Erinnerungen an das Kinderheim OmmenbornSchläge vor dem Schlafengehen

Das Kloster Ommerborn in den 1960-er Jahren. 1941 zog ein Kinderheim der evangelischen Diakonie Kaiserswerth ein. Neun schlimme Jahre verlebte Rosemarie Springsguth hier.
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- Mit über 80 Jahren berichtet Rosemarie Springsguth erstmals über ihre Zeit im Kinderheim Ommerborn.
- Vor allem Bilder von Misshandlungen hat sie im Kopf.
- Jetzt sucht sie Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Ommerborn – Der blaue Himmel über den grünen Hügeln von Ommerborn. Daran erinnert sich Rosemarie Springsguth auch nach über 70 Jahren noch gerne. Wären da nicht auch die anderen Bilder, die sie von dem Ort zwischen Wipperfürth, Lindlar und Kürten im Gedächtnis hat. Zum Beispiel, wie ein Rohrstock auf einen Kinderkörper schlägt, wie Essen mit Gewalt in Kindermünder gezwungen wird, wie das wöchentliche Bad zur erniedrigenden Tortur wird.
Es sind die Bilder von Misshandlungen, wie sie wohl zumindest regelmäßig unter dem blauen Himmel auf den grünen Hügeln von Ommerborn geschahen, damals, in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Damals, in dem Kinderheim, das im Gebäude des Klosters Ommerborn untergebracht war. Obwohl das ein katholisches Kloster war, wurde das Heim von der evangelischen Diakonie Kaiserswerth betrieben. Das war der Raumnot der Kriegszeit geschuldet.
Immer mehr Kinder von der Stadt aufs Land
Als 1941 das Heim ins Kloster einzog, war Rosemarie Springsguth unter den ersten 50 Kindern, die zumeist aus Köln ins Bergische verlegt wurden. Später kamen immer mehr Heimkinder dazu, die aus den ausgebombten Städten aufs Land gebracht wurden.
Hier lebten die Kinder, hier wurden sie auch unterrichtet. An die Schulstunden hat sie ebenso wenig gute Erinnerungen, wie an die Nächte im Heimbett. „Wenn sie uns beim Abgucken oder Flüstern erwischte, schlug sie mit dem Stock auf unsere Rücken“, erinnert sie sich an die Lehrerin. Rosemarie Springsguth ist heute über 80 und lebt in Berlin. Ab und zu besucht sie noch Köln und das Rheinland, wenn es die Gesundheit zulässt. Doch die Besuche sind selten, denn Köln – diese Stadt hasst sie. Zu viel wurde ihr hier in ihren ersten 14 Lebensjahren angetan. Diese Zeit verbrachte sie in Heimen, neun Jahre davon in Ommerborn.
„Immer noch ein Stück Heimat“
Doch sie besucht das Rheinland trotzdem noch. Das letzte Mal liegt erst ein paar Monate zurück. Im Sommer 2019 machte sie auch einen Abstecher nach Ommerborn. „Es ist immer noch ein Stück Heimat“, erzählt sie und erinnert sich an Fußmärsche ohne Schuhe runter bis nach Wipperfürth. Spaziergänge, so wurde das von den Erzieherinnen genannt.
Als sie nun wieder in Ommerborn stand und den Waldrand nahe der drei Kreuze sah, hielt sie auch Ausschau nach Brombeeren. Doch sie hat bei diesem Besuch keine gefunden. Vielleicht war es einfach noch zu früh im Jahr.
Engagiert in der Hauptstadt
Aber an die Beerensuche in der Kindheit erinnert sie sich gerne: „Man war ein bisschen frei und hier und da gab es ein Lob“. Doch wehe, eines der Kinder aß während des Pflückens eine Frucht.
In ihrer neuen Heimat Berlin ist Rosemarie Springsguth engagiert in der Regionalgruppe ehemaliger Heimkinder, die sich auch für die Aufarbeitung des Unrechts in Kinderheimen in der einst geteilten Stadt einsetzt.
Suche nach Menschen mit gleichem Schicksal
Doch für sie sind es die Erinnerungen an die Zeit im Heim in Ommerborn, die sie nicht los lassen. Aufgeschrieben hat sie ihre Erinnerungen an die Heimjahre unter blauem Himmel und harter Hand schon einmal. Das war 2010. Veröffentlicht wurden die Erinnerungen in der Zeitschrift „Widersprüche“ (Heft 118) aber noch als Beitrag einer Anonyma. Sie fürchtete Anfeindungen.
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Heute, fast zehn Jahre später, sieht sie das anders. Erstmals will sie ihren Namen in der Öffentlichkeit in Verbindung mit dem Kinderheim in Ommerborn nennen. Sie sucht Kontakt zu Menschen, die ebenfalls als Kinder im Heim in Ommerborn gelebt haben „Es ist mir einfach ein Bedürfnis“, sagt Rosemarie Springsguth. Die Suche nach Menschen, die ihr Schicksal in der Kriegs- und Nachkriegszeit geteilt haben. Angst, angefeindet zu werden, hat sie immer noch. Andererseits: „Was soll mir in meinem Alter noch passieren?“, fragt sie.
Ehemalige Heimkinder aus Ommerborn, die mit Rosemarie Springsguth in Kontakt treten wollen, können sich an die Redaktion wenden.Wir leiten die Kontaktdaten weiter.
E-Mail: redaktion.oberberg@ksta-kr.de