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Für den LärmschutzTempo 30 in Kalsbach – Für Experte sind Knöllchen rechtswidrig

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Die jüngsten Bußgelder seien rechtswidrig, meint ein Experte.

Die jüngsten Bußgelder seien rechtswidrig, meint ein Experte.

Hupende Autofahrer in Kalsbach sind keine Seltenheit, nachdem dort auf Geheiß des Oberbergischen Kreises innerorts aus Lärmschutzgründen Tempo 30 angeordnet worden ist. Während die Kreisverwaltung auch auf erneute Nachfrage bei ihrer Position bleibt und die Maßnahme für „verhältnismäßig“ und daher auch für rechtskonform hält, äußert ein Experte Zweifel. Ist jedes Knöllchen rechtswidrig?

Sowohl die Anordnung selbst als auch die jüngsten Bußgelder seien rechtswidrig, wie Klaus Heller sagt. Der Erste Polizeihauptkommissar a.D. ist Dozent für Verkehrsrecht an der Hochschule für Polizei und Verwaltung in Köln-Kalk. Zuvor war er auch im Oberbergischen als Wachleiter tätig.

„Als das Streckenverbot auf der Hauptdurchgangsstraße in Kalsbach verordnet wurde, war von vorneherein klar, dass es sich um eine fragwürdige Maßnahme handelt“, sagt Heller. Öffentliche Verwaltungen, zu denen auch ein Straßenverkehrsamt gehört, seien an Recht und Gesetz gebunden. Dies leite sich aus der Rechtsstaatlichkeit des Artikels 20 Grundgesetz ab. „Verwaltungshandeln muss sich an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne messen lassen.“

Die Maßnahme reicht nicht für Lärmschutz

Und dieser Grundsatz bestehe aus den Fragen nach der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, erklärt der Dozent. Wenn also eine Maßnahme der öffentlichen Hand nicht geeignet sei, sei eine weitere Prüfung nicht notwendig, weil die Maßnahme sofort rechtswidrig ist.

Auf den konkreten Fall in Kalsbach bezogen, heißt das für Heller: „Als die Tempo 30-Zone an dieser Stelle mit der Begründung Lärmschutz eingerichtet wurde, war sofort auch die Rede davon, dass diese Maßnahme für einen Lärmschutz nicht ausreichen würde. Das bedeutet, dass die Verwaltung eine Maßnahme angeordnet hat, von der sie wusste, dass sie rechtswidrig ist, weil nicht geeignet.“

Experte meint: Auch Blitzen und Lasern ist rechtswidrig

Dieses verwaltungsrechtliche Fehlhandeln (eine rechtswidrige Anordnung widerspricht dem Rechtsstaatsprinzip) ziehe weitere rechtliche Konsequenzen nach sich, sagt der Verkehrsrechtsexperte. So sei jede Maßnahme, die auf diesem falschen Handeln aufbaut (Blitzen oder Lasern) auch rechtswidrig.

Für Heller ist daher auch völlig klar, dass kein Bußgeld und keine Verwarnung gezahlt werden würden. In der Konsequenz könne das nur dazu führen, dass Tempo 30 in Kalsbach schnell wieder abgeschafft werden muss, damit Gerichte nicht mit „unsinnigen Verfahren überzogen“ würden. Heller sagt im Gespräch auch, dass er persönlich ein Verfechter von Tempo 30 in schützenswerten Zonen sei.

„Die angeordnete Tempo 30-Zone entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“, betont dagegen Kreisdezernentin Birgit Hähn. Das Mittel (Tempo 30, Anm. d. Red.) müsse geeignet sein. Es sei dann geeignet, wenn der damit verfolgte Zweck überhaupt erreicht oder zumindest gefördert werden kann. Ungeeignet sei das Mittel auf jeden Fall dann, wenn die Erfüllung des Zwecks mit der Maßnahme objektiv unmöglich ist.

Kreis bleibt bei seiner Position

So viel zur juristischen Bewertung des Kreises, der betont, dass Tempo 30 auf jeden Fall zu einer spürbaren Reduzierung der Lärmbelastung führe und deshalb erforderlich und geeignet sei. Die hiermit verbundenen Belastungen für die Verkehrsteilnehmer seien auch angemessen.

Dem stehe nicht entgegen, dass die Lärmwerte in der Ortsdurchfahrt in einigen Fällen überschritten würden und eventuell durch weitere Maßnahmen, etwa der Anwohner, die Lärmbelästigung noch weiter verringert werden könnte. „Folglich gibt es keinen Grund, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung anzuzweifeln. Wir werden also an der Geschwindigkeitsreduzierung festhalten“, betont Hähn.

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Die Entscheidung über zukünftige Geschwindigkeitskontrollen obliege der Bußgeldstelle. „Selbstverständlich steht es jedem Bürger frei, die angeordnete Maßnahme einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen.“

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