FichtensterbenIm Lindlarer Wald herrscht Ausnahmezustand

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Auch das Wiederanpflanzen gehört zu den Aufgaben von Forstbetrieben wie dem von Maic Hartkopf.

Auch das Wiederanpflanzen gehört zu den Aufgaben von Forstbetrieben wie dem von Maic Hartkopf.

Lindlar – Was 50 Jahre lang gewachsen ist, rasieren die Holzernter von Maic Hartkopf in etwa einer Minute. Ansetzen, fällen und zupacken. Fünf Meter Stamm befreien die Harvester pro Sekunde vom Geäst. Gleich danach wird das Holz auf Länge gesägt und beiseite gestapelt, bevor der Greifkran den nächsten Baum ins Visier nimmt. Läuft alles nach Plan, ersetzt er neun Waldarbeiter, schafft bis zu 400 Festmeter pro Schicht und wird dabei niemals müde.

Seit fast 30 Jahren ist Hartkopf im Holzgeschäft. In Lindlar führt der 52-Jährige heute einen der größten Forstbetriebe des Bergischen Landes. Gerade seine Fäll-Experten sind der Dreh- und Angelpunkt beim großflächigen Fichtensterben. Durch ihre gut sicht- und hörbare Arbeit dämmert der Bevölkerung oft erst so richtig, welche dramatischen Veränderungen im Busch vor sich gehen.

Lage ist nach drei Jahren Trockenheit dramatisch

„Wir schlagen heute die Holzmenge ein, die für die nächsten drei Jahrzehnte geplant war“, erklärt Hartkopf. „Jeder, der mit Holz zu tun hat, ist momentan unter Volldampf.“ Nach drei Trockenjahren in Folge sei die Dramatik der Lage in den Köpfen der allermeisten Waldbesitzer angekommen. „Es geht nicht mehr darum, wo man noch etwas verdienen kann. Sondern darum, möglichst schnell und günstig die Flächen abzuräumen“, betont der Unternehmer.

In Hartkopfs Branche müsste Goldgräberstimmung herrschen, sollte man meinen. Doch der Lindlarer, selbst auch Waldbesitzer, schüttelt energisch den Kopf. Mit einer vernünftigen Forstwirtschaft habe das nichts mehr zu tun. „Da sind die Bäume 50 oder 60 Jahre lang gewachsen und plötzlich möchte sie niemand mehr – das macht mich traurig“, sagt Hartkopf und blickt auf eine Kahlschlagfläche nahe der Leppe-Deponie. Oft werde nämlich vergessen, dass die Forstbetriebe nicht nur Bäume fällten. „Alleine wir haben in den letzten Jahren eine sechsstellige Zahl von Pflanzen in den Boden gebracht“, so Hartkopf.

Auch beim Fällen der Fichten Probleme

Die dürren Fichten machen den Waldarbeitern jedenfalls selbst beim Fällen Probleme. Die Fahrgassen, die Hartkopf und Co. in die Parzellen schlagen, wurden jahrzehntelang mit grünem Reisig bedeckt, die den Druck der Maschinenreifen auf den Waldboden abfederten. Bei den trockenen Ästen ist der Effekt gleich Null. „Wir arbeiten deshalb regelmäßig mit abgesenktem Reifendruck, im Naturschutzgebiet kommen Pferde zum Einsatz“, erklärt Hartkopf. Grundsätzliche Kritik an der maschinellen Holzernte weist er zurück. „Bei den anfallenden Holzmassen ist es schlicht unmöglich, auf Maschinen zu verzichten.“

Bei aller aktueller Kritik an den seinerzeit gepflanzten Monokulturen und Forderungen nach einer schnellen Wiederaufforstung müsse man Wald auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sehen, findet Maic Hartkopf.

Jungpflanzen seien extrem gefragt und deshalb teuer

Er verweist darauf, dass der Preis für Fichtenholz höchster Güte vor einigen Jahren auf den höchsten Stand seit dem Bestehen der Bundesrepublik geklettert war – und praktisch über einen Sommer ins Bodenlose stürzte. Hinzu kämen nun die Kosten für das Fällen, obendrein seien Jungpflanzen inzwischen enorm gefragt und entsprechend teuer.

„Da braucht es Geld, das nicht jeder eingeplant hat, und eine große Portion Idealismus“, betont Hartkopf. Schließlich hätten frühestens die Enkel etwas von jetzt investierten Summen. Der Lindlarer berichtet von einem Fernsehbeitrag, den er neulich gesehen hat.

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Der Sender hatte ein Kassenhäuschen am Waldrand aufgebaut und wollte testen, wie viel den anrückenden Spaziergängern, Mountainbikern und Hundebesitzern der Gang durch den Wald wert ist. Nicht wenige drehten empört ab. „Wald soll für alle da sein und das ist auch richtig“, sagt Hartkopf. Im Gegenzug brauche es aber eben auch Verständnis für die wirtschaftlichen Entscheidungen der Waldeigentümer.

Hartkopf rechnet fest damit, dass sich auch die Tätigkeiten der Forstbetriebe ändern werden, wenn die letzte Fichte abtransportiert ist. „Wir werden uns breiter aufstellen müssen“, betont der Lindlarer. Bis es soweit ist, werde allerdings noch einige Zeit vergehen. Spannend werde es im kommenden Frühjahr. Dann könne man beurteilen, wie Buche, Esche und auch Birke das dritte Trockenjahr in Folge verkraftet hätten. „Das Ende haben wir noch nicht gesehen“, ist Maic Hartkopf überzeugt.

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