuliert, der die Bürgerbeteiligung aufgreift und die Verwaltung dazu beauftragt, Workshops zu den „wesentlichen Themen“ einzurichten.

Kommentar: Es sind neue Mitspieler an Bord gekommen

Lutz Blumberg über die Diskussion nach den Bügeranträgen

Will Lindlar Stadt werden?“ Diese Frage stellte eine Frau in der Einwohnerfragestunde zu Beginn des Hauptausschusses. Die Grenze, ab der sich Lindlar um Stadtrechte bemühen kann, liegt bei 25 000 Menschen, so die Antwort. Das sei rein planerisch kaum zu schaffen, wolle man nicht das Ziel des „maßvollen Wachstums“ aus den Augen verlieren, antwortete Bürgermeister Dr. Georg Ludwig.

Die Frage bringt auf den Punkt, was viele Menschen in der Gemeinde bewegt: Die schiere Größe des Neubaugebiets Jugendherberge, wo rund 70 Bauplätze entstehen könnten, und die ursprünglich massiven Erweiterungspläne auf der Klause nähren solche Befürchtungen. Es wird gebaut, es wird geplant, Lindlar wächst.

Die Initiative Lindlar like greift in ihrem Namen die Angst auf, dass der Ort und die Gemeinde irgendwann nicht mehr wiederzuerkennen sind. Ist Lindlar noch Lindlar like? Ist das noch Lindlarmäßig? In der Diskussion um die Anträge der Bürgerinitiative und der gelinde gesagt verschnupften Reaktion aus der Verwaltung, sagte Jörg Schlichtmann von den Grünen, dass das „was gemacht wird und was beim Bürger ankommt“ auseinander klaffe. Das bestätigte Armin Brückmann (CDU) mit seiner Beobachtung, dass man bei den Bürgerworkshops der vergangenen Jahre immer wieder die Menschen treffe, die sich auch sonst in Lindlar engagieren.

Die Diskussion ist eine Chance, Brücken zu schlagen und Menschen für die ehrenamtliche Lokalpolitik zu gewinnen. Die zugewandte Art der Diskussion zeigte, dass die Lindlarer Fraktionen das erkannt haben. Insofern hat das Reingrätschen von Lindlar like etwas bewirkt, um die Kommunikationslücken zu schließen und bei künftigen Workshops vielleicht mehr Menschen zum Kommen zu bewegen.

Dass Lindlar like bereits selbst Politik macht, steht außer Frage. Dass man dann als neutrale Verwaltung da ebenso neutral bleiben muss und nicht Newsletter und Bürgerantrag von sich aus in „einem Kontext“ einordnet, wird ein Lernprozess sein. Es sind neue Mitspieler an Bord gekommen.

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Das veranlasste den Beigeordneten Michael Eyer zu einer Intervention. Eyer ist im Rathaus der Personalchef und forderte „definieren Sie wesentlich.“ Die Arbeit in der Vorbereitung von Rats- und Ausschusssitzungen und in den Bürgerversammlungen liege „in der Verwaltung bei einer Hand voll Leuten“. Er warnte vor einer Überforderung der Beschäftigten.

In der Diskussion einigten sich die Fraktionen darauf hin auf zwei bis drei Workshops zum Planungsprozess inklusive Hilfe von Planungsbüros und die eingangs beschriebene Diskussion, die Entscheidung soll der Rat treffen.

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