Brückensperrung A 45Teures Chaos in Lüdenscheid erwartet

Lesezeit 4 Minuten
Was die Brückensperrung auf der A 45 für Oberberg bedeutet.

Was die Brückensperrung auf der A 45 für Oberberg bedeutet.

Oberberg – Hendrik Pilatzki ist der Ärger anzumerken. Danach gefragt, was die Sperrung der A 45 bei Lüdenscheid für sein Unternehmen bedeutet, atmet der Geschäftsführer der Firma August Jaeger Nachf., die neben Tankstellen unter anderem eine Reihe von Hit-Märkten und einen Catering-Service betreibt, zunächst tief durch. Dann sagt der Engelskirchener, der seit Januar 2020 Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln ist: „Für uns ist das eine traurige Katastrophe.“

Kunden im östlichen Ruhrgebiet werden nicht mehr erreicht

Die A 45, so Pilatzki, sei für die oberbergische Wirtschaft eine ihrer „vier Lebensadern“ – zusammen mit der A1, der A3 und vor allem natürlich der A4. „Und wenn eine davon einfach durchgeschnitten wird, bricht der Blutkreislauf zusammen.“ Ein Kreislauf, zu dem auch das Ruhrgebiet gehört, etwa bei Pilatzkis Gemeinschaftsverpflegung, mit der er auch Altenheime oder Schulen beliefert. „Wir haben viele Kunden im östlichen Ruhrgebiet. Das macht 20 bis 30 Prozent unseres Geschäftes aus. Die erreichen wir jetzt im Prinzip nicht mehr.“

Wenn die Lieferung über Lüdenscheid läuft, könne im Augenblick keiner sagen, ob es auf den Nebenstrecken zweieinhalb oder dreieinhalb Stunden dauert, bis das Essen da ist. „Und wenn wir dafür den Umweg über Köln und Leverkusen nehmen, brauche ich mir über den ökologischen Fußabdruck meines Unternehmens in Zukunft überhaupt keine Gedanken mehr zu machen.“ Noch hätten die Kunden viel Verständnis. Was das für die Geschäftsbeziehungen langfristig bedeutet, wenn es Jahre dauert bis die Rahmede-Talbrücke für den Lkw-Verkehr wieder freigegeben wird, sei nicht abzusehen. Dasselbe gelte für die Anlieferung für die Märkte. „Der Hit in Marienheide zum Beispiel wird aus dem Logistikwerk in Bochum beliefert“, erklärt Pilatzki. „Wie wir es schaffen, da die Frische-Produkte morgens um 8 Uhr schon im Regal stehen zu haben statt erst um 10 oder 11 Uhr, weiß ich auch noch nicht.“

Umleitungen kosten nicht nur Nerven, sondern vor allem Geld

Doch nicht nur im Lieferverkehr sorgt die gesperrte Autobahn für Kopfzerbrechen. Wolfgang Cieplik, Inhaber der Wiehler Firma Unitechnik, die automatisierte Logistikanlage baut, klagt: „Die meisten unsere Baustellen befinden sich irgendwie gerade im Norden – entweder im Münsterland oder in Richtung Hamburg.“ Zum Beispiel das neue Logistikzentrum für die Firma Hela Gewürzwerk zwischen Hamburg und Lübecke. „Das ist ein Großprojekt, wo unsere Informatiker und Ingenieure immer wieder zu Besprechungen hinmüssen.“ Und wenn zu dem ohnehin weiten Weg noch der lange Stau vor der Sperrung und auf den Umleitungsstrecken komme, dann koste das nicht nur Nerven, sondern vor allem Geld. „Wohlgemerkt unser Geld, denn die Fahrzeit ist Arbeitszeit“, ergänzt Cieplik. Aktuell weichen auch seine Mitarbeiter, von denen es in Wiehl insgesamt 175 gibt, entweder auf den Umweg über Köln aus. „Oder sie versuchen alles, was Google so hergibt“.

Sorgen um ihre Mitarbeiter macht sich auch die Firma August Rüggeberg aus Marienheide. Florian Pottrick, Pressesprecher des Werkzeugherstellers, hat nachgesehen: 20 der 800 Mitarbeiter in Marienheide wohnen in Lüdenscheid, Halver oder Bochum und müssen jetzt mindestens eine halbe Stunde, oft auch eine Dreiviertelstunde mehr auf dem Weg zur Arbeit einplanen. „Am Anfang sind einige meiner Kollegen sogar voll in die Falle getappt und haben noch länger gebraucht“, erzählt Pottrick. Einige seien inzwischen phasenweise auf mobiles Arbeiten ausgewichen: „Doch das geht nicht immer und vor allem nicht bei jedem.“ Besonders betroffen sei ein junger Kollege aus Iserlohn, berichtet Pottrick: „Der ist gerade erst Vater geworden. Und weil er jetzt morgens früher los muss und abends später zu Hause ist, sieht er sein Kind gar nicht mehr.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Für Michael Sallmann, Leiter der IHK-Geschäftsstelle in Gummersbach, sind diese drei Beispiele typisch für die Firmen im Kreis. „Die Wirtschaft in Oberberg ist sehr abhängig von einer guten Verkehrsanbindung“, sagt er. „Für ihre Produktion brauchen sie Vormaterialien aus ganz Deutschland, aber auch aus den Überseehäfen.“ Und umgekehrt müssten sie auch ihre Produkte später weitertransportieren.

Eine Störung, die Jahre lang dauere, bringe die ganze Logistik durcheinander. „Das ist auf jeden Fall ein Wettbewerbsnachteil“, sagt Sallmann. Er sieht deshalb mit besonders bangem Blick auf die zahlreichen maroden Brücken, die es auf den Autobahnen rund um Oberberg noch so gibt – nicht nur in Richtung Norden.

KStA abonnieren