NS-ZeitZwangsarbeiterin aus Morsbach wurde einst in einer Brauweiler Kiesgrube erschossen

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Zu sehen ist ein Grabstein mit kyrillischer Inschrift.

Das Grab der Zwangsarbeiterin Nina Sawina auf dem Friedhof von Brauweiler.

Die Ukrainerin Nina Sawina kam 1942 nach Morsbach. Inzwischen lässt sich ihr Lebensweg genau rekonstruieren.

Vor einem Jahr, am 24. Februar, begann die russische Invasion in die Ukraine. Menschen haben dort nicht nur in den vergangenen Monaten Leid, Vertreibung und Tod erfahren: Auch unter der Herrschaft der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg haben sie gelitten. Der Fall der jungen Zwangsarbeiterin Nina Sawina aus Donezk ist ein Beispiel dafür.

Nur selten können nach fast 80 Jahren die Schicksale von Zwangsarbeitern rekonstruiert werden. Durch Zufall wurde vor einigen Jahren die Ermordung der ukrainischen Zwangsarbeiterin Nina Sawina bekannt, die 1942 nach Morsbach verschleppt worden war und 1945 bei Brauweiler exekutiert wurde. Gegen ihren Willen musste die damals 19-Jährige zunächst im März 1942 ihren Heimatort Stalino verlassen und wurde nach Deutschland gebracht.

Verschleppt nach Oberberg

Im Zweiten Weltkrieg stand Stalino unter deutscher Besatzung, brutal gingen die Soldaten gegen die Bevölkerung vor. Viele Menschen wurden als Zwangsarbeiter verschleppt. Am 13. April 1942 traf Nina Sawina in Morsbach ein und musste von da an in einer Metall verarbeitenden Fabrik arbeiten. Untergebracht war sie im nahen Barackenlager auf der Hoorwiss.

Dort soll sie sich im Mai 1942 zur Wortführerin der 20 ukrainischen Zwangsarbeiterinnen gemacht haben, die gegen die Arbeitsbedingungen protestiert und einen eigenen Speisesaal gefordert haben. Ende Mai 1942 wurde Nina Sawina nach Köln gebracht und wegen Meuterei zu zwei Monaten Arbeitserziehungslager verurteilt. Nach ihrer Entlassung fand die Ukrainerin eine Anstellung als Zimmermädchen in einem Kölner Hotel.

Luftbild, zu sehen sind Baracken, in denen im Zweiten Weltkrieg Häftlinge untergebracht wurden.

In diesen Baracken auf der Hoorwiss in Morsbach wurden im Zweiten Weltkrieg die ukrainischen Zwangsarbeiterinnen untergebracht.

Am 21. September 1944, ihrem 21. Geburtstag, wurde sie mit 34 weiteren Zwangsarbeitern durch die Kriminalpolizei unter Einsatz von Schusswaffen festgenommen. Den Inhaftierten wurden Hehlerei, Einbrüche, der Besitz von Waffen und sogar Morde vorgeworfen. Keiner der 35 Untersuchungshäftlinge der „Terrorbande“, so die amtliche Bezeichnung, überlebte die Ermittlungen. Alle wurden der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) übergeben, zu deren Spezialeinheit nach Brauweiler gebracht und unter „verschärften Vernehmungsmethoden“ befragt. Dabei sollen sie schließlich die Taten gestanden haben.

Bis zum Heranrücken der alliierten Front Anfang 1945 lebten von dieser Zwangsarbeitergruppe am Ende nur noch zwei „Ostarbeiterinnen“, Nina Sawina und Vera Suchowerkowa. Am Abend des 14. Februar 1945 sollten beide von der Gestapo getötet werden, weil die Spezialeinheit von Brauweiler aus auf die rechte Rheinseite, jedoch ohne die Fremdarbeiterinnen, verlegt werden sollte. Der Totengräber Gottfried Busch war für 19 Uhr an diesem Tag zu einer Kiesgrube bei Brauweiler bestellt worden.

Zu sehen ist eine 21-jährige Frau.

Nina Sawina nach ihrer Verhaftung im September 1944. Im Februar 1945 wurde die 21-jährige Ukrainerin bei Brauweiler hinterrücks erschossen.

In einem späteren Kriegsverbrecherprozess schilderte er 1947 den Ablauf der Exekutionen. Unter dem Vorwand, in ein Krankenhaus verlegt zu werden, wurden die Ukrainerinnen zur Kiesgrube gefahren. Zwei Gestapo-Beamte begleiteten zuerst die 21-jährige Nina Sawina. Der Totengräber erinnerte sich: „Zirka sechs bis sieben Meter von mir entfernt hörte ich die Pistolenschüsse und sah die Mündungsfeuer. Ich hörte, dass sechs Schüsse abgegeben wurden. Dann kamen die beiden Männer zu mir und sagten ,Beginn mit dem Aufladen’.“ Er lud das tote Mädchen dann auf seinen Fahrradanhänger.

Die zweite Ukrainerin ereilte kurz darauf dasselbe Schicksal. Einer der Gestapo-Beamten gestand in dem Kriegsverbrecherprozess die Tat und schilderte, wie er das Mädchen hinterrücks erschossen hatte. Der Beschuldigte, der behauptete, Nina Sawina sei eine Kriminelle gewesen, und er habe sie auf Befehl töten müssen, wurde zwar in erster Instanz zum Tod durch den Strang verurteilt. Nach Gnadengesuchen der Familie, die sogar eine Petition an den britischen König George VI. gesandt hatte, wurde die Hinrichtung aber abgewendet.

Kölner Erzbischof empfahl Gnadengesuch des Täters

Der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings schrieb aufgrund dieses Gnadengesuchs: „Wenn die Darstellung des Tatbestandes im wesentlichen richtig ist, scheint auch mir das Urteil sehr hart, und ich fühle mich gedrungen, das Gnadengesuch wärmstens zu empfehlen.“ Das Urteil wurde in eine sechsjährige Haftstrafe umgewandelt, die 1949 um ein Jahr verkürzt wurde. Die ukrainischen Zwangsarbeiterinnen Nina Sawina und Vera Suchowerkowa haben auf dem Friedhof in Brauweiler in der Reihe 18 ihre letzte Ruhestätte gefunden.

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