InterviewAggerenergiechef Frank Röttger will den Kommunen bei der Wärmeplanung helfen

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Pionierprojekt: Vor mehr als zehn Jahren ging das Nahwärmenetz auf dem Steinmüllergelände in Betrieb. Der Wärmeatlas der Aggerenergie zeigt, wo sonst so etwas möglich ist.

Pionierprojekt: Vor mehr als zehn Jahren ging das Nahwärmenetz auf dem Steinmüllergelände in Betrieb. Der Wärmeatlas der Aggerenergie zeigt, wo sonst so etwas möglich ist.

Im Interview erklärt Frank Röttger, wie die Aggerenergie die Transformation der Wärmeversorgung in Oberberg meistern will.

Frank Röttger ist Geschäftsführer der Aggerenergie. Kürzlich hat er Vertreter der oberbergischen Gesellschafterkommunen über die Konsequenzen der ihnen auferlegten kommunalen Wärmeplanung informiert. Unsere Zeitung sprach mit ihm über den Beitrag, den die Aggerenergie bei der oberbergischen Wärmewende leisten kann und möchte.

Die Aggerenergie verdient ihr Geld mit dem Verkauf von Gas. Wenn es in der kommunalen Wärmeplanung darum gehen muss, den individuellen Gasverbrauch der Haushalte zu senken: Machen die Kommunen bei einer Zusammenarbeit mit der Aggerenergie nicht den Bock zum Gärtner?

Sicher, das klare Ziel der Politik ist die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung. Gas soll nicht mehr verbrannt werden, die Erdgastherme ist bei Neubauten schon im kommenden Jahr Geschichte. Da das Gasnetz einen Großteil unseres Vermögens und unsere Kernkompetenz ausmacht, haben wir uns schon vor mehr als drei Jahren die Frage gestellt: Wie sieht unsere Strategie aus? Nun hilft es uns, dass wir auch das Stromnetz in unserem Besitz haben, und das wird für den Betrieb von Wärmepumpen gebraucht.

Frank Röttger, der Geschäftsführer Aggerenergie

Frank Röttger ist Geschäftsführer der Aggerenergie

Was haben Sie unternommen?

Wir haben mit der Uni Wuppertal ein Forschungsprojekt zur Transformation der Wärmeerzeugung gestartet. Das Ergebnis ist ein Wärmeatlas, der unter anderem zeigt, wo eine zentrale Versorgung über Nahwärmenetze sinnvoll ist und wo Wärmepumpen eingesetzt werden müssen. Ich glaube übrigens nicht, dass Wasserstoff in privaten Haushalten eine bedeutende Rolle spielen wird. Der Wirkungsgrad ist viel schlechter als beim direkten Einsatz von regenerativer Energie, und Wasserstoff wird nicht in ausreichendem Maß verfügbar sein.

Und mit dem Wärmeatlas ist ein Anfang gemacht?

Ja, diese digital verfügbaren Daten sind extrem hilfreich bei einer kommunalen Wärmeplanung. Für die Kommunen ist diese Planung eine Riesenherausforderung, das ist in NRW ein ganz neues Feld, in den Rathäusern haben sie dafür kaum Fachpersonal. Am Ende werden sie dennoch den privaten Eigentümern wie bei der Abwasserentsorgung vorschreiben müssen, wie sie zu heizen haben.

Der Großteil der Oberberger wohnt in verstreuten Dörfern. Wo werden Nahwärmenetze installiert werden?

Das Holzhackschnitzelkraftwerk auf dem Steinmüller-Gelände zeigt, was möglich ist. So etwas kann man natürlich auf weitere Teile der Gummersbacher Innenstadt ausweiten. Weit mehr als die Hälfte der dezentralen Siedlungen in Oberberg kommt aber dafür nicht in Frage und muss mit Wärmepumpen ausgerüstet werden. Entscheidend wird die Frage sein, in welchem Ausmaß die Gebäude im jeweiligen Quartier energetisch saniert wurden oder noch werden müssen. Da kann man gewisse Sozialräume unterscheiden und Potenziale ermitteln. Die Aggerenergie hat dabei eine wichtige Vorarbeit geleistet.

Das ist schon starker Tobak, den uns der Gesetzgeber aufnötigt.
Frank Röttger, Aggerenergie

Wie geht es jetzt weiter?

Die Kommunen müssen die Studien für ihre jeweilige Wärmeplanung einzeln ausschreiben, wir als Aggerenergie müssen uns dann wie jedes Fachbüro um den Auftrag bewerben. Ich glaube aber, dass wir gute Chancen haben, weil wir durch unsere wichtige Vorarbeit beim Wärmeatlas ein günstiges Angebot machen können. Wie immer es nun mit dem Gebäudeenergiegesetz weitergeht – die Bundesregierung hat es sich leicht gemacht und die Verantwortung erstmal den Kommunen zugeschoben. Wir als regionaler Versorger bieten uns den Rathäusern als natürlicher Partner an.

Weniger Einnahmen über den Gasverkauf, zugleich hohe Investitionen in das Stromnetz: Wie wird die Aggerenergie diesen Spagat bewältigen?

Das ist schon starker Tobak, den uns der Gesetzgeber aufnötigt. Ohne staatliche Förderung wird es nicht gehen. Aber ich sehe auch die Chancen. Grundsätzlich hat die Aggerenergie die Größe, um die erforderlichen Investitionen zu bewältigen. Das ist bei kleineren Stadtwerken eher fraglich. Diese haben oft erst vor kurzem für viele Millionen Euro Konzessionen und Netze übernommen. Insbesondere die Gasnetze werden künftig kaum noch werthaltig sein. Wahrscheinlich wird es wieder eine stärkere Zentralisierung geben oder zumindest gemeinsame Gesellschaften. Wir sind bereit, unsere Tür steht offen.

Wie verläuft die parallele Umstellung der Region auf Sonnenstromerzeugung?

In unserer Tochter Aggerservice haben wir kompetente Fachleute. Wir halten an unserem Qualitätsanspruch bei Material, Beratung und Installation fest, obwohl es einen großen Fachkräftemangel gibt. Die Dächer bieten in Oberberg das größte Potenzial an erneuerbarer Energie. Für Windkraft werden in unserer hügeligen und zersiedelten Landschaft auch dann nur einige wenige Standorte in Frage kommen, wenn die Mindestabstände verringert werden. Anders sieht es mit Freiflächenanlagen für Photovoltaik aus. Die Aggerenergie würde gern den regional produzierten Solarstrom vor Ort verteilen, wenn die Gesetzeslage es erlaubt. Für Projekte in unseren Gesellschafterkommunen stehen wir als Partner gerne zur Verfügung.

Welche Empfehlungen geben Sie den Kunden?

Sie sollten Ruhe bewahren und die energetische Modernisierung ihres Hauses schrittweise voranbringen. Dabei ist es aber wichtig, von Anfang an ganzheitlich zu denken und sich umfassend beraten zu lassen. Viele Fragen müssen bedacht werden: Wie alt ist mein Haus, meine Heizung, und wie alt bin ich selbst? Wir wollen in dieser Hinsicht unsere Beratungskapazitäten weiter ausbauen. Die Installation einer Wärmepumpe kostet Geld, erst recht, wenn es eine hybride Anlage ist, die noch auf Gas zurückgreift. Sicher ist aber auf lange Sicht: Wegen der CO2-Abgabe wird Gas immer teuer werden.

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